Bildband des Kulturkreises Finkenwerder dokumentiert ein Jahrhundert der Finkenwerder Fischerei

Finkenwerder. Im Jahr 1900 lebten am Finkenwerder Norderdeich 122 Fischerwitwen. Die Zahl belegt zwei historische Fakten: Damals prägte die Fischerei die Elbinsel und sie war ein lebensgefährlicher Broterwerb. Der Kulturkreis Finkenwerder stellte gestern einen Bildband über die große Zeit der Finkenwerder Seefischerei vor. Die Laudatio hielt Dr, Melanie Leonhard, Leiterin der Abteilung Stadtgeschichte im Helms-Museum.

Diese Glanzzeit währte ein gutes Jahrhundert, von den 1880er- bis in die 1980er-Jahre, als die Seefischerei sich für typische Mittelstandsunternehmer, wie die Finkenwerder Schipper, nicht mehr rentierte. Auch begonnen hatte die Finkenwerder Seefischerei aus wirtschaftlicher Notwendigkeit: In der Elbmündung gab es nicht mehr genug zu fangen, um die Raten für die Schiffe abzubezahlen. Man musste sich immer weiter hinauswagen.

Zusammengestellt wurde das Buch von vielen Mitgliedern des Kulturkreises Finkenwerder. Den Text dazu verfasste Kurt Wagner. Der Hobbyhistoriker steht auch als Autor auf dem Buchdeckel, mag sich diesen Schuh aber nur ungern anziehen: „Das war ja eine Fleißarbeit von vielen Leuten“, sagt er,,

„Dem Kulturkreis ist es gelungen, ein facettenreiches Bild der Fischerei zu zeichnen“, sagte Melanie Leonhard in der Präsentationsrede. „Vor allem wird auf den Bildern nichts romantisch beschönigt, sondern auch die harte Arbeit an Bord gezeigt.“

Ein Großteil der Bilder stammt von Willi Mohr. Der Profifotograf fuhr in den 1950er Jahren auf mehrere Fangreisen mit. Seine Aufnahmen befinden sich mittlerweile im Archiv des Kulturkreises und hätten für sich schon für einen Bildband gereicht. Als jedoch die Finkenwerder hörten, dass ihr Kulturkreis so ein Buch plant, kramten sie selbst in den Fotoalben ihrer Vorfahren – oder den eigenen – und brachten Bilder zu Wagner und seinen Mitstreitern.

So kann Wagner einen Bogen von 1894 bis ins Jahr 2000 schlagen, als der allerletzte Finkenwerder Kutter verkauft wurde. Auf der Unterelbe hatten die Finkenwerder schon immer gefischt. Mit dem Wachstum Hamburgs wuchs dort auch der Fischhunger. Mehr und mehr Finkenwerder bestellten Fischerboote und mussten diese auch abbezahlen. Gleichzeitig gingen die Fischbestände auf der Unterelbe deztlich zurück.

„Nur mit Kompass, Handlot und Erfahrung navigierten diese Fischer auf der offenen See“, sagt Wagner. Erst, als die Boote zuhauf auf See bleiben, weil sie nicht für die Hochsee gedacht waren, gab es amtliche Hilfe: Die kaiserliche Reichsregierung ließ Kutter mit mehr Tiefgang entwerfen, die man auch mit Maschinen ausstatten konnte.

Auch auf See mussten sich die Finkenwerder immer neue Fanggrünge und Fische suchen – und bewiesen darin so großes Geschick dass sie und die Bootskennung HF international berühmt wurden. Mitte des letzten Jahrhunderts gingen sie sogar mit Schleppangeln auf Thunfischfang, bis dieser Fisch in den 60er-Jahren ausblieb.

Mit der industriellen Konkurrenz wurde es für die Kutterfischer immer schwerer. Es gibt noch ein paar Finkenwerder Fischer, aber nicht mehr auf eigenen Schiffen. Aber immer noch gilt dies als größtes Lob auf Finkenwerder: „He wör een düchtigen Fischermann!“