Landkreis will in Appel 50 Asylbewerber unterbringen. Die Anwohner reagieren erschrocken über die hohe Zahl

Appel. Der Ort Appel lebt von seiner Idylle. Er hat weder einen Bäcker noch einen Bolzplatz. Es gibt keinen Arzt, kein Café und keine Kirche. Mal abgesehen von der Freiwilligen Feuerwehr gibt es keinen weiteren Verein und auch kein Sportgelände. Was es hier gibt, sind Fachwerkhäuser auf großzügigen Grundstücken, hoch gewachsene Kastanien, grasende Pferde und weiß gestrichene Holzzäune. Und neuerdings gibt es viele Anwohner, die sich Sorgen machen.

Denn der Landkreis plant, in Appel rund 50 Asylbewerber unterzubringen. Die Bürger in Appel reagieren erschrocken. In einem offenen Brief, den 140 Anwohner unterschrieben haben, appellieren sie an die Bürgermeister der einzelnen Gemeinden in Hollenstedt sowie an den Samtgemeindebürgermeister, sich dafür einzusetzen, dass der Landkreis von seinem Plan absieht. „Die Unterbringung von 50 Personen in einem Dorf mit 415 Einwohnern, von denen im näheren Umfeld nur rund 200 Menschen leben, ist für die Asylbewerber und die Einwohner Appels absolut sozial unverträglich“, heißt es in dem Brief.

Die Appeler möchten nicht falsch verstanden werden. „Wir sagen ja nicht, dass hier gar keine Asylbewerber wohnen sollen“, betont Anja Oelkers von der Bürgerinitiative, die direkt gegenüber vom ehemaligen Pflegeheim wohnt. „Wir fühlen uns verpflichtet, den Flüchtlingen zu helfen. Gegen 10 bis 15 Asylbewerber hat keiner etwas und da kann auch gar keiner etwas gegen sagen“, sagt Anja Oelkers. „Nur 50 sind definitiv zu viele für unseren kleinen Ort. Da passt das Verhältnis nicht.“

Was aber heißt sozialverträglich? Wovor haben die Einwohner Angst? Eine Mutter berichtet, dass ihre Tochter sich nicht trauen würde im Dunkeln an dem Haus, in dem die Asylbewerber untergebracht werden sollen, zur Bushaltestelle zu laufen. „Sie haben Angst vor 50 schwarzafrikanischen Menschen. Dass alles mögliche passiert, auch wenn es völlig irrational ist“, erläutert Reinhard Kolkmann, Bürgermeister von Appel. „Und diese Angst muss man auch ernst nehmen.“ Für ihn kommt die Unterbringung von 50 Asylbewerbern einer Massenunterkunft gleich. „Das ist ohnehin der falsche Weg“, so Kolkmann.

Der Bürgermeister und die Bürgerinitiative weisen außerdem auf all das hin, was es im Ort nicht gibt. „Was sollen die Flüchtlinge denn den ganzen Tag hier machen?“, fragt Anja Oelkers. „Sie können doch nicht rund um die Uhr spazieren gehen. Ich hoffe, dass eine Lösung gefunden wird, mit der alle Seiten leben können.“

Das hofft der Landkreis auch. Aus seiner Sicht könnte es besser nicht sein. Der Vermieter ist bereit, einen Mietvertrag mit dem Landkreis zur Unterbringung von Flüchtlingen abzuschließen, und so ein Pflegeheim ist ja ohnehin schon als Sammelunterkunft konzipiert, könnte also mit einem geringen Aufwand für Flüchtlinge hergerichtet werden. „Wenn ein Eigentümer die Unterbringung von Flüchtlingen für möglich hält, können wir es uns als Landkreis nicht leisten, das Angebot auszuschlagen“, sagt Johannes Freudewald, Pressesprecher des Landkreises.

Deshalb will Reiner Kaminski, Bereichsleiter Soziales im Landkreis Harburg, in einer Bürgerversammlung heute, 24. Oktober, 19.30 Uhr, im Deutschen Haus in Appel über die geplante Unterbringung im ehemaligen Pflegeheim an der Kreisstraße informieren und dafür bei den Anwohnern werben.

Das Thema Asyl ist eines der größten Herausforderungen, vor dem der Landkreis steht. Eine Unterkunft für 50 Asylbewerber ist nur ein Bruchteil dessen, was der Landkreis insgesamt bereitstellen muss. Bis Ende September 2014 werden noch rund 500 Flüchtlinge in den Landkreis Harburg kommen. Lediglich für rund 200 von ihnen kann der Landkreis bisher Unterkünfte zur Verfügung stellen.

Weiteren Wohnraum zu finden, ist einfacher gesagt als getan. Allein 150 Vorschläge haben sich laut Landkreis als nicht geeignet erwiesen. In diesem Dilemma ist es umso wichtiger, dass der Landkreis die Bürger hinter sich weiß. Deshalb wollen die Verantwortlichen heute Abend in Appel deutlich machen, welche Kriterien sie bei der Wahl von Asylunterkünften ansetzen und wie die Flüchtlinge betreut werden.

Der Pressesprecher des Landkreises Johannes Freudewald macht aber schon im Vorwege klar, dass es sich nicht lohnen würde, das Haus für nur zehn Asylbewerber herzurichten. „Da rechnet sich der Aufwand nicht“, sagt er und bedauert es, dass es von den Bürgern in Appel von vornherein ein klares Nein zu den 50 Asylbewerbern gibt. „In der Bevölkerung ist das Bewusstsein da, dass wir die Pflicht haben Platz zu schaffen, aber sobald es vor der eigenen Haustür sein soll, will es keiner“, sagt Freudewald.

Die Einwohner hingegen haben das Gefühl, dass das Problem der Asylunterkünfte auf das kleine Dorf Appel abgewälzt wird. Anja Oelkers von der Bürgerinitiative ist der Auffassung, dass Hollenstedt als Ort mit der größten Infrastruktur als erstes in die Pflicht genommen werden sollte. Doch da mangelt es offenbar an Flächen.