Das Jugendpräventionsprojekt „Spielmacher“ mit dem früheren Bundesliga-Trainer Michael Lorkowski geht 2014 weiter

Harburg. Auf den ersten Blick wirkt alles wie ein x-beliebiges Fußballspiel in der Freizeit. Meist reife Erwachsene in roten Trikots kicken gegen Jugendliche in roten Trikots. Und auch der im Amateurfußball unverzichtbare Würstchengrill fehlt nicht. Wenn da der Mann mit der Piratenkopftuch an der Seitenlinie nicht wäre: Der frühere Bundesliga-Trainer Michael Lorkowski, 1992 DFB-Pokalsieger mit Hannover 96, coacht die Jungen in Rot. Mehr Ruhe im Spielaufbau, fordert er.

Tatsächlich handelt es sich bei der Begegnung am Freitagnachmittag auf dem Kunstrasenplatz an der Baererstraße in Harburg nicht um ein normales Fußballspiel. Zum Abschluss eines drei Monate langen Sozialtrainings für Jungen im Alter von 14 bis 18 Jahren spielen Jugendschützer, Polizisten, Lehrer und Jugendamtsmitarbeiter gegen Jugendliche, die bisher Schwierigkeiten hatten, gesellschaftliche Regeln zu akzeptieren. „Spielmacher“ heißt das ungewöhnliche Jugendprojekt des Bezirks Harburg und seines Partners In Via mit Michael Lorkowski als Lebenscoach.

Der Freizeit-Kick im Phoenix-Viertel ist viel mehr als ein Fußballspiel. Er weist dem Fußball eine neue, zusätzliche Rolle zu: „Spielmacher“ hat ihn als zentrales pädagogisches Mittel etabliert. Einige Schulleiter und Eltern reagierten zunächst skeptisch, die ausgerechnet als schwierig geltenden Jungen zumindest teilweise vom Unterricht zu befreien. Derlei Bedenken allerdings gelten mittlerweile als von der Wirklichkeit widerlegt.

„Der Fußball ist das Lockmittel“, sagt die Projektleiterin Monika Albers. Ein früherer Bundesliga-Trainer wie Michael Lorkowski kann dem Training jedes Mal eine neue Facette hinzufügen, dass niemand auch nur eine Minute versäumen mag.

Die Jugendlichen begreifen schnell, dass sie sich um diese Freude bringen, wenn sie undiszipliniert und egoistisch handeln. Sicher ist Lorkowski auch der Typ, der der richtige Ansprache findet.

Jeden Montag, Donnerstag und Freitag von August bis November starteten die 23 Jugendlichen ihren Spieltag mit einem gemeinsamen Mittagessen. Statt Unterricht in der Schule standen etwa 90 Minuten lange Seminare mit Polizisten, Pädagogen, Sportwissenschaftlern oder Mitarbeitern von Banken auf dem Stundenplan. Bankmitarbeiter machten den Jungen die Folgen von Schulden klar und welches Budget sie brauchen, um in einer eigenen Wohnung zu leben. Die Taktik für das Leben eben.

Nach der Kopfarbeit ging es raus auf den Fußballplatz. Bis 17 Uhr dauert ein „Spielmacher“-Tag. Die „Spielmacher“ bestritten auch Freundschaftsspiele gegen andere Mannschaften. Sie kickten gegen ein Team des „KiezKick“-Projektes des FC St. Pauli und nahmen am Turnier „Kicken gegen Rechts“ in Glinde teil.

Stolz ist Monika Albers auf ihre Jungen, als sie deeskalierend eingriffen, weil sich Mitspieler des gegnerischen Teams in die Haare bekamen. Diese Tugend hätten sie früher nicht gezeigt. Erfolge können ganz klein sein. Zum Beispiel, wenn als schwierig geltende junge Leute, die sich sonst um Unterrichtszeiten wenig scheren, zu „Spielmacher“ regelmäßig erscheinen. „Die kommen zu uns. Das klingt banal, ist aber für uns Pädagogen schon viel“, sagt Monika Albers.

Nur zwei bis drei der insgesamt 23 Teilnehmer seien nicht regelmäßig erschienen und hätten damit die Vereinbarung gebrochen. Für Monika Albers spricht das für den Erfolg des Projekts „Spielmacher“. Zählbares wie auf dem Fußballfeld gibt es nicht: „Man kann nicht immer messen, was so ein Projekt bei dem einzelnen auslöst“, sagt sie. Aber Lehrer haben bereits Rückmeldungen geben, dass die Teilnehmer an „Spielmacher“ sich stabiler und zuverlässiger zeigten.

Der Bezirk Harburg jedenfalls glaubt an den Erfolg von „Spielmacher“. Das Jugendamt wird die Taktikschule fürs Leben im Jahr 2014 in Zusammenarbeit mit dem Caritas Fachverein In Via fortsetzen. Auf etwa 46.000 Euro beläuft sich das Jahresbudget, um zwei insgesamt zwei Gruppen mit jeweils 20 Plätzen zu finanzieren. 40.000 gibt der Bezirk, die übrigen 6000 Euro sind Spenden des Vereins Nestwerk und der Harburger Fußball Altherrenauswahl Muskelschwund.

Am Ende gewinnen die Jungen das Fußballspiel mit 1:0 Toren. Eine Chance fürs Leben hatten sie schon vorher gewonnen.