Ärzte und Pflegepersonal der Helios Klinik Mariahilf in Harburg lernen, gemeinsam mit Notsituationen umzugehen

Harburg. Eine schwangere Frau liegt im Kreißsaal der Helios Klinik Mariahilf. Sie hat starke Schmerzen, sie schimpft, schreit und stöhnt. Die diensthabende Hebamme spricht beruhigend auf sie ein, misst währenddessen den Blutdruck und kontrolliert das CTG, das die Herztöne des Babys wiedergibt. Trotz einer Peridualanästhesie leidet die Frau fürchterlich. Die Werte sind besorgniserregend: Das Herz des Ungeborenen schlägt unregelmäßig, es bekommt nicht genug Sauerstoff. Eine Ärztin kommt hinzu und entscheidet, sofort Verstärkung anzufordern.

Ein Narkosearzt und eine Anästhesiepflegerin rennen in den Kreißsaal, lassen sich kurz in die Situation einweisen. Instruktionen werden erteilt, Medikamente gespritzt, um die Frau zu stabilisieren. Der Anästhesist hält ihr eine Maske vors Gesicht. Zeitgleich ist ein Gynäkologe eingetroffen. Der Frau geht es immer schlechter. Kalter Schweiß bricht ihr aus. Plötzlich wird sie ohnmächtig. Sofort intubiert der Anästhesist – das Team entscheidet sich für einen Notfallkaiserschnitt.

Eine Situation, die im Kreißsaal der Mariahilf Klinik durchaus vorkommt. Heute zum Glück nicht. Denn die Patientin ist eine Puppe, die Medikamente, die Technik und das Team sind echt. Die Mannschaft der Geburtshilfe im Krankenhaus nimmt teil an einem Simulationstraining. Veranstaltet wird es von zwölf Fachleuten vom medizinischen Beratungsunternehmen Simparteam aus München, das sich auf die Geburtshilfe spezialisert hat. Die Idee dazu stammt von den Notfallsimulations-Trainings in der Luftfahrt. Ziel der Übung ist, die Sicherheit von Mutter und Kind in Notfallsituationen unter der Geburt zu erhöhen.

Drei Tage lang haben die Hebammen, Ärzte und Pfleger den Enstfall geprobt. Es sind Situationen, die nicht gang und gäbe sind, aber in der Praxis immer wieder passieren und auf realen Fällen basieren. In der Simulation sollen die Beteiligten nicht auf ihr medizinisches Fachwissen überprüft werden, es geht um etwas anderes. Um die Zusammenarbeit von Hebammen, Ärzten und Pflegepersonal, um die Kommunikation untereinander. „Ohne Fachwissen geht es natürlich nicht. Aber das soll nicht einfach abgefragt werden. Mit dieser Übung arbeiten wir daran, wie wir in Stresssituationen die Ressourcen aller besser nutzen“, erläutert Dr. Markus Hermsteiner, Chefarzt der Entbindungsstation, die Übung.

Jeweils eine Gruppe stellt einen Vorfall im Kreißsaal und im Intensivzimmer für Neugeborene nach. Dabei werden die Teilnehmer in immer neuen Konstellationen einem Szenario ausgesetzt. „Das ist schon eine Herausforderung, denn man arbeitet adhoc mit Kollegen zusammen, mit denen man sonst nicht ständig zu tun hat“, berichtet Dr. Hermsteiner. Der Rest der Kollegen verfolgt in einem sparaten Raum das Geschehen auf der Leinwand.

Alle Beteiligten wissen, dass hier nur mit einer sehr lebensechten Puppe geübt wird, aber innerhalb kürzester Zeit ist dieser Umstand vergessen. Auch dass Kameras das Geschehen aufzeichnen, wird schnell zur Nebensache. Das Adrenalin pulsiert, Professionalität ist jetzt gefragt. „Hinterher ist man wirklich geschafft“, sagt Dr. Hermsteiner.

Wichtig bei dem Training ist die Nachbereitung. Nach überstandener Übung setzen sich alle Beteiligten zusammen und besprechen anhand der Aufzeichnungen das Geschehene. Dabei geht es um medizinische Fragen, welche Medikamente in welcher Situation das richtige sind, wie sich die Lage nach fünf Minuaten darstellt und welche Entscheidungen dann noch einmal überdacht werden können, ohne die Patientin und das Kind zu gefährden.

In der Geburtshilfe geht es immer um zwei Menschenleben

Ganz wichtig ist auch die Kommunikation untereinander. Denn die Geburtshilfe ist die einzige Fachrichtung in der Medizin, bei der es immer um zwei Menschenleben geht, in der zudem viele Disziplinen miteinander kooperieren und sich koordinieren müssen. Es geht also auch um eine noch erfolgreichere Teamarbeit. Schnell wird bei der Analyse klar, dass in chaotischen Situationen klare Instruktionen helfen. Und eine gute Organisation der Abläufe.

Das Simulationstraining ist ein Pilotprojekt der Helios-Kliniken, an dem sich drei Häuser beteiligen, die eine Entbindungsstation haben. Je nach Größe der Station und Anzahl der Geburten gibt es in den Häusern unterschiedliche Vorgehensweisen, wie gearbeitet wird.

Eine Übung, die für Dr. Hermsteiner Sinn macht: „Letztendlich wollen wir die Abläufe in allen Helios-Kliniken optimieren, die Kommunikation untereinander verbessern und uns besser organisieren, damit das Arbeiten im Team reibungsloser funktioniert.“