Gelungene Premiere von „Inklusive Süd“: 500 Besucher sahen Darbietungen von Menschen mit und ohne Behinderung

Harburg . Den anderen piesacken, ihn zwicken, sobald er wegschaut, den Hut ins Gesicht stoßen und gleich darauf den eigenen Po mal so richtig wackeln lassen, kurz: mal so richtig den Clown zu machen, kommt gut an. Die Zuschauer juchzen und klatschen. Nur wenige Minuten stehen die Männer mit Down-Syndrom in weiß-roten Shirts und Glitzer-Westen von der Tanztheatergruppe Locavida, ein Ensemble aus Menschen mit und ohne Behinderung, auf der Bühne im Harburger Kulturzentrum Rieckhof, und haben das Publikum bereits jetzt um den Finger gewickelt.

Wer da noch nicht begeistert ist, wird spätestens bei der Michael-Jackson-Nummer weich: Zwei Finger am ausgestreckten rechten Arm zeigen an die Decke, der Hut ist tief ins Gesicht gezogen, dann der berühmte Griff in den Schritt. So kommen die Darbieter von der Tanztheatergruppe aus Hittfeld dem Moove des amerikanischen Popstars gefährlich nahe.

„Meine Welt, deine Welt, eine Welt“ heißt das Programm, aus dem das Tanztheater Locavida heute für die Veranstaltung „Inklusive Süd: Eine Bühne für Alle“ einen Ausschnitt zeigt. In dem Stück von Locavida geht es darum, wie Menschen, die aus unterschiedlichen Welten kommen, zueinander finden. „Jeder Mensch lebt in seiner eigenen Welt, ob mit oder ohne Behinderung. Wir wollen ein Miteinander kreieren und können vor allen Dingen ganz viel von Behinderten lernen“, sagt die Tanztherapeutin Charlotte Köhlmoos-Zarate, die den Auftritt inszeniert hat. „Sie nehmen einem Angst und man kommt raus aus dem Perfektionsmodus.“

Bewusst haben die Organisatoren Wert darauf gelegt, dass nicht nur Menschen mit Behinderung etwas darbieten bei der Premiere von „Inklusive Süd“. „Das Talent steht im Vordergrund“, sagt Sabrina Wendt, Leiterin des Treffpunkts Hölertwiete und federführende Organisatorin. Mit diesem Leitsatz im Hinterkopf gingen die Organisatoren auch bei der Zusammenstellung des Programms vor. „Es kommt uns dabei nicht so sehr darauf an, ob man jung, alt, behindert oder nicht behindert ist. Wer etwas kann, kann etwas darbieten. Es geht darum, zusammen Spaß zu haben.“

So entsteht ein gelungener Mix. Es gibt Folk von der UKW Band, Alternativrock von PFJ.eleven. Es treten der Lindenchor und die Afrotrommelschule auf, der Sänger Thomas Gohr unter Gitarrenbegleitung, die integrative Tanzgruppe Herde und die Breakdancer aus dem Haus der Jugend Steinikestraße.

So wie der Abend mit Locavida begonnen hat, setzt er sich fort. Auftritt, Klatschen, Johlen – Auftritt, Klatschen, Johlen, Auftritt... In der Modenschau der Elbe-Werkstätten zeigt sich die geballte Kreativität der Behinderten. Regelrechte Laufstegdiven in selbst geschneiderten Kostümen, die vom indischen Gewand über schuppenartiges Meerjungfrau-Kleid bis hin zum Clownskostüm und sogar zur Kopie von Shakira reichen, präsentieren sich den Zuschauern.

Ulf Möller vom BHH Sozialkontor, das differenzierte Wohn- und Unterstützungsangebote für Menschen mit Behinderung bietet, war Ideengeber der Veranstaltung. Drei Jahre hat es gedauert, bis aus dem Gedanken letztlich „Inklusive Süd: Eine Bühne für Alle“ entstand. Mit Hilfe der vielen verschiedenen Organisationen, die im sozialen und kulturellen Bereich in Harburg tätig sind, wie etwa Alsterdorf Assistenz West, Elbe Werkstätten und Leben mit Behinderung Hamburg, konnte das Projekt gestemmt werden. „Die Hauptarbeit aber lag beim Treffpunkt Hölertwiete und der Kulturwerkstatt Harburg“, sagt Ulf Möller.

Ziel der Veranstaltung war, einer „inklusiven Gesellschaft“ den Weg zu ebnen. „Alle sollten dabei sein, wir wollten unterschiedliche Gruppen zusammenbringen, sowohl vor der Bühne als auch hinter der Bühne“, sagt Ulf Möller. Am Ende waren die Veranstalter selbst überrascht, dass Inklusive Süd auf den ersten Streich so viele Besucher anzog. „Wir haben eine ganz tolle Resonanz bekommen, es war ein gelungener Abend“, lautet das Resümee von Sabrina Wendt.

Jetzt werden schon die ersten Rufe nach Nachahmung laut. Bezirksamtsleiter Thomas Völsch, der das Bühnenprogramm eröffnete, wünscht sich, jedenfalls, dass das Projekt den Sprung von Süd nach Nord, nach West und auch nach Ost schafft.