Die Spielmobile sollen jetzt in Harburg verstärkt auch zur Betreuung von Flüchtlingskindern eingesetzt werden

Harburg. Als der blaue Fiat Ducato mit der bunten Bemalung das erste Mal auf das Gelände der Flüchtlingsunterkunft in Lewenwerder rollt, ist er sofort von 40 Mädchen und Jungen umringt. So ein Gefährt dürften die wenigsten von ihnen jemals zuvor gesehen haben. Sie kommen aus Syrien, Tschetschenien und Afghanistan. Alles Länder, in denen eher Militärfahrzeuge im Gedächtnis der Kinder bleiben.

So überrascht die Mitarbeiter des Vereins zur Förderung der Jugendarbeit der fast euphorische Empfang im Neuländer Containerdorf nicht. Immerhin folgen sie letztlich einem Hilferuf der Verantwortlichen des stadteigenen Dienstleistungsunternehmens fördern & wohnen (f & w), die einen dringenden Bedarf an Spielangeboten für die zahlreichen Kinder ihrer Anlage ausgemacht haben.

„Natürlich wollen Kinder spielen“, sagt Thomas Hartmann, studierter Kulturwissenschaftler und Sozialmanager, den alle nur Tom nennen. Normalerweise würden Kinder im Spiel sich selbst erkunden, eigene Grenzen ausloten und dabei soziale Kompetenzen erlernen. „Flüchtlingskinder, die lange nicht in strukturierten Verhältnissen lebten, wollen vor allem vergessen und sich eine andere, friedliche Welt erschließen.“

Das geht nicht immer reibungslos vonstatten. Schon gar nicht, wenn die erzwungene Gemeinschaft so inhomogen ist wie im Lager Lewenwerder. Viele Kinder seien durch Bürgerkrieg und Flucht traumatisiert, weiß Hartmann. Sich permanent behaupten zu müssen habe den Alltag allzu lange bestimmt: „Deshalb wird oft mit den Ellenbogen gearbeitet, auch mal getreten und geschubst.“

Übers gemeinsame Spiel Aggressionen und Barrieren zwischen den Kulturen abzubauen ist deshalb eine wichtige Aufgabe des Falkenflitzer-Teams. Dabei helfen vor allem Bewegungsspiele wie „Fischernetz“ und „Affentick“ oder Sprachförderspiele wie „Hexe, Hexe, was kochst du heut’?“ und das Ratespiel, bei dem Tiere pantomimisch dargestellt werden müssen.

800 verschiedene Spiele können Hartmann und seine Crew anbieten, zu der aktuell auch zwei junge Damen gehören, die bei den Falkenflitzern gerade ihr Freiwilliges Soziales Jahr Kultur absolvieren. „Zweimal pro Woche dürfen wir mit raus“, verrät Marie Langes. Bei aller Vorplanung müsse schließlich fast immer auch etwas improvisiert werden, wenn das vorbereitete Programm bei den Kindern mal nicht so ankomme. „Aber gerade das Unvorhergesehene macht die Einsätze erst richtig spannend“, sagt die 20-Jährige.

Mit Besuchen in Flüchtlingsunterkünften ist der Verein zur Förderung der Jugendarbeit vor 20 Jahren auch gestartet. Die ersten Spielaktionen wurden 1993 für Kinder im Bergedorfer Flüchtlingslager am Curslacker Neuen Deich angeboten. Das Beispiel machte Schule und wurde später auf die Sozialarbeit in Quartieren mit einem hohen Migrantenanteil ausgeweitet. Heute fahren die Falkenflitzer regelmäßig auch den Hastedtplatz in Harburg, den Hans-Dewitz-Ring in Heimfeld, den Buchholzer Weg in Rönneburg und den Petershof in Fischbek an. Und sie können für Schul- und Stadtfeste, aber auch für Firmen- und Vereinsfeste gebucht werden.

„2008 haben wir den Fiat Ducato vom Harburger Turnerbund übernommen, den der Verein bis dahin für mobile Sportangebote an Schulen genutzt hatte“, erinnert sich Tom Hartmann. Zuletzt war der betagte Italiener, Baujahr 1997, der früher einem Schlachter als Marktmobil diente, aber zur finanziellen Belastung geworden. Während einer Inspektion hatte eine Fachwerkstatt bei einem TÜV-Vorabcheck diverse Mängel festgestellt, von der Bremsanlage über die Achsen bis zu den Radlagern. Veritable 3371,29 Euro kosteten die notwendigen Reparaturen, die letztlich aus Jugendhilfemitteln des Bezirks beglichen wurden.

Seit 2012 gibt es zudem einen zweiten, weit moderneren Falkenflitzer mit einer Iveco-Zugmaschine. Auch er ist mit diversem Bastelmaterial, Gesellschaftsspielen, aber auch Bällen, Kreide und Seilen ausgestattet. Neben Lewenwerder soll damit auch die Flüchtlingsunterkunft am Billstedter Mattkamp angefahren werden. Gerade hat der Harburger Jugendhilfeausschuss erneut 26.000 Euro für das Projekt Falkenflitzer bewilligt. Da die Sozialbehörde nach der Einrichtung der geplanten Erstaufnahme in der alten Post aber weiteren Betreuungsbedarf sieht, hoffen die hiesigen Lokalpolitiker, dass sie sich auch in noch viel stärkerem Maße an der Finanzierung der Falkenflitzer beteiligt.

Inzwischen plant der Verein, der seinen Sitz in Wilhelmsburg hat, die Anschaffung eines Kleinbusses mit mindestens neun Sitzplätzen. „Denn es wäre wichtig, die Flüchtlingskinder auch mal aus den Lagern rauszuholen“, sagt Thomas Hartmanns Mitstreiterin Nicole Stemmer. Dafür will die Falkenflitzer-Crew die Budnianer Hilfe, die Homann-Stiftung, die Aktion Mensch und das Spendenparlament mit ins Boot holen. 53.000 Euro würde der ambitionierte Plan kosten. Nicole Stemmer: „Deshalb sind auch weitere Unterstützer des Projekts jederzeit willkommen.“