Die Elbhebammen in Harburg betreiben das einzige Geburtshaus im Hamburger Süden

Harburg . Nur eine Hofeinfahrt trennt das pulsierende Leben in der Neuen Straße an der Ecke zur Lämmertwiete von einer Oase der Ruhe und Geborgenheit. Hinter dem Torbogen öffnet sich ein kleiner Platz, Holzstühle stehen um einen Gartentisch, Spielzeug und eine Sandkiste warten auf kleine Besucher. Dort steht ein flacher, weißer Bau. Neben der Eingangstür parken mehrere Kinderwagen. „Elbhebammen“ steht auf einem Schild geschrieben. Hier befindet sich das einzige Geburtshaus im Hamburger Süden. Drinnen stehen vor einer großen Tür Schuhe, dahinter in dem großen hellen Raum ist Sockenpflicht. Matten liegen auf dem Boden, kuschelige Decken kann sich jeder nehmen. Gerade macht Hebamme Anna Zahn mit drei Frauen Babymassage. Felix, Tilda und Noah sind alle gerade mal drei Monate alt und wissen die angenehme halbe Stunde mit ihren Mamas auf der Matte sehr zu schätzen. Indirektes Licht und große Bilder mit goldenen Buddhas an der Wand schaffen eine angenehme, entspannte Atmosphäre

Viele Mütter wissen diese Atmosphäre zu schätzen.. Von der Geburtsvorbereitung, über die Massagekurse bis hin zu Beckenbodentraining oder Stillberatung kann sich jede Frau das Richtige aus dem Angebot heraussuchen. Sonja Wittleben, die Mutter von Tilda, hat in der Schwangerschaft bei den Elbhebammen Yoga gemacht und besucht außerdem einen Rückbildungskursus. Felix Mutter Jacqueline Hoyer macht ebenfalls zusätzlich Rückbildung. Sie schätzt die nette, herzliche Atmosphäre bei den Elbhebammen. Und ist ihnen unendlich dankbar. Kurz vor der Geburt saß sie eines Tages auf der Suche nach einer Hebamme weinend im Hof. „Wir haben dann die Tränen getrocknet, etwas umorganisiert und dann klappte das alles“, erzählt Elbhebamme Ricarda Sitan. Im kommenden Jahr wird das Angebot erweitert. Dann gibt es auch Kurse, in denen man lernt, wie man richtig Tragetücher bindet, perfekt wickelt oder wie man den Nachwuchs windelfrei bekommt. Ricarda Sitan will außerdem Frauen und Müttern in der Pflanzenheilkunde unterweisen, denn gegen Husten, Schnupfen, Bauchweh oder Schmerzen, wenn die Zähne kommen ist ein Kraut gewachsen. Ab dem kommenden Frühjahr soll es Heilkräuterwanderungen und mehr Yogakurse geben.

Im Büro nebenan sitzt Ricarda Sitan, die mit ihrer Kollegin Anna das Geburtshaus 2008 eröffnet hat. Davor arbeitete sie als Hebamme in der Asklepios Klinik in Harburg. Dann kündigte sie und wagte den Schritt in die Selbstständigkeit: „Ich finde den Weg der individuellen, ganzheitlichen Betreuung vom Beginn der Schwangerschaft bis nach der Geburt sinnvoller“, erläutert die 34-Jährige ihre Entscheidung.

Die Resonanz gibt ihr recht. Frauen aus dem gesamten Süden kommen zu ihr und ihren Kolleginnen, das Einzugsgebiet der Elbhebammen geht bis nach Geesthacht. Bisher machen sie die Arbeit zu Dritt, im kommenden Jahr stößt eine weitere Hebamme dazu. Eigentlich will Ricarda Sitan jetzt Büroarbeit erledigen, aber die kleine Paulina, die Tochter ihrer Kollegin Anna Zahn, ist heute da und macht die Pläne mit einem charmanten Lächeln und einem gezielten Griff in Mamas Handtasche zunichte. Mit ihren 13 Monaten kann Paulina schon laufen, was eigentlich ganz schön ist, das Aufpassen aber nicht leichter macht. „Dann arbeite ich eben später weiter“, entscheidet Ricarda und öffnet eine Brotdose, aus der sich Paulina großzügig bedient. Während die Kleine zufrieden mümmelt, erzählt die Hebamme von der vielen Arbeit, für die sie und ihre Kolleginnen viel zu wenig verdienen. „Die Gesamtleistung ist einfach zu schlecht vergütet“, sagt sie. Zwar bekommen die Elbhebammen für eine im Haus erfolgte Geburt pauschal 750 Euro, allerdings unabhängig, wie lange es dauert. Für die Nachsorge bezahlt die Kasse 30 Euro,. „Dafür fährt kein Klempner raus“, sagt Sitan. Am härtesten drückt die hohe Berufs-Haftpflichtversicherung, die rund 4500 Euro im Jahr kostet. Deshalb hat sich gerade ein Förderverein gegründet, der die Arbeit der Elbhebammen finanziell unterstützt.

Mütter fühlen sich gut aufgehoben bei den Elbhebammen: Zwei Hebammen sind bei der Geburt vor Ort, bei Komplikationen geht es sofort in die Klinik. „Wir haben so ein gutes Verhältnis zu den Bäuchen, da sagt uns die Erfahrung und Intuition, wann wir eingreifen müssen“, bestätigt Ricarda Sitan. Rund 60-mal haben sie und ihre Kolleginnen inzwischen Babys auf die Welt geholfen. So wie auch Paulina, die in der großen Badewanne im Geburtshaus das Licht der Welt erblickte.

Schwangeren empfiehlt Ricarda Sitan, frühzeitig vorbeizuschauen und sich anzumelden: „Einige machen sogar ihren Schwangerschaftstest bei uns“, sagt sie. Nach einem Kennlerngespräch haben die Frauen dann Zeit, sich auf die Geburt einzustellen. In den Vorbereitungskursen sitzen maximal acht Paare und proben schon mal den Ernstfall.

Trotz aller Widrigkeiten und schlechter Bezahlung möchte Ricarda Sitan ihren Beruf nicht missen: „Wir möchten den Frauen einen Schutzraum geben, in dem sie sich gut aufgehoben fühlen. Und für mich ist es immer noch das größte Geschenk, bei einer Geburt dabei sein zu dürfen.“