Hamburg will den Schulstandort am Sinstorfer Weg aufgeben. Harburger Bezirkspolitiker äußern sich kritisch

Sinstorf. Ein Hektar Sinstorf, 10.000 Quadratmeter mögliches Bauland. Bei den üblichen Hamburger Handtuchgrundstücken würde das für 20 Einfamilienhäuser plus Infrastruktur reichen – oder für zehn Mehrfamilienhäuser mit mehr als 100 Wohnungen im Grünen. Man sollte meinen, die Politik sei begeistert. Sie ist jedoch skeptisch bis aufgebracht, denn der Hektar Sahneland ist momentan noch ein Schulgelände: Die unteren Jahrgänge der Lessing-Stadtteilschule büffeln hier – noch. Das soll sich ab 2016 ändern.

„Wir brauchen in diesem Quartier ein umfassendes Schulangebot“, warnt Rainer Bliefernicht. Der CDU-Bezirksabgeordnete wohnt in Marmstorf, nur etwa 500 Meter Luftlinie von der betroffenen Schule entfernt.

Wenn der Neubau der Lessing-Stadtteilschule am Hanhoopsfeld zum Schuljahr 2016/17 fertig gestellt ist, will sie dort mit allen Jahrgängen einziehen. Die bisherigen Standorte am Sinstorfer Weg und Am Soldatenfriedhof räumt die Stadtteilschule dann. Während das gründerzeitliche Gebäude am Soldatenfriedhof weiter genutz werden soll, plant die Schulbehörde, das Gelände am Sinstorfer Weg aufzugeben. Damit übernimmt die Finanzbehörde das Grundstück. Nach dem jetzigen Stand Hamburger Politik werden frei gewordene Schulen dann für den Wohnungsbau auf den Markt gegeben.

Vieles davon ist den Harburger Bezirkspolitikern bekannt. Dennoch überrascht sie diese Entwicklung. Kein Wunder: Der erst 2012 aufgestellte Schulentwicklungsplan sah in der Schule am Sinstorfer Weg für die Zukunft eine Zweigstelle der Grundschule Marmstorf vor. Auch das warf schon Fragen auf, denn derzeit unterrichtet die Stadtteilschule hier mehr als doppelt so viele Kinder, als für die Dependance geplant waren. Ein Großteil der Gebäude wäre nicht mehr genutzt worden. Unklar war auch, wie die Marmstorfer ihren Zweigstellenbetrieb hätten organisieren wollen: Sollten die Lehrer pendeln oder die Zweigstelle eigenständig geführt werden? Fragen, die Schulleiterin Birgitta Lindhorst ebensowenig beantworten wollte, wie die, ob sie die Räume in Sinstorf überhaupt brauchte.

An ihrer Stelle antwortete – mit einiger Zeitverzögerung – die Pressestelle der Schulbehörde. Fazit: Durch die Nachmittagsbetreuung und eine große Nachfrage nach dem Marmstorfer Vorschulangebot ist es an der Grundschule Marmstorf derzeit tatsächlich eng. Alle Räume werden mehrfach genutzt: Im Schulbetrieb, in der Nachmittagsbetreuung und durch die nachmittäglichen Musikkurse der Schule. Allerdings geht die Schulbehörde davon aus, dass die Raumprobleme durch Baumaßnahmen in den nächsten Jahren gelöst werden könnten. Laut Pressesprecher Peter Albrecht soll so geplant werden, dass Marmstorf im Bedarfsfall sogar noch einen Klassenzug mehr als die bisherigen vier Klassen pro Jahrgang beschulen könnte. Es sei deshalb nicht notwendig, nach Sinstorf zu erweitern. „Der Standort Sinstorf wird in Zukunft aufgegeben.“, sagt Albrecht.

Bahn frei also für den Wohnungsbau im Grünen? Begeisterung will bei den Bezirkspolitikern nicht aufkommen. „Wir planen an der Elfenwiese und in Sinstorf derzeit schon zwei Neubaugebiete in dieser Region“, sagt Rainer Bliefernicht. Wir müssen für die Familien die dort hinziehen doch auch Strukturen bereit stellen. Wir brauchen die Schule dort. Dafür werde ich mich auf alle Fälle einsetzen.“

Auch Heinz Beeken, SPD, wie Bliefernicht Mitglied des Stadtplanungsausschusses, will am Sinstorfer Weg noch keinen neuen Wohnungen planen. „Erstens höre ich gerade zum ersten Mal, dass Sinstorf aufgegeben werden soll, und zweitens bin ich da skeptisch“, sagt er. „Wir sitzen als Stadtplanungsausschuss ja gerade mit der Lessing-Schule und dem benachbarten Alexander-von Humboldt-Gymnasium an den Plänen für den Lessing-Neubau und die Kooperation der Oberstufen dieser beiden Schulen. Ich sehe noch nicht, dass die Stadtteilschule auf Sinstorf verzichten kann.“