Seit 25 Jahren kooperieren das Freilichtmuseum Kiekeberg und die Lebenshilfe Lüneburg-Harburg. Ein Grund zum Feiern

Ehestorf . Am Anfang war es eine Vision, ein Experiment. Als Museumsdirektor Rolf Wiese 1988 bei der Werkstatt für behinderte Menschen in Tostedt anfragte, ob es möglich sei, Mitarbeiter mit Behinderung im Freilichtmuseum zu beschäftigen, wusste keiner so genau, was sich daraus entwickeln würde. Jetzt blicken das Freilichtmuseum und die Lebenshilfe stolz auf eine 25-jährige Erfolgsgeschichte zurück.

„So eine Kooperation war nichts Selbstverständliches“, sagte Freiherr Ernst-Albrecht von Moreau, Geschäftsführer der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg, bei dem Festakt am Freitag im historischen Tanzsaal vom Freilichtmuseum. Zu arbeiten hieß für die Behinderten vor 25 Jahren in die Werkstatt zu gehen. In einen geschlossenen Raum mit weiteren Behinderten.

Diese Werkstatt-Welt zu verlassen, in einem normalen Betrieb zu arbeiten, war ein Wagnis. „Wir Profis wussten nicht, ob es geht“, sagte Ernst-Albrecht von Moreau. „Auch für das Freilichtmuseum war es eine aufregende Sache, sich auf den Personenkreis einzustellen.“

Der Geschäftsführer der Lebenshilfe sprach von einem großen Verdienst für die Lebenshilfe und für das Freilichtmuseum. „Es braucht Menschen, die so etwas wollen, und es braucht einen Rahmen dafür“, betonte er und dankte Rolf Wiese und dem damaligen Oberkreisdirektor Hans-Joachim Röhrs, dieses Experiment vor 25 Jahren gewagt zu haben, vor allem aber zollte er den Museumsmitarbeitern Respekt. „Dass die Arbeit vor Ort gelingt, dass sie erfolgreich verläuft und Spaß macht, entscheiden die Mitarbeiter vor Ort.“

Anfangs waren es sechs Mitarbeiter mit Behinderung von der Lebenshilfe in Tostedt, die zuvor in der Werkstatt für behinderte Menschen im Bereich Holz arbeiteten, und nun an vier Tagen in der Woche in das Museum fuhren, um landwirtschaftliche Geräte restaurierten. In ihrer Arbeit konnten sie ihre Kenntnisse noch ausbauen. Statt mit Holz werkelten die Lebenshilfe-Mitarbeiter mit Metall. Sie schliffen Gartenstühle, fertigten Inventarschilder und unterstützten die Museumsmitarbeiter bei ihren täglichen Aufgaben.

Damit war der erste Schritt gemacht. Im Laufe der 90er Jahre wuchs das Museum in seiner Größe und auch in den Besucherzahlen. Da war es nur logisch und konsequent, auch die Zahl der Behinderten, die am Kiekeberg arbeiteten, zu erhöhen. 1993 arbeiteten bereits elf Mitarbeiter der Lebenshilfe im Freilichtmuseum. Die Zahl ist inzwischen auf 13 Mitarbeiter angestiegen.

Für viele der Menschen mit Behinderung ist die Arbeit im Freilichtmuseum Lebensinhalt. „Sie hat einen ganz hohen Stellenwert, ist Normalität und viele fühlen sich weniger als Lebenshilfe-Mitarbeiter, sondern mehr als Museumsmitarbeiter“, sagte Michael Grebe, der die Außengruppe am Freilichtmuseum leitet. Aus dem Museumsalltag sind sie nicht mehr wegzudenken. Sie sind nicht „die Anderen“, sondern im Museum sind sie, wie Landrat Joachim Bordt sagte, Kollegen. „Menschen, die sich kümmern. Die ihre Aufgaben haben und die durch ihre Arbeit mit dafür sorgen, dass unser Museum das ist, was es ist“, so Bordt in seiner Festrede.

Es geht dabei nicht um bloße Beschäftigung, sondern um echte Arbeit. Dabei ist ein hohes Maß an Selbstständigkeit gefragt. Eigenverantwortlich handeln zu können, gefällt Lars Meyer, der geistig behindert ist, ganz besonders. Als er vor drei Jahren im Freilichtmuseum am Kiekeberg anfing, war er noch sehr unsicher. Inzwischen bewegt er sich frei und selbstverständlich im Museum, füttert und tränkt die Kühe, Schweine, Pferde und Hühner. „Und wenn etwas ist, kann ich Michael immer auf Handy anrufen“, sagte er.

Die Mitarbeiter sind aus dem Museumsalltag schlicht nicht mehr wegzudenken. Sie pflegen die Grünflächen, mähen den Rasen, schneiden Hecken und Blumen, sie bereiten hausinterne Veranstaltungen vor, decken die Tische ein und ab. „Durch solche Arbeiten werden die Mitarbeiter der Lebenshilfe auch von unseren Besuchern wahrgenommen“, sagte Heike Meyer, Stiftungsratsvorsitzende der Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg. „Das ist uns wichtig: Die Lebenshilfe-Mitarbeiter sind nicht im Hinterzimmer, sondern im Blickfeld, nicht versteckt, sondern präsent. Sie sind Teil des Museums.“

Manche sind so tief in dem Haus verwurzelt, dass es für sie undenkbar ist, hier irgendwann nicht mehr zu arbeiten. Maike Pflästerer, die im Mailingservice arbeitet, also Informationsmaterial zusammenstellt und verschickt, sagte: „Ich werde hier gerne so lange sitzen bis ich 100 Jahre alt bin. Ich fühle mich so wohl hier.“

Vielleicht ist sie dann lange genug da, um noch mitzuerleben, ob die nächste Vision von Freiherr Ernst-Albrecht von Moreau, die der Chef der Lebenshilfe am Freitag verkündete, wahr wird: Dass es eines Kooperationsvertrages nicht mehr bedarf. Dass die Mitarbeiter ganz im Museum arbeiten, hier angestellt sind. „Nur so realisieren wir Inklusion wirklich“, sagte er.