Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft bietet einen Leistungs-Check, der für Astronauten entwickelt wurde und bisher nur im Spitzensport üblich war

Neugraben. Früher belächelte Trends wie Pilates oder Inline Skating gehören längst zum sportlichen Establishment. Ein Jahrhundert nach ihrer Gründung spielen in der Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft (HNT) Menschen Hockey auf Rollschuhen. Traditionelle Sportvereine müssen Trends in der Bevölkerung beobachten und ihr Angebot anpassen, um am Markt bestehen zu können. Kommerzielle Sportstudios und der Trend zur Individualisierung in der Gesellschaft zwingen Sportvereine, sich immer schneller neu zu erfinden.

Die vor 102 Jahren gegründete HNT setzt Technologie ein, die bisher nur im Hochleistungssport üblich war, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein. Die Leistungsdiagnostik mit Hilfe der sogenannten spiroergometrischen Untersuchung im vereinseigenen Fitnessstudio FitHus ist ein neues Angebot der Turnerschaft. Für 14.000 Euro hat der Sportverein eine handtaschengroßes Gerät angeschafft, dass die Europäische Weltraumagentur ursprünglich zu Tests an Astronauten entwickeln ließ.

„Wir machen die sportmedizinische Leistungsdiagnostik der breiten Masse zugänglich“, sagt Mark Schütter. Der 39 Jahre alte Sportwissenschaftler ist seit dem 1. Oktober der für die Verwaltung zuständige Geschäftsstellenleiter der HNT. Der Sportverein habe bemerkt, dass er über Qualität seine Mitglieder generiere, so Schütter.

Der unscheinbare Plastikkasten, das Teure daran sind die empfindlichen Sensoren, diagnostiziert innerhalb von nur zehn Minuten, wie Sportler im Training ihre Leistung verbessern oder Menschen mit Gewichtsproblemen am wirkungsvollsten Pfunde loswerden können. Sportler stellen sich dabei auf ein Laufband oder setzen sich auf ein Spinning Bike und atmen dabei einige Male durch ein Mundstück. Die dabei analysierten Atemgase zeigen, bei welcher Trainingsintensität der jeweilige Sportler in welchem Verhältnis Kohlenhydrate und Fett verbrennt. Das Gerät ermittelt auch, wie hoch der Energiebedarf des Sportlers ist.

Der sportmedizinische Test eröffnete einer Langstreckenläuferin der HNT völlig neue Perspektiven. Die Athletin ist mit einer überdurchschnittlichen Ausdauerfitness gesegnet. Sie wunderte sich aber, warum sie trotzdem bei Zehn-Kilometer-Läufen auf den letzten Etappen einbrach. Der Leistungscheck brachte das Ergebnis, dass sich ihre Kohlenhydratspeicher schnell entleeren. Jetzt isst sie Traubenzucker, weil es für ihren Körper wichtig ist, sich während des Laufens zu ernähren. Die Leistungsdiagnostiker sind sich sicher, dass die Läuferin bei einem Halbmarathon ihre Zeiten um sieben bis acht Minuten verbessern könne.

Auch ein Fußballer gehörte zu den ersten Probanden. Der Test brachte schnell zutage, dass der Kicker Im Training zu viele Dauerläufe und zu wenig Intervallläufe mache. Die Atemluft lügt nicht. Wer sich der Leistungsdiagnose unterzieht, muss aber einige Bedingungen beachten, damit das Testergebnis nicht verfälscht wird. Jeder soll ausgeruht erscheinen und zwei Stunden vor dem Test nichts essen und nur Wasser trinken. Ein Wettkampf sollte mindestens vier Tage zurückliegen. Am Tag vorher sollen Brot, Reis und Nudeln, also kohlenhydratreiche Speisen, nicht auf dem Speiseplan stehen.

Die Spiroergometrie hilft auch Menschen, die Gewicht verlieren wollen. Die Erkenntnisse aus der Atemluft macht ein Computer in bunten Kurven auf dem Bildschirm sichtbar. Sie zeigen jedem Menschen ganz individuell, wie sie trainieren müssen, um Kalorien zu verlieren. Viele Menschen trainieren falsch und wundern sich, warum sie keine Pfunde verlieren. „Man kann langsam trainieren und trotzdem einen großen Kalorienverbrauch haben“, sagt HNT-Vizepräsident Mark Schepanski. Am Ende der Leistungsdiagnostik steht ein Trainingsplan für die nächsten drei Monate, der dem Sportler den besten Weg zu seinem Ziel zeigt. 10 bis 15 Minuten dauert der Test auf dem Laufband oder Spinning Bike.

Mit Ausfüllen eines Fragebogens und dem Ausdruck und Besprechen des Trainingsplans ist der Sportler nach einer Dreiviertelstunde durch. Nach drei Monaten könne man sehen, ob das veränderte Training Wirkung zeigt und der Körper sich angepasst hat. „Was früher nur absoluten Spitzensportlern möglich war, ist bei der HNT kostengünstig für alle Aktiven möglich“, sagt Mark Schepanski. Selbst Nicht-Mitglieder dürfen den Leistungs-Check nutzen. HNT-Mitglieder zahlen 40 Euro, die Mitglieder des vereinseigenen Studios FitHus sogar nur 30 Euro. Nicht-Vereinsmitglieder sind mit 70 Euro dabei. Zum Vergleich: Kommerzielle Anbieter sollen bis zu 180 Euro verlangen. Der größte Sportverein im Hamburgs Süden bringt Technik für Elite-Athleten in den Breitensport. Den nächsten Schritt sieht Mark Schepanski in der Zusammenarbeit mit Unternehmen.

Als Dienstleister im Gesundheitssport könnte die HNT auch Mitarbeitern in Betrieben gezielte Leistungsdiagnostik anbieten. „Unternehmen müssten ja ein gesteigertes Interesse an gesunden Mitarbeitern haben“, sagt Mark Schepanski. Die sehr persönlichen Ergebnisse blieben dabei natürlich streng vertraulich.