Finanzämter der Region erhalten deutlich mehr Fahnder. Zahl der Selbstanzeigen hat sich bereits drastisch erhöht

Lüneburg. Bis die Steuerfahnder morgens um 6 Uhr an der Tür klingeln, muss zwar viel passieren. Wenn es nach dem Niedersächsischen Finanzministerium geht, könnte das in den nächsten Jahren aber durchaus häufiger der Fall sein als bislang. Insgesamt 100 neue Stellen schafft das Ministerium in den nächsten fünf Jahren im Außendienst der Finanzämter. Ziel ist neben den Mehreinnahmen die Abschreckung.

„Es geht auch um Prävention", sagte Niedersachsens neuer Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) bei seinem Besuch des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen am Mittwoch in Lüneburg. „Der potenzielle Hinterzieher soll sich nicht mehr trauen.“ Besonders ärgert den ehemaligen Vorstand der Salzgitter AG, wenn jemand in Niedersachsen erst an einer öffentlichen Universität studiert und dann Steuern hinterzieht: „Wir wollen Steuergerechtigkeit sicherstellen. Es darf keiner durch die Maschen schlüpfen und sich der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben entziehen.“

Die Lüneburger Fahnder arbeiten im gesamten ehemaligen Regierungsbezirk Lüneburg, also bis Cuxhaven und Stade, Soltau und Rotenburg, Verden und Zeven. „Wir gehen jeder Anzeige nach“, sagte Stefan Garz, Leiter der Steuerfahndung. Auch aus eigenem Antrieb werde ermittelt, in aller Regel aber legen die Beamten des Sonderfinanzamts los, wenn Dritte Hinweise geben – sei es schriftlich oder am Bereitschaftstelefon, das montags bis freitags mit zwei Leuten zu den üblichen Bürozeiten besetzt ist.

Die Hinweise kommen von genervten Nachbarn, verlassenen Ex-Ehepartnern oder enttäuschten Mitarbeitern, aber auch von anderen Behörden, dem Zoll und der Staatsanwaltschaft. „Die qualitativ besten Hinweise sind die von den Betriebsprüfern in den Finanzämtern“, sagte Garz.

Denn eine Steuererklärung landet niemals direkt bei einem Fahnder. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzämter – zum Beispiel in Lüneburg, Buchholz, Stade und Winsen – prüfen die Unterlagen auf Schlüssigkeit, und nur wenn ihnen etwas auffällt wie etwa fingierte Rechnungen, leiten sie die Akte weiter an die Kollegen in Lüneburg.

Seit die Länder sogenannte Steuer-CDs ankaufen und das Thema in den Medien präsent ist, hat sich die Zahl der Selbstanzeigen verdoppelt: Etwa 300 waren es im alten Regierungsbezirk Lüneburg bisher jährlich, in diesem Jahr haben die Fahnder bereits mehr als 500 verzeichnet.

Etwa 3000 Eingänge zählt die Abteilung für Bußgeld und Strafverfahren pro Jahr, rund 1400 Strafverfahren werden daraus. „Insgesamt 43 Jahre Freiheitsstrafe im Jahr 2012 und fast 30 Jahre in diesem Jahr haben wir erwirkt“, sagte Carmen Pina-Mertens, Leiterin der Abteilung. Pro Prüfer gehen die Lüneburger von 500.000 Euro Steuermehreinnahmen aus.

Besonders wichtig ist den Fahndern ihre Unauffälligkeit – Hintergrund ist das sehr strenge Steuergeheimnis in Deutschland. „Wir machen täglich Durchsuchungen, und keiner kriegt es mit“, sagte Stefan Garz. „Darauf sind wir stolz. Es darf schließlich keine Vorverurteilungen geben. Das Steuergeheimnis schützt auch den Täter.“ Wer dagegen verstößt, erfüllt einen Straftatbestand.

Wer Steuerfahnder wird, hat bereits viele Jahre Arbeit im Finanzamt hinter sich: eine dreijährige Ausbildung, mehrere Jahre Innendienst, die Ausbildung zum Betriebsprüfer und mehrere Jahre Außendienst. „Wir können nur erfahrene Kollegen beschäftigen, die belastbar und konfliktfähig sind“, sagte Amtsvorsteher Harald Schole. „Außerdem müssen sie ein detektivisches und kriminalistisches Gespür haben.“

Die Steuerfahnder sind mit Polizisten gleichzusetzen, haben auch polizeiliche Befugnisse. Wer in der Abteilung Bußgeld und Strafsachen arbeitet, ist so etwas wie ein Staatsanwalt und bewertet das Ganze rechtlich. Einen Strafbefehl dürfen die Finanzbeamten allerdings nur in Zusammenarbeit mit einem Richter des Amtsgerichts erlassen – und auch nur für maximal ein Jahr auf Bewährung. Der Rest läuft über die echte Staatsanwaltschaft.

Die für diesen Job passenden Menschen zu finden, ist nicht immer leicht – schließlich werden sie bei ihrer Arbeit nirgendwo mit offenen Armen empfangen. Da in fünf bis sieben Jahren die erste Welle älterer Mitarbeiter in Pension gehen wird, ist Schole froh, dass das Ministerium schon jetzt mit der Ausbildung zusätzlicher Finanzanwärter anfängt. „Es werden jetzt die Weichen für die Zeit in zehn Jahren gestellt."

Klingelt die Steuerfahndung an der Tür, tragen die Beamten heute keine Computer mehr aus dem Gebäude, sondern sichern alle Daten vor Ort. Ziel: die Firmen arbeitsfähig zu halten. Oder, wie IT-Fahnder Erich Bierwirth sagte: „Die Steuern, die hinterzogen wurden, sollen ja auch bezahlt werden."