Ein Dankeschön und ein Glückwunsch: 20 Jahre ehrenamtliches Engagement des Nepalteams in Neugraben

Ich sitze im Warteraum der Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge in Harburg. Brauche einen neuen Führerschein. Der ist mir in Florenz mitsamt Portemonnaie, Ausweis, Geldkarten und Bargeld gestohlen worden. „Das ganze Programm also“, sagte der freundliche Polizeibeamte im Polizeikommissariat 47 in Neugraben, als ich die Anzeige machte. Leider. Macht ja viel Arbeit.

In der Zulassungsstelle im Großmoordamm herrscht Hochbetrieb. Eine lange Schlange vor einem Schalter. Ich bin zehn Minuten vor dem vereinbarten Termin da. Schaue auf den Fernseher an der Wand. Auf ein Bild, das da fast eine Minute steht. Ein Bild aus einer anderen Welt. Augen und Gesicht eines kleinen hübschen schwarzen Jungen sehen mich an. Wunden am Kopf hat er, von Fliegen umschwirrt. Dann erscheint ein Text: „Save the children“ – „Rettet die Kinder“. Und dazu eine Kontonummer der Hilfsorganisation.

So wie mich müssen solche oder ähnliche Bilder einen kleinen Kreis von Menschen der Michaeliskirchengemeinde Neugraben 1993 bewegt haben. Berichte und Bilder von Armut und Not der Menschen in den Entwicklungsländern haben sie motiviert, sich aus christlicher Verantwortung für die fernen Nächsten zu engagieren. Sie entschieden sich für Nepal. Die christlichen Pfadfinder von Neugraben hatten vorher schon für Wasserleitungen und Toilettenhäuser in Nepal gesorgt. Im Gründungsjahr des Nepalteams erlebten die Mitglieder ein großes Wunder: 55.515 Mark an Spenden kamen zusammen. Die Summe kam der Alphabetisierung von Frauen im entlegenen Gebiet Jajarkot zugute. Als nächstes stiegen sie ein in die inzwischen weltweite Rugmark-Kampagne. Rugmark ist ein verbreitetes Siegel für die Herstellung von Teppichen ohne ausbeuterische Kinderarbeit. Hamburg mit seinem Hafen ist einer der größten Umschlagsplätze für Teppiche aus Nepal. Missbräuchliche Kinderarbeit konnte zwar in den letzten zehn Jahren weltweit um 30 % gesenkt werden. Aber immer noch schuften 85 Millionen Kinder unter lebensbedrohlichen und unmenschlichen Lebensbedingungen ohne Chance auf irgendeine Form von Bildung und Ausbildung.

Insgesamt müssen etwa 168 Millionen Mädchen und Jungen nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation als Arbeitssklaven arbeiten. Mit dem Rugmark-Projekt gewann das Team auf Anhieb den zweiten Preis des neu geschaffenen „Eine-Welt-Preises“ der Nordelbischen Kirche. Eine starke Motivation!

Ein Jahr später, 1997, flogen die Mitglieder zum ersten Mal nach Nepal. Auf eigene Kosten natürlich. Sie erlebten ein wunderschönes Land, zumeist 3.000 Meter hoch gelegen. Und eine beeindruckende Gastfreundschaft und intensive Begegnungen mit den Teilnehmerinnen der Alphabetisierungskurse. 2005 und 2011 folgten weitere Reisen.

Oft haben sie die Freundinnen und Freunde in die Michaeliskirchengemeinde eingeladen. Die Gäste informierten über die schwierige politische und soziale Lage ihres Landes während und nach dem Bürgerkrieg, der von 1998 bis 2006 das Land erschütterte. Die Freunde kochten bei Veranstaltungen das exotische nepalesische Essen Dhal Bhat. Auch über das Essen von Fremden wachsen persönliche Beziehungen auf Augenhöhe, es wächst Verstehen. Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen! Ein weiteres Projekt ist die Schulpartnerschaft zwischen einer Schule in Nepal und der hiesigen Schule Ohrsweg/Sandbek. Bildung und Ausbildung sind die wichtigste Investition in Menschen und in ein Land. Bei uns auch. Allemal für Menschen, die nicht lesen und nicht schreiben können. Und für Kinder, die ausgebeutet und um ihr Recht auf Leben gebracht werden. Ebenso für Frauen, die in Textilfabriken unter unmenschlichen Bedingungen in einem Fabrikgefängnis für einen Hungerlohn arbeiten müssen. Nicht nur in Bangladesh.

Am Jubiläumstag, nach zwanzig Jahren freiwilligen und begeisternden Engagements, können die Neugrabener auf die stolze Gesamtsumme aller Spenden von 282.759 Euro schauen – ohne Abzug. Das wird heute gefeiert.

Das Team macht weiter. Alle sind dankbar, hier im Frieden und Wohlstand zu leben, sagen sie. Dankbar auch für viele Begegnungen und eine Arbeit, die sie persönlich bereichert hat.

Man kann natürlich fragen: Ist das nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, was sie da tun? Meine Antwort: Ein Tropfen Mitarbeit ist mehr als ein Meer von Mitleid und Sympathie.