Vier Wochen nach Abriss des Schwarzbaus in Sprötze sind die Wogen noch nicht geglättet. Opernsänger schreibt ein Buch über seinen Fall

Sprötze. Weg, alles weg. Nur die zahlreichen tiefen Reifenspuren im Boden zeigen, dass hier etwas gewesen sein muss. Fast genau vier Wochen ist es her, dass die Stadt Buchholz im Sprötzer Waldgebiet Lohbergen in der unendlichen Geschichte um den Schwarzbau von Prosper-Christian Otto das letzte Kapitel schrieb. Am 26. September zur Mittagszeit begann der Abrissbagger damit, das Wohnhaus des Opernsängers, der jahrelang mit der Stadt im Rechtsstreit gelegen hatte, dem Erdboden gleich zu machen. Mittlerweile steht in der Idylle am Fuße des Brunsberg kein Stein und kein Holzbalken mehr auf dem anderen, es sieht so aus, als hätte es dort nie ein Wohnhaus gegeben.

Für den 64-Jährigen ist dieser Anblick schwer zu ertragen. „Es ist ein ganz komisches Gefühl“, sagt der 64-Jährige mit gefasster Stimme, als er über den Teil seines Grundstücks geht, auf dem früher das Haus gestanden hat. Seine Frau Christiane sei bis heute kein einziges Mal hergekommen, zu erschütternd wäre der Anblick für sie. Die beiden wohnen noch immer in der Übergangswohnung in Wenzendorf, die sie kurz vor dem Abriss bezogen haben, ein Großteil der Möbel und anderen Einrichtungsgegenstände ist eingelagert oder bei Freunden untergestellt worden.

„Wir suchen jetzt nach einem neuen Zuhause“, sagt Otto. Wo das sein wird? Drei Möglichkeiten stehen derzeit im Raum, entweder soll es das Münsterland, München oder die Schweiz werden. Sicher sei aber noch nichts, sagt er. Am Wochenende hat der ausgebildete Tenor einen Auftritt in Stuttgart und auf dem Weg dorthin will er sich eines der möglichen Häuser anschauen. In Wenzendorf will Otto jedenfalls nicht bleiben, er möchte den Nachbarn nicht seine ständigen Sangesübungen zumuten. Wenn er jetzt probt, fährt er zu Freunden nach Holm-Seppensen, die etwas abgelegener wohnen. Trotzdem kann er sich vorstellen, die Wohnung in Wenzendorf als Ferienwohnung und Erinnerung an die alte Heimat zu behalten. So ganz loslassen will er nicht.

Das wird auch klar, als er von seinen weiteren rechtlichen Schritten spricht. „Ich bereite eine Schadensersatzklage gegen die Stadt vor“, sagt Otto. Die Höhe: 300.000 bis 350.000 Euro. Es sei während der Abrissarbeiten auf seinem Grundstück zu erheblichen Zerstörungen gekommen. Bäume wurden gefällt und unzählige Sträucher unnötigerweise herausgerissen, ein Torpfosten sei komplett verloren gegangen, und von den Lampen an der Einfahrt hätten nicht alle überlebt. „Die Stadt hat ihre eigene Beseitigungsverfügung weit überschritten“, sagt er und fügt kampfeslustig hinzu: „Wer dachte, der Fall Otto ist erledigt, liegt daneben.“

Nein, Prosper Otto glaubt noch lange nicht an ein Ende des Kampfes – auch wenn es zeitweilig so aussah, als hätte er sich mit dem Verlust seines Hauses abgefunden und sei der Rechtsstreitigkeiten müde geworden. Bürgermeister Wilfried Geiger war ebenfalls davon ausgegangen, dass der Abriss einen Schlusspunkt setzen würde und zeigte sich bei dem Termin vor vier Wochen sehr erleichtert.

Doch aus Ottos Sicht könnte sich die Stadt möglicherweise zu früh gefreut haben. Bei dem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht, in dem Otto am Ende unterlag, sei es lediglich um den vorläufigen Rechtsschutz gegangen, sagt er. „Das Hauptverfahren steht noch aus.“ Wann der Termin sein soll, ist vollkommen offen, er geht aber davon aus, dass es in zwei oder drei Jahren so weit ist. Otto fragt sich, warum die Stadt nicht die paar Jahre habe abwarten können. Denn was, wenn die Stadt in dem Hauptverfahren doch unterliegt und der Abriss somit rechtswidrig war? „Die Verwaltung riskiert da ziemlich viel“, sagt Otto vieldeutig.

Dennoch räumt er ein, dass er eigentlich auf ein Ende des jahrelangen Prozessierens gehofft habe. „Wie lange soll es denn noch gehen?“, fragt er. Dabei setzt er seine Hoffnungen auf einen möglichen Nachfolger von Bürgermeister Geiger, sollte der bei der Bürgermeisterwahl im kommenden Jahr nicht mehr antreten. Die Fronten zwischen den beiden waren allzu verhärtet. Geiger habe ihm zwar immer wieder vorgeworfen, nicht kompromissbereit zu sein, sagt Otto. „Er selbst war es aber ebenfalls nicht.“

Aus ganz Deutschland und sogar aus Wien hat der Opernsänger Reaktionen auf seinen äußerst ungewöhnlichen Fall erhalten. Nicht zuletzt diese Resonanz dürfte ihn darin bestärkt haben, ein Buch über seine Geschichte zu schreiben. Alles soll darin vorkommen, der Kauf des Hauses im Jahr 1983, nachdem er das beschauliche Fleckchen Lohbergen per Zufall über eine befreundete Cembalistin entdeckt hatte, der Ausbau des Häuschens zum Wohnhaus und die Versuche der Stadt Buchholz, dem Wildwuchs im Wochenendhausgebiet per Bebauungsplan zu begegnen. Auch die Klage gegen den Bebauungsplan, die er gewann, will Otto thematisieren – ebenso wie die darauffolgende Abriss-Verfügung, die auf dem Fuße folgte, da das Haus mit dem Wegfall des Bebauungsplans ein Schwarzbau wurde, sowie alle folgenden Klagen und Rechtsmittel.

„Es macht mir richtig Spaß, das alles aufzuschreiben“, sagt Otto. Jede freie Minute sitzt er am Schreibtisch, mit zwei Verlagen steht er in Verhandlungen. Am Ende könnte die ganze Geschichte sogar verfilmt werden. Das Produktionsteam, das den Abriss seines Hauses im Auftrag des NDR filmte und dessen Beitrag am Montag in der Sendung „Recht so“ gesendet wird, hat sein Interesse bereits bekundet.