„Craft Brewing“ ist ein internationaler Trend. In Bostelbek vertreiben zwei Geschäftsleute altes Bier auf neuen Wegen

Bostelbek. Als Hans-Jörg Rohde vor 30 Jahren anfing, in der Branche zu arbeiten, war Bier noch Bier. Damals hatte Bavaria-Sankt-Pauli die Harburger Astra-Brauerei gerade geschlossen und Astra kam nur noch aus St. Pauli. Die Harburger beschwerten sich, dass es nun anders schmeckte. „Und sie hatten recht: Es gab tatsächlich einen Geschmacksunterschied“, sagt Rohde, „heute würde das aber kaum noch auffallen. Die großen Braukonzerne haben ihre Biere vom Geschmack her alle einheitlich gemacht.“

Rohde steuert selbst dagegen: Zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Sylvia Yildiz gründete er einen Online-Shop für „handgemachtes“ Bier. „meine-bierkiste.de“ hat ihren Sitz in Bostelbek, im Technologiepark am Tempowerksring.

Handwerklich gebraute Biere aus kleinen Produktionstätten

Handwerklich gebraute Biere aus kleinen Produktionstätten haben Konjunktur, und ihre Geschichte gibt geplagten Biergourmets Hoffnung: Sie beginnt nämlich in den Ländern, in denen die kleinen Brauereien zuerst verschwanden: Großbritannien, die USA und Belgien. Überall schluckten Großkonzerne die kleinen Marken und füllten nun Massenware in die Flaschen. Alles, was auch nur einem Teil der Kundschaft nicht schmecken könnte, wurde und wird herausgefiltert.

„Damit verlieren Biere ja aber auch ihren Charakter“, sagt Rohde. „Wenn Ihnen heute im Supermarkt eine Flasche Markenbier herunterfällt, duftet es ja gar nicht mehr.“

Schon in den 80er-Jahren gründeten sich in England die ersten Initiativen, um kleine Brauereien und örtliche Bierspezialitäten zu erhalten. Die Anhänger der „Campaign for Real Ale" wurden zunächst als Spinner belächelt. Allerdings erkannten die Brauereien bald, dass die Bier-Enthusiasten einen echten Markt darstellten. In Amerika und Belgien ging diese Entwicklung ähnlich früh los – mit dem Erfolg, dass amerikanische Handwerksbrauer mittlerweile internationale Preise horten, während ausgerechnet die Deutschen bei den Wettbewerben in die Röhre gucken. „Craft Brewing“, also handwerkliches Brauen, haben die Industriebrauer zwar in der Ausbildung gelernt, aber in der Praxis vergessen. Das Land, das lange als „die“ Biernation galt , hat heute Nachholbedarf. Wer eine große Auswahl handgemachter Biere haben möchte, muss also importieren.

Gerade war Sylvia Yildiz in den USA, um mit einer Brauerei zu verhandeln, die internationale Auszeichnungen nur so hortet: Die Anderson Valley Brewing Company in Boonville, Kalifornien. „Das liegt zwei Stunden nördlich von San Francisco und auf dem Weg in die Berge dachte ich mir, dass ich dort, außer ein paar Bauern und Brauern niemanden treffen würde, aber ich hatte mich getäuscht: Der Verkostungsraum war voller Touristen, die einen weiten Weg auf sich genommen hatten, um die Brauerei zu besichtigen und einzukaufen“, sagt die Marketingfachfrau.

Das Land, das lange als „die“ Biernation galt , hat heute Nachholbedarf

Kein Wunder: Das Anderson Valley liegt auf der Sonnenseite der Rocky Mountains. Hier kann bester Hopfen gedeihen und der Navarro River liefert kristallklares Wassser. Neueste Spezialität: Ein Ale, das in ehemaligen Whiskyfässern nachreift. Diese Methode haben sich die kalifornischen Brauer von ihren Nachbarn, den Winzern abgeguckt. Auch aus England kommt ein „Craft Beer“ das von der Natur verwöhnt ist. „Bishop’s Finger“ aus der Grafschaft Kent, wo das golfstrom-milde Klima eine der feinsten Hopfenarten Europas gedeihen lässt, wo die Wintergerste gehaltvoll ist und das Wasser Charakter hat.

Jedes Bier in der Kiste hat eine Geschichte zu seinem Geschmack

So wie diese beiden Biere haben alle der gut 100 Marken, die Meine-Bierkiste.de vertreibt, eine Geschichte zu ihrem Geschmack. Der Kunde kann online Kisten zu 12, 20 oder 24 Flaschen zusammenstellen lassen, die für ihn persönlich im Lager konfektioniert werden. Die Kisten sind aus Holz und ebenfalls handgefertigt. Rohde und Yildiz arbeiten dafür mit einer Behindertenwerkstatt zusammen. Billig sind die Mischkisten nicht: Eine internationale Zusammenstellung aus 12 Craft Beers kann schnell auf 30Euro kommen. „Aber Porsche verkauft seinen 911er ja auch nicht für 9000 Euro, bloß weil es zu dem Preis einen Dacia gibt“, sagt Rohde.

Ein paar deutsche Handwerksbrauer haben Rohde und Yildiz übrigens auch im Programm – und Astra. „Das wird von Hamburgern in ganz Deutschland bestellt – auch wenn es nicht mehr nach Harburg schmeckt.“