Kritik am Zusammenschluss der beiden Harburger Berufsschulen wächst. Jungpädagogen befürchten Qualitätsverlust

Heimfeld. Anfang November soll die Hamburgische Bürgerschaft die weitreichende Neuordnung der Berufsschulen beschließen. Die Strukturreform trifft die Staatliche Schule für Sozialpädagogik in Heimfeld (W5) in besonderem Maße. Sollte der Schulentwicklungsplan so umgesetzt werden, wie es der Referentenentwurf vorsieht, wird die W5 ihre Eigenständigkeit verlieren: Nach ihrem Umzug im Jahr 2017 vom Alten Postweg auf den Campus der Handelsschule (H10) im Göhlbachtal soll sie mit der H10 fusioniert werden.

„Nicht nur der Schulvorstand, auch wir Schülervertreter lehnen die Fusion ab“, sagt Franziska Koepsel, 22. Die Ablehnung dieses Vorhabens ziehe sich durch alle Klassen und alle Ausbildungszweige. Befürchtet wird beim Einsatz fachfremder Lehrkräfte nicht nur ein deutlicher Qualitätsverlust in der Ausbildung. In Gefahr sehen die Schülersprecher auch das durch eine enge Verknüpfung von Theorie und Praxis geprägte Profil der W5. Sollte es jetzt verwässert werden, könne das zu einer gezielten Abwanderung von Schülern führen.

Gerade das große Einzugsgebiet sehen die Schulsprecher als Qualitätsbeweis. „Die Schule hatte bisher einen sehr guten Ruf, ihre Absolventen waren in Kitas sehr gefragt. Das könnte jetzt anders werden“, sagt Julia Sardemann, 20. Um an der Heimfelder Berufsschule zu lernen, würden viele Schüler zum Teil sehr lange Wege auf sich nehmen. „Fahrzeiten von mehr als einer Stunde sind keine Seltenheit“, so Sardemann, die selbst jeden Tag zwischen Hanstedt und Harburg pendelt.

Die Fusion mit der H10 käme einer Abkehr vom bewährten Fachberufsschulprinzip gleich. „Das aber steht in deutlichem Gegensatz zu den inhaltlichen Kernaussagen des Referentenentwurfs“, sagt Daniele Boemi, 26, der in Heimfeld gerade eine Ausbildung zum Sozialpädagogischen Assistent durchläuft. Auch Hamburgs Schulsenator Ties Rabe habe sich in entsprechenden Verlautbarungen gänzlich anders positioniert und Fachberufsschulen eine höhere Ausbildungsqualität bescheinigt, so Boemi.

„Offenbar gilt das aber nur für die Berufsschulen nördlich der Elbe“, so Franziska Koepsel. Anders sei jedenfalls nicht zu erklären, warum in Harburg die Schaffung einer fusionierten Bündelschule die bessere Lösung sein soll. Nach Ansicht der Schülervertreter bleibt dabei jedenfalls zu viel fachspezifische Ausbildungskompetenz auf der Strecke. „Es gibt bei uns eben keinen klassischen Deutsch- oder Sportunterricht“, sagt Ilka Meyer, 25. Über die gängige Vermittlung von Grammatik und Orthografie werde immer Bezug zum sprachlichen Vermögen in einzelnen Entwicklungsphasen von Kindern genommen.„Da gibt es ganz einfach prinzipiell unterschiedliche Vermittlungsansätze in der Ausbildung von Erziehern und Finanzfachleuten“, sagt Sophia Geschke, 22.

Diese Diskrepanz sieht auch Georg Schönberger, 23, als wesentliche Hürde für eine sinnstiftende Fusion: „Da herrscht bei der Wissensvermittlung an der Handelsschule doch ein ganz anderes Ethos als bei uns Pädagogen. Ich bezweifle, dass die Lehrkräfte, die in beiden Bereichen unterrichten müssen, da immer problemlos umswitchen können.“ Zumal es auch große Unterschiede bei den Fächern fürs Fachabitur gebe, wie Tim Eckbrett, 24, anmerkt.

Dass sich Lehrer da prinzipiell einarbeiten könnten, bezweifelt Schönberger nicht. „Eine gewisse Doppelbelastung aber bleibt, weil sich eine ständige Modifikation der Ausbildungsinhalte einfach nicht vermeiden lässt“, sagt er. Bei den Pädagogen stünde ganz klar soziales Verhalten im Mittelpunkt. Da gäbe es bei den Handelsschülern doch gänzlich andere Schwerpunkte.

Dass es in den kommenden Jahren aufgrund sozialdemografischer Besonderheiten, eines erweiterten Rechtsanspruchs auf Kita- und Krippenplätze und der flächendeckenden Einführung der Ganztagsbetreuung an Schulen gerade im Süderelberaum einen wachsenden Bedarf an gut ausgebildeten Erziehern und Sozialpädagogischen Assistenten (SPA) geben werde, habe sich bei den Autoren des Schulentwicklungsplan anscheinend noch nicht herumgesprochen, meint Sophia Geschke: „Da mutet die Empfehlung zu solch einer Fusion zweier völlig artfremder Berufsschulen jedenfalls ziemlich paradox an.“

Derzeit sind in Heimfeld 508 Schüler in der Erzieherausbildung, 106 auf dem Weg zum SPA. „Das sind sicher gute Zahlen“, sagt Verbindungslehrer Niels Winter: „Ob sie aber in Zukunft ausreichend sein werden, ist fraglich.“ Jedenfalls könne es sich Hamburg kaum leisten, dass die Nachfrage von Auszubildenden in dieser Fachrichtung sinke. „Um das klarzustellen: Wir haben überhaupt nichts gegen den Umzug ins Göhlbachtal“, so Tim Eckbrett. Aber solch eine gravierende Umstrukturierung, wie es diese Fusion nun einmal sei, müsse den Erfordernissen beider Fachberufsschulen gerecht werden. „Genau das aber sehen wir in Bezug auf unsere W5 nicht gewährleistet.“