Der auch als „Gewitterfurzer“ bekannte Fisch gefährdet – wie schon Tellerschnecke und Wachtelkönig – ein teures Bauprojekt. Es geht um eine Fläche direkt an der Autobahnanschlussstelle Harburg.

Hamburg. Der Misgurnus fossilis, besser bekannt als Europäischer Schlammpeitzger, ist ein besonderer Fisch. Zum einen, weil seine außergewöhnliche Atemtechnik ihm ermöglicht, in sauerstoffarmen Gewässern zu leben. Er kann Sauerstoff zur Unterstützung seiner Kiemen über seinen stark durchbluteten Darm aufnehmen. Die Restluft entweicht auf natürliche Weise. „Gewitterfurzer“ wird der pupsende Fisch deshalb im Volksmund genannt. Zum anderen ist dieser aalähnliche Fisch besonders, weil er die Ansiedlung eines Logistikparks gefährdet.

Es geht um eine Fläche direkt an der Autobahnanschlussstelle Harburg. Als „ideal“ für die Ansiedlung von Logistik stuft Henning Lindhorst von der Süderelbe AG, einem der wichtigsten Ansprechpartner für Investoren im südlichen Hamburg und der Metropolregion, die entsprechende Fläche ein.

„Eine bessere Lage lässt sich kaum finden“, sagt Lindhorst. Dass sich für das Areal Investoren melden, hält er für sicher. Davon ging man bislang auch im Stadtplanungsausschuss Harburg aus. Doch jetzt wurden die Mitglieder von der Existenz des seltenen Fisches überrascht. Ein eigens vom Bezirksamt beauftragter Gutachter hatte den Europäischen Schlammpeitzger gleich neben der Autobahn entdeckt. „Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens Neuland 23 wurden Untersuchungsbedarfe auch hinsichtlich von Tieren und Pflanzen definiert“, sagt Bettina Maack, Sprecherin des Bezirksamts Harburg.

„Kartierungen für die Tiergruppen der Vögel, Amphibien, Insekten wie Libellen oder Tagfalter und Säugetiere wie Fledermäuse sind insbesondere unter dem Aspekt der artenschutzrechtlichen Anforderungen durchgeführt worden. In diesem Zusammenhang wurde auch das Vorkommen des Schlammpeitzgers entdeckt, der in Gräben zu finden ist.“

Zwar wird das Tier, das von der Loire in Frankreich bis zur Wolga in Russland vorkommt, von der Internationalen Union für die Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen (IUCN), die auch die Rote Liste gefährdeter Arten führt, als „nicht gefährdet“ eingestuft. Das gilt allerdings nur für den Rest der Welt, aber nicht für Deutschland. Hierzulande ist der „pupsende Fisch“ in der Kategorie 2, in der die stark gefährdeten Arten stehen, aufgeführt. „Wir müssen jetzt sehen, wie man damit umgeht“, sagt Ralf-Dieter Fischer, Fraktionschef der CDU. Nicht nur er erinnert sich an den Wachtelkönig, der ebenfalls im Süden Hamburgs, genauer gesagt im Bereich Neugraben-Fischbek, in den 1990er-Jahren ein Bauvorhaben mit 3000 Wohneinheiten für rund 10.000 Menschen scheitern ließ. Der Wachtelkönig war weit über die Hansestadt hinaus zu einem Symbol für den Konflikt zwischen Naturschutz und den Interessen einer Metropole wie Hamburg geworden.

Heute ist der Wachtelkönig längst nicht mehr allein. Fledermäuse waren jüngst der Grund, warum der Bau der A20 bei Bad Segeberg gestoppt wurde. In Bergedorf verzögert die nur fünf Millimeter kleine Tellerschnecke, immerhin „Weichtier des Jahres 2011“, die Ansiedlung eines Logistikparks.

Die Tellerschnecke, die in Bergedorf in jedem zweiten Graben vorkommt, soll umgesiedelt werden, um das Bauprojekt zu retten. Das ist mit horrenden Kosten verbunden. Allein vorbereitende Maßnahmen kosteten schon mehr als 200.000 Euro. Rund 150.000 Euro werden für die eigentliche Umsiedlung veranschlagt. Bergedorf hat es damit in das Schwarzbuch des Bunds der Steuerzahler gebracht, das die Verschwendung von Steuergeld anprangert. Und immer ist noch unklar, wie es in Bergedorf nun genau weitergehen soll.

In Harburg könnte es, sollte auch der „pupsende Fisch“ umgesiedelt werden müssen, noch teurer werden. Denn für das Areal gab es bislang keine Ausgleichsflächen. Der Investor einer geplanten Driving Range für Golfspieler an gleicher Stelle hatte wegen der anstehenden Ausgleichszahlungen einen Rückzieher gemacht.

Jürgen Heimath, Fraktionschef der mit absoluter Mehrheit im Rathaus Harburg regierenden SPD-Fraktion, glaubt dennoch an den Logistik-Standort: „Ich gehe nicht davon aus, dass der Fisch die Ansiedlung verhindert.“