Großeltern pflegen ihre Enkeltochter in Marmstorf. Ihre Bleibe ist alles andere als behindertengerecht. Wohnungsgesellschaft leistet kaum Hilfe

Marmstorf. „Sabrina ist unser Sonnenschein“, sagt Boleslaw Glowacki über seine Enkelin. Seit Sabrinas erstem Lebensjahr kümmern er und seine Frau Janina sich um das Mädchen. Mittlerweile ist Sabrina 21, doch die Großeltern werden auch noch lange für sie sorgen müssen. Sabrina Glowacki ist schwerstbehindert. Glowackis würden gerne ihre Wohnung an die Bedürfnisse ihrer Enkelin anpassen lassen, doch der Vermieter, die SAGA/GWG, mauert, statt zu stemmen.

Sabrina war eine Frühgeburt und litt, nachdem sie auf die Welt kam, längere Zeit an Sauerstoffmangel. Sie hat wenig Kraft und es fällt ihr schwer, ihre Bewegungen zu kontrollieren. Auch das Sprechen ist für sie sehr anstrengend. Sabrina ist auf Rollstühle angewiesen. Drei solche Hilfen stehen in Glowackis kleiner Wohnung in Marmstorf: Ein kleiner Rollstuhl, mit dem ihre Großeltern sie durch die Wohnung fahren; ein großer Rollstuhl mit Sicherheitsgurt und Autositz für ihre täglichen Fahrten zur Behinderteneinrichtung und ein Gehwagen, in dem sich Sabrina – in einer Art Sattel sitzend und durch ein rollendes Gerüst vor dem Umfallen geschützt – draußen vor dem Plattenbau auf eigenen Füßen bewegen kann.

Glowackis Wohnung ist sparsam, aber sehr gepflegt eingerichtet und blitzsauber. Lediglich ein paar Schrammen in den Türzargen stören das Bild: „Der kleine Rollstuhl passt so gerade eben durch die Zimmertüren“, sagt Boleslaw Glowacki, „wenn man aber nur um einen Millimeter danebenliegt, stößt er an.“ Familie Das nächste Problem lauert im Badezimmer: Auch hier ist es für den Rollstuhl sehr eng. In die Badewanne müssen Glowackis ihre Enkelin hineinheben. „Das ging früher alles sehr gut“, sagt Opa Boleslaw, „aber langsam wird Sabrina immer schwerer.“ Außerdem werden die Großeltern nicht jünger: Der frühere Landarbeiter Boleslaw Glowacki wird 66, seine Frau 65 Jahre alt. Dazu kommt, dass Wirbelsäulen-schonendes Heben im engen Bad kaum möglich ist. „Oma hat sich den Rücken weh getan“, sagt Sabrina.

Seit sie volljährig ist, hat Sabrina zusätzlich zu ihren Großeltern eine amtliche Betreuerin zur Seite gestellt bekommen. Barbara Barecka vertritt die junge Frau gegenüber Ämtern und Institutionen. Seit sie der Familie hilft, versucht sie, auch die Wohnsituation zu verbessern.„Ich habe den Glowackis einen Berechtigungsschein für eine behindertengerechte Wohnung besorgt“, sagt Betreuerin Barecka. „In den letzten drei Jahren gab es vier Angebote, aber Familie Glowacki hat keine der Wohnungen bekommen.“ Deshalb beantragten Glowackis mit der Hilfe der Betreuerin einen rollstuhlgerechten Umbau der Wohnung in Marmstorf. „Wir wissen schon, dass man das hier nicht ideal machen kann“, sagt Boleslaw Glowacki, „aber wenn gemacht wird, was geht, reicht uns das.“ Vornehmlich meint er damit breitere Türen und eine Duschwanne mit tiefem Einstieg. Die beiden Stufen zwischen Fahrstuhl und Wohnungstür erwähnt er schon gar nicht mehr. Dafür hat er zwei Bretter im Treppenhaus deponiert.

Die SAGA/GWG ließ die Wohnung ausmessen. Alles schien gut zu werden. Dann erhielten Glowackis ein Schreiben: Ein Umbau würde gut 7000 Euro kosten. 2000 davon würde erfahrungsgemäß die Pflegekasse zahlen. Nun fragte der Vermieter, ob die Glowackis die 5000 Euro Differenz bezahlen würden. Dann könnte man auch umbauen.

Glowackis können keine 5000 Euro bezahlen. Sie beziehen Grundsicherung. Darüber ist die SAGA/GWG auch im Bilde. „Ich frage mich, ob das ernst gemeint ist“, sagt Barbara Barecka, „vor allem weil ich auch in anderen Stadtteilen SAGA/GWG-Mieter betreue und das dort wesentlich unproblematischer ging.“„Insgesamt wären die gewünschten Maßnahmen sehr teuer und auch nur teilweise umzusetzen“, begründet SAGA-GWG-Pressesprecherin Katrin Matzen die Aufforderung zur Selbstbeteiligung, „So können beispielsweise nicht alle Türen verbreitert werden, da wir sonst in die Statik des Hochhauses eingreifen würden. Auch der Einbau der gewünschten Duschwanne ist dort technisch nicht machbar. Deshalb möchten wir der Familie empfehlen, den Umzug in eine andere eventuell behindertengerechte Wohnung zu überlegen. Die Kollegen aus der Geschäftsstelle Harburg kennen und verstehen die Situation der Familie und sind gerne bereit, für sie möglichst schnell eine passende Wohnung zu finden. Sie müssen nur Bescheid sagen, dass sie bereit sind, umzuziehen.“ Das versteht Barbara Barecka erst recht nicht: „Die Geschäftsstelle weiß, dass eine behindertengerechte Wohnung die erste Option wäre“, sagt die Betreuerin. „Wir haben uns ja auch um SAGA-Wohnungen beworben, aber natürlich nicht als einzige. Jedesmal haben andere Mieter den Zuschlag erhalten.“Und als hilfsbereit hat sie die Harburger Geschäftstelle der Gesellschaft nie empfunden: „Ich habe am Anfang meines Mandats ein Jahr gebraucht, um zu erreichen, dass Sabrina in den Mietvertrag mit aufgenommen wird. Die Sachbearbieter haben sich gesperrt. Die haben wohl gewusst, was auf sie zukommt.“ Boleslaw Glowacki bleibt gelassen. Er hat den polnischen Kommunismus erlebt, da ficht ihn die SAGA nicht an. „Solange wir uns um Sabrina kümmern können, ist alles gut“, sagt er – und seufzt: „Aber es könnte etwas einfacher sein.“