Auf dem jüdischen Friedhof auf dem Schwarzenberg brannte in der Reichspogromnacht 1938 die jüdische Leichenhalle

Harburg. Die Nacht vom 8. auf den 9. November 1938 ist in die deutschen Geschichtsbücher als Reichspogromnacht eingegangen. Es war die Nacht, in der Tausende jüdische Geschäfte in Nazi-Deutschland geplündert, Synagogen angezündet, viele Tausend Menschen vom deutschen Mob zu Tode geprügelt wurden. Es war die Nacht, in der Deutsche stillschweigend dabei zusahen, wie ihre jüdischen Nachbarn und Freunde auf der Straße drangsaliert, geprügelt und erschlagen wurden. Es war die Nacht, in der Deutschland die Kehrtwende von der Zivilisation in die unvorstellbare und schamlose Barbarei vollzogen hat.

Am Sonnabendvormittag, 9. November 2013, genau 75 Jahre später, gedenken einige Harburger auf dem jüdischen Friedhof auf dem Schwarzenberg in Harburg der Opfer dieser Reichspogromnacht, der Opfer in Harburg, der Opfer der Diktatur von Adolf Hitler und seinen Schergen.

Der Himmel ist bewölkt, es weht ein starker Wind. Auf dem Schwarzenberg stehen eine Handvoll Menschen. Sie wollen an diesem Tag auf dem Schwarzenberg auch ein Zeichen dafür setzen, dass ein solcher Völkermord nie wieder passieren darf. Carolyn Decke, Pröbstin des Kirchenkreises Hamburg-Ost findet klare Worte: „Wir schämen uns, dass auch in den Kirchen damals mehrheitlich Schweigen herrschte, weggeschaut wurde oder es gar heimliche Zustimmung gab. Kirchenmitglieder handelten gegen Gottes klare Weisungen“, sagt Decke. Die Pröbstin war auf Einladung der Initiative Gedenken in Harburg auf den Schwarzenberg gekommen. Die Mitglieder der Initiative organisieren auch in diesem Jahr wieder die Harburger Gedenktage.

Aus der eigenen Schuld heraus, so Decke, „treten wir für ein aktives Erinnern ein“. Auch Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD) ist an diesem stürmischen Sonnabendmorgen auf den Schwarzenberg gekommen, wo am Abend des 10. November 1938 die Leichenhalle des jüdischen Friedhofs von braunen Gesinnungsgenossen in Brand gesetzt worden war, und die Feuerwehrleute von der schaulustigen Menschenmenge bei ihren Löscharbeiten gestört wurde. Und auch Völsch findet deutliche Worte gegen das Vergessen in Harburg. „Wer heute andere Menschen ausgrenzt und beschimpft oder sogar Gewalt anwendet, der hat tatsächlich nichts aus dem gelernt, was am 9. November 1938 auch in Harburg passiert ist“, sagt der Bezirksamtsleiter und macht deutlich, dass die heutige Generation zwar nicht verantwortlich für die Nazi-Verbrechen von damals, aber sehr wohl verantwortlich dafür sei, dass so etwas nie wieder passiere.

Unter Polizeigeleit gingen die Teilnehmer der Gedenkfeier anschließend in die Knoopstraße zum Synagogen-Mahnmal und legten einen Kranz nieder. Auch in Neugraben hatte der SPD-Distrikt eine Gedenkfeier für die Nazi-Opfer organisiert.

Zum Abschluss der Harburger Gedenktage wird am Dienstag, 12. November, der Zeitzeuge Helmut Wolff um 19 Uhr im Harburger Rathaus von seinen Kindheitserlebnissen aus der Nazi-Zeit in Harburg in einer öffentlichen Veranstaltung sprechen. Wolff, dessen Eltern und Großeltern sich am Vorabend ihrer Deportation nach Theresienstadt das Leben genommen hatten, überlebte den Holocaust als jüdisches Kind in Harburg bei Klara Lasa, die ihn bei sich aufgenommen hatte. Wolff beginnt seinen Zeitzeugenbericht im Sitzungssaal des Rathauses um 19 Uhr.