Zu Besuch bei der Seevetaler Apfelmosterei Mostposten in Helmstorf. Seine Früchte seien besser als Bio, sagt der Chef

Der Apfel gehört zu den schönsten Geschenken des Herbstes. Glücklich, wer eigene Apfelbäume im Garten stehen hat. Rot, gelb, grün, golden leuchten die Früchte in der milden Oktobersonne. Besonders die alten Sorten verwöhnen Nase und Gaumen mit ungemein vielfältigen Düften und Aromen. Und was kann man alles aus ihnen zaubern: Kuchen, Kompott, Saft, Schnaps und Wein.

Doch das besondere kulturelle Erbe ist bedroht. Immer weniger Sorten sind in den Supermärkten zu finden. Pomologen, wie die Apfelfachleute heißen, und Naturschützer richten ihr besonderes Augenmerk deshalb auf die Streuobstwiesen mit ihren alten Sorten. Dort stehen große, knorrige Bäume, die an ihren Zweigen und Ästen zum Beispiel den McIntosh, den Finkenwerder Herbstprinz oder den Herzog von Cumberland tragen.

Frank Lehmann-Eggerstedt aus dem Seevetaler Ortsteil Helmstorf gehört zu den Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, alte Apfelsorten auf Streuobstwiesen zu pflegen. In einem dunkelgrünen Partyzelt auf einer Wiese am Ende der Straße verbirgt sich seine Apfelmosterei „Mostposten“. Vor dem Zelt stehen Stapel leerer Kisten und schwarze Plastikwannen voller Äpfel. Man sieht ihnen die Herkunft von der Wiese an: sie sind unterschiedlich groß, ihre Schale hat ein paar Wetterflecken, zwischen den Früchten liegen Laub und kleine Zweige. Feuchte, kühle Luft und der Duft von frisch geschnittenen Äpfeln umweht die Besucher beim Eintritt. Zu hören ist nur das leise Surren der Maschinen, übertönt vom gelegentlichen Schnauben und Wiehern der Pferde auf der benachbarten Koppel.

Lehmann-Eggerstedt schüttet gerade dunkelrote McIntosh aus einer Kiste in einen großen, gelben Plastiktrichter. „Der Legende nach ist das der Apfel, in den der Apple-Gründer Steve Jobs biss, als er den Namen für seine Computer-Firma erfand“, erzählt der mittelgroße Mann mit dem kleinen grauen Kinnbart schmunzelnd. Die Mühle schreddert die Äpfel. Maischen nennt man den Vorgang, der dem Bierbrauen oder der Weinherstellung ähnelt. Trotz herbstlicher Temperaturen irren ein paar Wespen zwischen Töpfen, Trichtern und Pressen umher. Eine besonders große stellt sich als Hornisse heraus. Rund 14 Grad Celsius herrschen im geöffneten Partyzelt, aber Lehmann-Eggerstedt steht nur mit einem grünem Hemd mit Firmenlogo bekleidet am Arbeitstisch, dazu trägt er Gummistiefel und Arbeitshose.

Helfer Benjamin Grochowski hat immerhin eine Wollmütze über den Kopf gezogen und einen langärmeligen Pullover unterm Shirt. „Ich jobbe hier als Saisonarbeiter“, erzählt Grochowski. Während er und der Chef im Zelt arbeiten, ernten zwei weitere Mitarbeiter auf den Wiesen. Wenn er nicht jobbt, bereitet sich der große vollbärtige Mann, der Kiste für Kiste die Äpfel mit Wasserdruck reinigt, aufs Kunststudium vor. Eine Gummischürze schützt Hose und Pulli vor dem Sprühregen.

Im Zelteingang zeigen sich zwei neue Gesichter. Kundschaft. Matthias Bojarski und sein fünfjähriger Sohn Tetje bringen eine Kiste Äpfel. Wie viele Apfelbäume sie haben? Tetjes Daumen geht hoch; einen, Sorte unbekannt. Das Haus der Familie in Hittfeld wurde auf einer alten Obstwiese errichtet. So kamen sie zum alten Apfelbaum. Ehefrau Tanja Thiemann hat zwei Tage in der Küche gestanden und eingemacht. „Ziemlich viel Arbeit“, findet Bojarski. Mosterei-Chef und Kunde einigen sich per Handschlag.

Der Mostposten hat hauptsächlich Privatkunden. In der dritten Saison macht der Agraringenieur und Umweltwissenschaftler von September bis Dezember Saft. Den Rest des Jahres pflegt er die grasumwachsenen Apfelbäume in Privatgärten und in der Gemeinde Seevetal. 25 bis 30 Sorten verarbeitet Lehmann-Eggerstedt, seine Lieblingssorte: Ingrid Marie. „Seine“ Äpfel seien sogar besser als Bio, behauptet er, „garantiert pestizidfrei“. Knapp 10.000 Liter „Echtsaft“ hat er im vergangenen Jahr produziert. Ehefrau Friederike ist für das Marketing zuständig.

Jetzt schaufelt der Vater zweier Söhne die Maische in eine Art Waschtrommel. Beim zweiten Arbeitsgang entsteht durch Pressen der Most, unvergorener Saft. Langsam und gleichmäßig läuft die rötliche Flüssigkeit in den Eimer, an der Oberfläche bildet sich Schaum. Bevor Frank Lehmann-Eggerstedt den Apfelmost in durchsichtige Fünf-Liter-Polyethylensäcke abfüllen kann, muss er ihn noch im Pasteurisierautomat auf 78 Grad Celsius erhitzen. „Man kann den Automaten auch einfach Kochtopf nennen“, sagt er verschmitzt. Die eigentlich nicht besonders hübschen Plastiksäcke wandern in Pappkartons. Ein bis anderthalb Jahre kann der Most so gelagert werden.