Xhelil Musa blickt auf dreißig Jahre als Gastronom zurück. Er war auch mal Landarbeiter, Dreher und Busfahrer

Marmstorf. Mit 15 Jahren ackerte er barfuß auf dem Maisfeld und schlief mit 60 Kollegen zusammen in einer Landarbeiterunterkunft. Mit 63 besitzt Xhelil Musa ein Hotel – und lediglich deshalb nur eines, weil er die anderen verkauft hat. Xhelil Musa – das „Xh“ spricht sich übrigens wie das „G“ in Genie – blickt mittlerweile auf 30 Jahre als Gastronom zurück und will das am Wochenende in seinem Hotel-Restaurant „Grüne Tanne“ auch feiern.

Als Xhelil Musa 1983 den „Adria-Grill“ an der Schwarzenbergstraße eröffnete, gab niemand einen Pfifferling auf das Restaurant: Zuvor hatte sich in dem Lokal Harburgs erste Szene-Kneipe befunden und das bürgerliche Publikum machte um die Ecke immer noch einen Bogen. Außerdem hatten Xhelil und Sylvia Musa überhaupt kein eigenes Kapital in den Betrieb investieren können. „Der erste Gast, der hereinkam, sagte schon beim Betreten des Lokals, dass er mir kein halbes Jahr gibt“, erinnert sich Musa, „das war nicht gerade ermutigend.“

Der Gast sollte sich geirrt haben: Drei Monate nach seiner Eröffnung standen die Harburger Schlange vor dem ausgebuchten „Adria-Grill“, unwillig, sich woanders einen Tisch zu suchen. Die Musas feierten ihren ersten Erfolg. Dabei hatte Xhelil Musa sein Gastronomie-Talent erst mit über 30 Jahren entdeckt.

Aufgewachsen war Musa in einem kleinen Dorf im Kosovo, zwischen Pristina und der mazedonischen Grenze. Die Familie war arm, der junge Xhelil musste seinen Vater auf die Felder begleiten, wo beide für wenig Geld arbeiteten. „Wir hatten nicht einmal Schuhe“, sagt er. Er bastelte sich damals Arbeitsschuhe aus Holz. Als Xhelil Musa etwas älter wurde, lernte er Dreher, aber Arbeit gab es nicht – bis 1970 die Gastarbeiterwerber aus Deutschland in seine Gegend kamen. „Das war ein echter Glücksfall“, erinnert er sich.

Mit 20 Jahren stand Xhelil Musa bei Krupp in Harburg an der Drehbank. „Drei Jahre habe ich das gemacht. Aber da steht man den ganzen Tag alleine vor einer Maschine. Ich habe lieber mit Menschen zu tun“, sagt er. Also wechselte er den Beruf und wurde Busfahrer bei der Hochbahn AG. Nebenbei fuhr er Taxi.

Auch das war Musa irgendwann nicht mehr genug. Er schulte zum technischen Zeichner um. Nebenbei fuhr er immer noch Taxi und jobbte als Kellner. „Da haben mich einige Gäste angesprochen und mir gesagt, dass ich das Zeug hätte, ein eigenes Lokal zu eröffnen“, erinnert sich Musa. „Von alleine wäre ich nicht auf diese Idee gekommen.“ Den großen Erfolg des „Adria-Grills“ und seiner Nachfolgelokale erklärt Musa relativ einfach: „Ich habe aus meiner Heimat einen traditionellen Begriff von Gastfreundschaft mitgenommen“, sagt er. „Man empfängt den Gast an der Tür und nimmt ihm dort nicht nur den Mantel, sondern auch die Sorgen ab. Wenn er geht, gibt man ihm nur den Mantel zurück.“

Außer mit der Gastfreundschaft erarbeitete sich Xhelil Musa auch durch großzügige Portionen einen Ruf in Harburg. „Essen satt“ war stets das Motto. „Man vergibt sich dadurch nichts“, sagt er. „An einem Abend mit gut besuchtem Lokal bestellen vielleicht acht Gäste einen Nachschlag. Das kann man problemlos verkraften. Aber alle sind zufrieden und kommen wieder.“

Den „Adria-Grill“ betrieben Xhelil Musa und seine Frau drei Jahre lang, zunächst sogar nebenberuflich. Dann übergaben sie das Lokal an Nachfolger und eröffneten das Lokal „Bei Musa“ in Neugraben. Wenig später kam der Opatija-Grill in der Neuen Straße in Harburg hinzu. Immer waren es Lokale, die vorher schlecht liefen, die die Musas zum Erfolg führten – um dann die nächste Herausforderung zu suchen. Drei Jahre lang bewirtete Xhelil Musa die Fleestedter, dann übernahm er die „Kutsche“ in Sieversen. Ältere Lokale überließ er Verwandten oder ehemaligen Mitarbeitern.

1996 war Xhelil Musa zurück in Neugraben und eröffnete zum ersten Mal außer einem Restaurant auch noch ein Hotel. Es folgten ein Lokal in Neukloster, eines in Hollenstedt, eine Pizzeria in Neugraben. Damals war von einem „Musa-Imperium“ die Rede. Nach und nach gab Musa jedoch auch diese Lokale wieder ab. Einen wirklichen Rückschlag musste er nur einmal hinnehmen: Mit dem Lokal in Neukloster war sein Nachfolger in die Insolvenz gegangen. Als Hauptgläubiger übernahm Musa den Laden wieder. „Ich musste dem Insolvenzverwalter 15.000 Euro zahlen, um meinen eigenen Namen weiter verwenden zu dürfen. Und kaum hatte ich das bezahlt, zündete ein Brandstifter das Restaurant an.“

Xhelil Musas größter Rückhalt heißt Sylvia Musa. Seine Frau lernte er bereits drei Monate nachdem er nach Harburg gekommen war, kennen. Klassisch Harburgisch übrigens, beim Vogelschießen auf dem Schwarzenberg. Sechs Jahre später waren die beiden verheiratet. Sylvia Musa ist die kaufmännische Seele des Familienunternehmens. Außerdem Mutter seiner Söhne Adrianit und Sami. Seit 2002 betreibt Xhelil Musa die „Grüne Tanne“ an der Bremer Straße. Das kleine Hotel an der großen Gastwirtschaft baut er gerade von 23 auf 31 Zimmer aus. Sohn Sami soll es eines Tages übernehmen.