Altländer Este-Anrainer kritisieren Buxtehuder Hochwasserschutzpläne. Experten prognostizieren eine Jahrhundertflut

Es geht um unser Leben auf dem Deich, den Schutz unserer Häuser und Gärten vor Überflutung“, sagte Rainer Podbielski von der Interessengemeinschaft „IG Este“ vor rund 200 Zuhörern in der Esteburg in Moorende. Bei einer Infoveranstaltung, die der Gemeinderat Jork und Bürgermeister Gerd Hubert gemeinsam mit der IG-Este initiiert hatte, ging es um die Auswirkungen der Buxtehuder Hochwasserschutzplanungen für das Alte Land.

„Diese Planung gibt 170 Häuser auf dem Deich an der Untereste sofort der Überflutung preis“, sagte Podbielski und nannte sie „egoistisch“.

Obwohl die Flussanlieger sehr unterschiedliche Sorgen und Interessen in Sachen Hochwasserschutz diskutierten, eint sie inzwischen ein Ziel: Der Hochwasserschutz müsse in die Hände eines Unterhaltungsverbandes für den gesamten Flusslauf gegeben werden. Dem stimmten Flussanwohner aus den Jorker Estegemeinden, aus Cranz sowie Vertreter des Buxtehuder Aktionsbündnisses für ökologischen Hochwasserschutz als auch Vertreter der Verwaltungen, des Landkreises Stade sowie des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sowie des Deichverbands II. Meile Altes Land zu.

Wenig Konsens gab es hingegen bei den von Buxtehudes Stadtbaurat Michael Nyveld und Eckhard Dittmer von den Buxtehuder Stadtwerken vorgestellten Hochwasserschutzplänen für die Buxtehuder Innenstadt. Mit Minideichen und Spundwänden wollen Buxtehuder Stadtrat und Verwaltung verhindern, dass Teile der Innenstadt nicht mehr bebaut werden dürften, weil sie vom Land als Überschwemmungsgebiete deklariert würden. Die Kosten für die Innenstadt-Deiche veranschlagte Nyveld mit 6,14 Millionen Euro, die mit Küstenschutzmitteln finanziert werden könnten. Die von den Anliegern der Untereste favorisierte Rückhaltung im Oberlauf durch einen Querdamm im Estetal oberhalb der Bundesstraße 73 bezifferte Dittmer mit Kosten von 7,7 Millionen Euro. Dafür gäbe es maximal 70 Prozent Zuschüsse für Buxtehude. Denn dort käme das Geld nicht aus dem Topf für Küsten-, sondern für Hochwasserschutzmittel.

Eine einseitige und egoistische Planung sei das, kritisiert Podbielski von der IG Este, der seit der Gründung vor zwei Monaten bereits 360 Mitglieder beigetreten sind. Mit Zahlen und Fakten hält Podbielski den Buxtehudern vor, dass die Stadt selbst optimale Bedingungen für eine Rückhaltung der Wassermassen bei Starkregenfluten im Estetal habe. Stattdessen wolle Buxtehude die Fluten nur schnell durch die Stadt hindurchleiten und das Alte Land als Auffangbecken nutzen. „Und zwar mit unseren historischen Siedlungen, Gärten, Kellern und Häusern in Moorende, Estebrügge, Hove, Königreich, Leeswig, aber auch in Hamburg-Cranz mit vielen Wohneinheiten, Grundschule und Kindergarten.“ Das sei Weiterleiten des Hochwassers nach dem Motto „Nach uns die Sintflut“, sagte Podbielski.

Unterstützung bekam er nicht nur von den Anwohnern des Flusses sondern auch vom Buxtehuder Aktionsbündnis für nachhaltigen Hochwasserschutz. Gegen den vom Buxtehuder Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossenen innerstädtischen Hochwasserschutz hatte das Bündnis Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt, für das der Verwaltungsausschuss grünes Licht gegeben hatte. Bis zum 21. Februar 2014 hätten die Aktivisten vom Aktionsbündnis Zeit, die dafür nötigen 3191 Unterschriften zu sammeln.

„Gemeinsam haben wir es geschafft, 3.600 Unterschriften in 80 Tagen zu bekommen“, sagte Dennis Williamson, Sprecher des Bündnisses. Das einen Bürgerentscheid anstrebt, der den Ratsbeschluss zum Deichbau für zwei Jahre außer Kraft setzt. „Wir gehen davon aus, dass das Begehren am 11. Dezember im Verwaltungsausschuss in einen gültigen Bürgerentscheid münden kann. Und dass am 16. Dezember im Rat noch kein Planfeststellungsverfahren eingeleitet wird“, sagte Williamson.

Anders als die Buxtehuder Bündnis-Akteure sieht die IG Este die Buxtehuder Interessen als „absolut berechtigt“. Als Lösung, die allen Flussanrainern gerecht werde, fordert die IG Este einen Rückhaltedamm im oberen Estetal, der alle schützen würde.

Denn anders als im Oberlauf droht im schlimmsten Katastrophenfall den Altländern von zwei Seiten die Überflutung. Das wäre bei Starkregen und gleichzeitiger Sturmflut von der Elbe über drei Tiden zu fürchten. Denn dann müsste das Estesperrwerk in Cranz geschlossen bleiben und die Wassermassen aus dem Oberlauf würden sich nach Experten-Berechnungen in einer sogenannten Jahrhundertflut (HQ 100 genannt) mit 55 Kubikmetern pro Sekunde Richtung Altes Land ergießen.

Dank der Sperrwerke an der Estemündung habe man seit 1959 nicht nur einen Schutz vor Sturmfluten, sondern auch eine Pegelkontrolle in der Este, erklärt Podbielski die Situation der Altländer. „Das war ein Durchbruch im Hochwasserschutz, auch für die Buxtehuder“, sagt Podbielski. In der Folge konnte auch in den Häusern der Estedörfer Modernisierung einziehen: Toiletten und Bäder wurden gebaut, Elektrizität und moderne Heizungsanlagen konnten in die Keller verlegt werden. Entlang der Esteufer entstanden Lokale mit Kaffeegärten und allem, was die Schönheit des Alten Landes mit ausmacht. „Und nun werden wir vom NLWKN und von Buxtehude für deren Hochwasserschutzpläne als Polder wiederentdeckt“, so der IG-Este-Sprecher unter dem Applaus der Zuhörer. Bis zur einer Höhe von vier Metern über Normalnull würden die Vordeichgebiete in den Esteorten als Polder herangezogen, und damit auch die Gärten und Häuser.