Die Harburger Theatergruppe Kinder spielen für Kinder inszeniert Schneewittchen – mit Elbseglern statt Zipfelmützen

Eigenproduktionen von nicht bekannten Geschichten für das Kindertheater hält Katja Cohrs für riskant. „Man lockt das Publikum eher mit bekannten Stücken“, sagt die Regisseurin der Harburger Theatergruppe „Kinder spielen für Kinder“. Das schließt aber nicht aus, dass die 28 Jahre alte Theatermacherin aus Marmstorf Mut zu eigenen Ideen zeigt und Klassisches neu interpretiert. In ihrer aktuellen Inszenierung des Märchenklassikers „Schneewittchen“ setzt Katja Cohrs den sieben Zwergen kurzerhand Seemannsmützen statt Zipfelmützen auf. Die Inszenierung des Grimmschen Märchens mit Hamburger Lokalkolorit hat am 24. November in der Seevetaler Ortschaft Hörsten Premiere.

„Ich mag Zipfelmützen nicht“, erklärt die junge Regisseurin kurz und knapp die Revolution auf den Zwergenköpfen. Sie verschweigt aber den Einfluss ihres Großvaters nicht, mit dem sie als Kind stets im Hamburger Hafen spazieren gegangen ist. So kommt es, dass Schneewittchens wackere Beschützer sogenannte Elbsegler tragen. So heißen die schlichten Seemannsmützen aus schwarzem oder dunkelblauem Marinetuch mit Zierkordel oder ledernem Sturmriemen am Mützensteg.

Den Versuch, Schneewittchen an die norddeutsche Küste zu verfrachten, unternehmen auch andere: Die Betreiber des Sonderlandesplatzes auf Fehmarn haben das populäre Märchen weiter gesponnen und verkünden auf ihrer Internet-Homepage, dass ein Kapitän Schneewittchen und ihre armen verfluchten Kinder zu ihrem Schutz auf die Ostseeinsel gebracht habe. Der verzweifelte Prinz soll an dem Fluch der bösen Stiefmutter zerbrochen sein und seiner Geliebten nach dem Leben getrachtet haben. Schneewittchen habe dann auf einer Insel namens „Warder“ gelebt.

So weit wie bei diesem Seemannsgarn vergreift sich Katja Cohrs nicht an dem Märchenklassiker. Sie vermittelt die traditionelle Geschichte und modernisiert einige Details, um Kinder von heute zu begeistern. So ist der berühmte Spiegel (“Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“) in ihrer Inszenierung keine bloße Requisite, sondern taucht in der Besetzungsliste auf. „Wir haben einen lebendigen Spiegel, der mitspielt“, sagt die Regisseurin.

Ausdruck künstlerischer Freiheit ist es auch, dass die böse schwarze Katze der Stiefmutter eine moralisch integere weiße Katze als Gegenspieler erhält. Und Choreografin Lilly Leuenberger lässt die Zwerge Songs zu Melodien der „Bluesbrothers“ singen. Mitreißende Tanzeinlagen sind ein Markenzeichen in der jüngeren Geschichte des Ensembles „Kinder spielen für Kinder“.

Weiteres Markenzeichen ist der Ehrgeiz zu ambitioniertem Kindertheater. Auffallend ist die aufwendige, farbenfrohe Kostümierung, für die sich Heidrun Döllefeld, Eltern und Großeltern ins Zeug legen. Der Aufwand der Maske ist nicht selbstverständlich für eine Kindertheaterproduktion: Den Kampf zwischen Gut und Böse unterstreicht Frauke Hoffmann visuell mit effektvollem Make-up und kunstvoll drapiertem Haar. Nicht nur das Publikum, auch die beiden Hauptdarstellerinnen haben ihre Freude daran.

Frauke Hoffmann hat bereits Sabine Christiansen zum Vamp gestylt

In der Maske arbeitet ein Profi: Frauke Hoffmann hat früher die Frisuren von Modells bei Fotoaufnahmen für Zeitschriften gestylt. Sie war auch an den kunstvollen Fotos beteiligt, als sich die damalige ARD-Nachrichtensprecherin Sabine Christiansen im Marlene-Dietrich-Look als Vamp inszenierten ließ. Im Jahr 1989 arbeitete sie am Thalia Theater in der Maske mit, als die prominente Bühne das Stück „Pariser Leben“ von Jacques Offenbach inszenierte. Heute engagiert sie sich bei der Harburger Theatergruppe, weil ihre eigenen Kinder mitspielen.

Das Ensemble „Kinder spielen für Kinder“ existiert seit 1978. Eigentlich hatte das Spielplatzheim Außenmühle, eine Kindertagesstätte, damals nur ein Kostümfest organisiert. Die Schauspielerin Johanna Buchholz entwickelte daraus ein Kindertheaterensemble. Hunderte Kinder haben seitdem dort das Theaterspiel für sich entdeckt. Sandra Keck, erfolgreiche Schauspielerin und Regisseurin am Ohnsorg-Theater, hat auch bei „Kinder spielen für Kinder“ angefangen.

Nach 35 Jahren Theatermachens funktioniert das Netzwerk der Theatergruppe bestens: Zur Belohnung dürfen die Kinder der Schneewittchen-Produktion ein Profi-Theater besuchen. Es geht – na, klar – zu Sandra Keck ins Ohnsorg-Theater.

Schneewittchen, Theatergruppe Kinder spielen für Kinder, Premiere: Sonntag, 24. November, 15.30 Uhr, Dörphus Hörsten, Kartenvorbestellung: 04105/81012. Weitere Vorstellungen: 8. und 11. Dezember, Rieckhof in Harburg.