Chemiekonzern weiht hocheffizientes und umweltschonendes Gaskraftwerk zur unabhängigen Energieversorgung ein

Stade-Bützfleth. Dynamisches Rauschen beim Anlaufen der Gasturbinen. Mit einem gemeinsamen symbolischen Knopfdruck haben Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne), Stades Bürgermeisterin Silvia Nieber (SPD), Dow-Europa-Produktionschef Peter Holiecki, Dow-Deutschland-Präsident Ralf Brinkmann und Stades Werkleiter Dieter Schnepel das hochmoderne Gaskraftwerk des Chemieunternehmens gestartet. Die rund 300 Millionen Euro teure Anlage hat eine Leistungskapazität von 300 Megawatt und erfüllt mit ihrem Wirkungsgrad von 85 Prozent nach dem Prinzip der Kraft-Wärmekopplung höchste Anforderungen an umweltfreundliche Stromerzeugung.

Das sogenannte „integrierte Energiekonzept“ der Dow lobte Umweltminister Wenzel: „Wenn alle Kraftwerke im Land einen solchen Wirkungsgrad erreichten, wären wir erheblich weiter beim Klimaschutz“, sagte Wenzel. Und er versicherte vor rund 110 Gästen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft, dass die niedersächsische Landesregierung zum Wirtschaftsstandort Stade stehe. „Beachtlich“ nannte Wenzel den Wirkungsgrad von 85 Prozent vor dem Hintergrund, dass die rot-grüne Regierung in Hannover die Genehmigungs-Vorgaben für den Bau neuer Kraftwerke an einen Wirkungsgrad von mindestens 55 Prozent binde.

Das neue Gaskraftwerk in Stade-Bützfleth ist der erste Baustein des integrierten Energiekonzepts der Dow und deckt den Energiebedarf des Unternehmens von etwa 600 Megawatt zur Hälfte. Dow will deshalb künftig mit einem Großkraftwerk, das mit Gas, Wasserstoff, Biomasse und Kohle betrieben werden soll, unabhängig die eigene Stromversorgung sichern. Dabei soll der Wirkungsgrad bei mindestens 60 Prozent liegen. Die aus drei Gasturbinen bestehende Anlage erzeugt eine Leistung von 300 Megawatt für den werksinternen Prozessdampf und 163 Megawatt bei der Stromerzeugung. Damit könnten vergleichsweise rund 40.000 Haushalte ein Jahr lang komplett mit Strom versorgt werden.

Das Dow-Energiekonzept biete langfristig Planungssicherheit sowohl in der Wirtschaft als auch bei der Stromversorgung, so Wenzel. Vielversprechend seien auch die Planungen der Dow, Windstrom in Wasserstoff zu wandeln, der in den Dow-Salzkavernen bei Harsefeld in Ohrensen gelagert und mittels Elektrolyseverfahren in Strom rückverwandelt werden könnte. An diesem Pilotprojekt, überschüssig erzeugten Windstrom zu speichern, arbeiten derzeit die Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg.

Der Ausstoß von Stickoxid wird um 70 Prozent verringert

Da die Dow nach der Bahn AG der größte industrielle Stromverbraucher in Deutschland ist, will sich das Unternehmen mit dem geplanten Großkraftwerk unabhängig selbst mit Energie versorgen.

Stades Bürgermeisterin Nieber sagte den Unternehmensvertretern für ihr integriertes Energiekonzept die Unterstützung der Hansestadt zu. Demnach könne ein entsprechender Bebauungsplan dafür im Sommer 2014 als Satzung beschlossen werden. „Die Dow ist seit 40 Jahren vertrauenswürdiger Partner der Hansestadt und ihrer Bürger“, sagte Nieber. Mit Blick auf den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Region und eine wettbewerbsfähige Stromversorgung stehe das Kraftwerk in Stade am „rechten Platz“, so die Bürgermeisterin.

Der Stader Dow-Chef Dieter Schnepel hob im Vergleich mit der alten Dow-Kraftwerksanlage aus den 70er-Jahren den Umweltaspekt des neuen Gaskraftwerks mit Zahlen hervor: Um 70 Prozent würden der Ausstoß von Stickoxid veringert und auch die CO2-Emissionen erheblich reduziert.

„Die Energie der Zukunft braucht eine leistungsfähige Industrie und eine wettbewerbsfähige Energieversorgung“, sagte Dow-Deutschland-Präsident Ralf Brinkmann und verwies auf die wichtigen Erzeugnisse des Stader Unternehmens zur Energiewende. Etwa die Eboxidharze der Dow, die eine tragende Rolle in der CFK-Forschung und Nutzung haben. Die Carbonfaserkunststoffe kommen bei Offshore-Windkraftanlagen ebenso zum Einsatz wie bei „nachhaltiger Mobilität“, etwa im Fahrzeug- oder Flugzeugbau. Allein für ein Rotorblatt einer Windkraftanlage sind etwa sechs Tonnen Eboxidharz nötig, so Brinkmann. Er verdeutlichte auch, dass die „Energiekosten die Achillesferse“ der Unternehmen seien. „Dow-Kompetenz ist nur möglich, solange wir preislich mithalten können“, sagte Brinkmann. Gerade bei Eboxidharzen gebe es mit China großen Preiskampf. Werde die deutsche Chemiebranche von Kosten der EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) oder von in Brüssel diskutierten Nachforderungen voller Umlagen für mehrere Jahre getroffen, wäre das fatal. „Kein Unternehmen wird in die EEG-Umlage investieren.“ Wie Minister Wenzel sah auch Brinkmann ein Abwandern der Chemieproduktion, etwa nach China, für das Weltklima nicht als Vorteil. Das Beste für die Umwelt sei, in Deutschland neue Konzepte für Kraftwerke und Wasserstoffspeicher zu realisieren. Brinkmann: „Wir rufen nicht nach Subventionen, sondern wir bieten tragkräftige Lösungen.“