Die SPD-Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler über Familie, Flüchtlinge und den Blick auf Gregor Gysis Schreibtisch

Harburg/Winsen. Sie ist bei der Wahl am 22. September über Listenplatz acht der niedersächsischen SPD in den Bundestag eingezogen: Svenja Stadler, 37, PR-Beraterin aus Glüsingen, verheiratet und Mutter zweier Kinder. In ihrem ersten Interview nach der Wahl spricht Stadler bei einem Besuch der Regionalredaktion Harburg des Hamburger Abendblatts über die Koalitionsverhandlungen, die Gleichstellung und darüber, was ihre Kinder zu ihrem neuen Job in Berlin sagen.

Hamburger Abendblatt:

Frau Stadler, der 24. September, der Tag der ersten SPD-Fraktionssitzung im neuen Bundestag, war für Sie ein großer Tag. Wie war Ihr Start in Berlin?

Svenja Stadler:

Aufregend. Zunächst bin ich mir fast wie ein kleines Kind vorgekommen. Schließlich kannte ich zunächst die Wege zwischen den einzelnen Häusern, dem Bundestag und der Kantine nicht. Das hat sich gelegt. Aber wie groß die Verantwortung ist, die man übernimmt, versteht man erst nach und nach. Jetzt muss ich lernen, wie ich als kleines Rädchen in einem Riesenrad meine Themen vorbringen kann. Dabei bin ich nicht glücklich, dass es noch nicht losgeht. Immerhin: Eine kleine Wohnung, die fußläufig vom Bundestag zu erreichen ist, habe ich schon. Derzeit verbringe ich pro Woche eine Nacht in der Hauptstadt.

Was sagt die Familie dazu?

Stadler:

Wenn ich unterwegs bin, übernimmt mein Mann den Haushalt. Er kann als Software-Entwickler von zu Hause aus arbeiten. Zum Glück gibt es Video-Telefonie. Da kann ich meinen beiden Kindern jeden Abend Gute Nacht sagen. Für meinen kleinen Sohn ist „Mama dann in Lin“.

Sind die neuen SPD-Abgeordneten in die Koalitionsverhandlungen eingebunden?

Stadler:

Wir werden informiert. Trotz der Unterbrechung in den Arbeitsgruppen bin ich zuversichtlich, dass wir zu einem Abschluss kommen. Allerdings hat es mich schon irritiert, dass Kanzlerin Merkel gleichgeschlechtlichen Partnerschaften abgesprochen hat, gut für das Kinderwohl sorgen zu können. So etwas kann ich nicht nachvollziehen, zumal auch in Ehen von Mann und Frau Dinge mit Kindern passieren, die man sich kaum vorstellen kann.

Kann die Große Koalition scheitern?

Stadler:

Wenn überhaupt, dann am Thema Mindestlohn oder eben an der Gleichstellung, von denen die SPD nicht abrücken wird. Ich war nicht glücklich mit der Großen Koalition, wie sie war. Aber die SPD geht jetzt stärker und erwachsener in die Verhandlungen. Für uns läuft es gut. Möglich, dass wir beim Bundesparteitag in Leipzig schon einen groben Entwurf des Koalitionsvertrages sehen werden. Die Entscheidung der Mitglieder wird aber erst am 15. Dezember vorliegen.

Nach vier Jahren ist mit Ihnen wieder eine SPD-Frau aus dem Kreis im Bundestag. Was machen Sie anders als die CDU?

Stadler:

Ich bin präsent, bürgernah und werde meine Von-Tür-zu-Tür-Besuche fortsetzen. Damit löse ich meine Wahlkampfversprechen ein. Ich war jetzt bei einem 95-Jährigen, dem ich versprochen habe, zu ihm zu kommen. Er wollte einmal einen Politiker aus dem Bundestag kennenlernen. Mitte Dezember steht ein Besuch bei einer Dame an, die sich über zu wenig Geld für ihre Gesundheit beklagt hatte. Ich werde mir jetzt, da ich mitbestimmen kann, ihre Probleme detailliert anhören.

Stimmen Sie sich mit den Bundestagskollegen aus Ihrer Partei über die Politik für die Metropolregion Hamburg ab? Wenn ja, bei welchen Themen?

Stadler:

Ja, sicher, ich habe zum Beispiel mit Metin Hakverdi, dem SPD-Abgeordneten für Harburg, Wilhelmsburg und Bergedorf, engen Kontakt. Auch Matthias Bartke, den SPD-Vertreter aus Altona, treffe ich regelmäßig im Zug nach Berlin. Was die Themen angeht, spielt die Fertigstellung der Autobahn 26 eine große Rolle. Beim Fracking, das ich klar ablehne, kommen noch die Vertreter aus Celle und Lüneburg hinzu. Wir hatten ja gehofft, dass wir in Berlin alle in einem Trakt ein Büro bekommen, um uns besser absprechen zu können. Aber das hat nicht geklappt. Stattdessen kann ich von meinem Fenster aus bei Gregor Gysi auf den Schreibtisch gucken, das ist nicht schlecht.

Was ist mit den Kollegen aus anderen Parteien, gibt es da auch Absprachen?

Stadler:

Bei der CDU beschränkt sich der Kontakt auf Michael Grosse-Brömer. Sein Büro in Winsen ist gleich in der Nähe meines zukünftigen Büros in der Marktstraße 34, das wir am 2. Dezember eröffnen. Zu Grosse-Brömer ist mir der Kontakt sehr wichtig, da wir uns gemeinsam für den Landkreis Harburg einsetzen wollen.

Kommen wir auf das Thema Flüchtlinge. Sind die Landkreise überfordert, müsste es mehr Mittel vom Bund geben?

Stadler:

Der Bund könnte tatsächlich mehr Geld geben, als er es derzeit tut. Der Landkreis Harburg bietet etwa mit den Sprachkursen viel mehr an, als er müsste, und auch die Bürger sind ehrenamtlich sehr engagiert. Da müsste es mehr Unterstützung vom Bund geben. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass man die Flüchtlinge nicht allein lässt, sondern auf sie zugeht.

Was möchten Sie zudem in Berlin für den Landkreis Harburg erreichen?

Stadler:

Das hängt von den Ausschüssen ab, in die ich komme. Vermutlich werden es der Verbraucherschutz- oder der Familienausschuss – oder auch beide – werden. Eigentlich wollte ich in den Ausschuss Arbeit und Soziales, aber da wollen alle rein. Zudem liegt mir der Kampf gegen die Rastanlage Elbmarsch am Herzen. Dafür werde ich Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ansprechen, und wenn es im Fahrstuhl ist.

Wäre es bei Themen wie Rastanlage, Fracking oder Autobahn 26 nicht sinnvoller für den Landkreis, wenn Sie im Verkehrs- oder Umweltausschuss wären?

Stadler:

Das wäre es in der Tat. Aber leider sind diese Ausschüsse schon von erfahreneren Vertretern der niedersächsischen SPD-Landesgruppe besetzt.

Wo ist Ihre nächste Veranstaltung im Landkreis geplant?

Stadler:

In Buchholz am Volkstrauertag. Dort werde ich auf dem Alten Friedhof für den Volksbund der Kriegsgräberfürsorge meine erste offizielle, öffentliche Rede als Abgeordnete halten.