Schiffshebewerk stößt an Kapazitätsgrenze - Vertreter der Metropolregion diskutieren über Lösungen

Scharnebeck. In wenigen Minuten überwinden Schiffe und Boote 38 Meter Höhenunterschied wie in einem Fahrstuhl: Das knapp 40 Jahre alte Schiffshebewerk am Elbe-Seitenkanal in Scharnebeck bei Lüneburg ist bis heute eine Touristenattraktion und gilt als ein technisches Meisterwerk – doch es wird den heutigen Anforderungen an die Binnenschifffahrt nicht mehr gerecht. Die Kapazität der beiden Tröge, die die Schiffe den Höhenunterschied überwinden lassen, reicht nicht mehr aus. Das hat auch Auswirkungen auf die Metropolregion Hamburg, die daher zu einer Fachtagung zum Thema Güterverkehr nach Lüneburg und Scharnebeck geladen hatte.

„Der Hamburger Hafen hat ein Problem: Die Ware kommt nicht mehr raus“, sagte der Lüneburger Landrat Manfred Nahrstedt zum Auftakt der Tagung am Schiffshebewerk. „Wir brauchen dringend Lösungen – die Autobahnen sind voll, die Bahn stößt an die Kapazitätsgrenze. Wir können nur noch den Elbe-Seitenkanal anbieten.“

„Die Tröge des Schiffshebewerks sind mit 100 Metern Länge ausgerichtet auf die sogenannte Europaklasse der Binnenschiffe. Ein heute üblicher Schubverband hat aber 190 Meter Länge“, erläuterte Bernd Schmidt, Abteilungsleiter Verkehr im Niedersächsischen Wirtschaftsministerium, die Problematik. Zugleich bildeten sich jetzt schon vor den Einfahrten ins Schiffshebewerk regelmäßig „Staus“, weil die Binnenschiffer aus Kostengründen ihre Fahrten an das Hochwasser der Elbe anpassen. Jährlich passieren 21000 Schiffe das Hebewerk in Scharnebeck. Dem Güterverkehr werde ein Zuwachs um knapp 80 Prozent bis zum Jahr 2025 prognostiziert, sagte Schmidt. „Die Binnenschifffahrt hat noch Kapazitäten.“ Und der Hamburger Hafen wolle beim Container-Hinterlandverkehr den Anteil der Binnenschifffahrt von derzeit zwei auf fünf Prozent (entspricht etwa 450000 Containern) erhöhen. Deswegen setzen sich die Metropolregion, der Landkreis Lüneburg sowie die Länder Hamburg und Niedersachsen dafür ein, in Scharnebeck ein weiteres Aufstiegsbauwerk zu bauen. Geplant ist eine etwa 200 Meter lange Schleuse direkt neben dem Schiffshebewerk am westlichen Ufer des Kanals. Die Investitionskosten liegen bei 240 bis 250 Millionen Euro. „Der Elbe-Seitenkanal spielt eine zentrale Rolle, er muss aber wirtschaftlich befahrbar sein“, betonte Schmidt. Scharnebeck stelle zurzeit einen Engpass dar.

Entscheidend ist nun, welche Priorität dem Projekt im Bundesverkehrswegeplan eingeräumt wird. Dieser wird bis 2015 überarbeitet, und dabei wird auch eine neue Kategorie „Vordringlicher Bedarf Plus“ eingeführt. Diese Sonderkategorie betrifft Aus- und Neubauprojekte, „die der Engpassauflösung dienen“. Genau das sieht der Lüneburger Landrat Manfred Nahrstedt aufgrund der geschilderten Problematik als gegeben an. Zumal die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg dem Elbe-Seitenkanal Wachstumspotenzial bescheinige. Die Städte Wolfsburg, Salzgitter und Braunschweig hätten großes Interesse an der Wasserstraße, namentlich Unternehmen wie Volkswagen und die Salzgitter AG. „Auch den Elbe-Lübeck-Kanal als Anbindung zur Ostsee dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.“ Ein weiterer Aspekt aus Sicht des Landrates ist auch, dass die Bahnstrecke Hamburg-Lüneburg-Hannover kaum noch Erweiterungsmöglichkeiten habe: „Noch mehr Güterverkehr ginge zulasten des Personenverkehrs. Wir wollen in Lüneburg aber weiterhin ICE-Anschluss haben“, betonte Nahrstedt.

Die Chancen, dass das Schleusenprojekt in den „Vordringlichen Bedarf Plus“ aufgenommen wird, stehen also nicht schlecht. Es seien, so Nahrstedt, bereits 1,5 Millionen Euro vom Bund für Planungskosten zur Verfügung gestellt worden. Diese würden für die Planung der Baugrube verwendet, die mit 80 Millionen Euro also etwa ein Drittel der Gesamtkosten verschlingt. „Die Ausschreibung läuft, die Vergabe erfolgt in Kürze.“ Auch Bernd Schmidt äußerte sich zuversichtlich, zumal das Gelände für die künftige Schleuse bereits im Bundesbesitz sei.

Auch an anderen „Stellschrauben“ wird gedreht: So berichtete der Abteilungsleiter Verkehrspolitik bei der Hamburger Wirtschaftsbehörde, Norbert Hogrefe, dass im Hamburger Hafen die Terminalanbindung der Binnenschiffe optimiert werde und jüngst mehr als 20 weitere Warteplätze für Binnenschiffe eingerichtet worden seien. Das Hamburg-Marketing bewerbe „konsequent“ die Binnenschifffahrt, auch indem für Förderprogramme geworben werde. Das Güteraufkommen im Hamburger Hafen teile sich zu etwa gleichen Teilen auf in Umschlag von Schiff zu Schiff (30 Prozent), Ziel- und Quellverkehr in und um Hamburg (30 bis 40 Prozent) und Weitertransport über Hamburg hinaus (30 Prozent). Hiervon würden 70 Prozent mit der Bahn transportiert, den Rest teilten sich Lkw und Schiff. Die Metropolregion führe Gespräche mit der Deutschen Bahn, die selbst Projekte verfolge, um ihr Netz leistungsfähiger zu machen.