50.000 Besucher auf Norddeutschlands größtem Flohmarkt in Tostedt auf der Suche nach Trödel und überraschenden Dachbodenfunden

Tostedt. Immer am ersten Wochenende im Oktober macht der Werbekreis Tostedt überregional auf die 13.000-Einwohner-Gemeinde in der Nordheide aufmerksam. Gut 50.000 Menschen haben laut Polizei am Sonnabend den nach Angaben der Tostedter Händlerinteressengemeinschaft größten Flohmarkt Norddeutschlands besucht. Das sind in etwa so viele Besucher wie im Vorjahr. Auf dem Töster Markt wechseln auf der sechs Kilometer langen Händlermeile mit etwa 600 Verkaufsständen Liebhaberstücke, Dachbodenfunde und aussortierter Hausrat den Besitzer.

Auch nach 40 Jahren büßt der Töster Markt nicht an Beliebtheit ein: Unübersehbarer Beweis dafür ist die parkende Blechlawine auf beiden Grünstreifen entlang der Bundesstraße 75. Bis zu 700 Meter vor dem Ortseingang stellen Marktbesucher, überwiegend aus den Landkreisen Harburg und Stade sowie aus Hamburg, bereits ihre Autos ab. Die Chance auf einen Parkplatz im Zentrum Tostedt ist gleich Null. Mit einer Lautsprecherdurchsage gibt der Veranstalter einem unbekannten Besucher aus Freiburg im Breisgau eine letzte Chance: Sein Volkswagen versperre die Ladezone zum Drogeriemarkt Bundnikowsky. Wenn er sein Auto in den nächsten zehn Minuten nicht wegfahre, würde er kostenpflichtig abgeschleppt.

Bereits zu Sonnenaufgang leuchten Menschen mit Taschenlampen ankommenden Händlern in den Kofferraum. Meist sind es andere Händler, die offenbar Ware günstig abkaufen und später selbst mit Gewinn zu verkaufen versuchen. Private Schnäppchenjäger auf der Suche nach besonderen Liebhaberstücken dürften auch dabei sein.

Am Verkaufsstand von Karin Peters läuft das Geschäft am Vormittag noch behäbig. Kein Grund zur Besorgnis, denn die erfahrene Händlerin aus der Nähe von Heide kennt das Phänomen: Die Marktbesucher würden zunächst bei den privaten Händlern nach Schnäppchen und raren Liebhaberstücken gucken. Sie selbst ist eine gewerbliche Händlerin. Zusammen mit ihrem Mann treibt sie bis zu viermal in der Woche auf Floh- und Wochenmärkten Handel. Ihre Ware ist der moderne Gartenzwerg. Nicht mehr das pausbäckige Männchen mit Zipfelmütze hütet das Blumen- oder Gemüsebeet, sondern das aus der „Sendung mit der Maus“ bekannte Schaf Shaun.

Auch die aus dem Kinoerfolg „Ice Age“ bekannten Erdmännchen gibt es Plastikfigur für den Garten. Am dritten Advent ist für das Händlerpaar Peters Saisonschluss. Weiter geht es dann ab März. Die Adaptionen von Shaun dem Schaf und den Erdmännchen sind ihre Verkaufsschlager. „Es muss was Beklopptes ein“, sagt der Händler und lacht. Bei den Senioren unter den Digital Natives, der Generation 40 plus, ruft der Commodore 64 ähnlich nostalgische Erinnerungen wach wie der Citroën 2CV bei Hippies. Der erste erschwingliche Heimcomputer bedeutete für Jugendliche in den 1980er-Jahren der Einstieg in das Computerzeitalter. Einen original verpackten C64 aus dem Jahr 1987 bieten die Hobbyhändler Christine Heiß und Daniel Lins aus Scheeßel an.

Sogar der Originalpreis klebt noch auf dem Karton: 269 Deutsche Mark. „Es ist ein Dachbodenfund“, sagt der 32 Jahre alte Daniel Lins. Er verlangt für den Großvater aller Heimcomputer 50 Euro, Spiele und ein Kassettenlaufwerk inklusive. Ob er ihn los wird? „Viele Leute bleiben stehen und fragen, aber keiner kauft den alten C64“, sagt der Händler.

Heitere Lautsprecherdurchsagen sind ein Merkmal des Töster Marktes. „Die vier oder fünf Jahre alte Samira Chayenne sucht Ihren Opa Willi und ihre Oma Silke“, tönt es entlang der Händlermeile. Währen das kleine Mädchen sicher den Tränen nahe ist, nimmt die Besuchermenge mit Schmunzeln zur Kenntnis, dass Namen auch Moden unterliegen.

Das Ehepaar Kruck aus Hamburg-Eppendorf hat aufgeräumt und verkauft einigen Hausrat. Bezaubernde Liebhaberstücke sind dabei. Eine alte Fotokamera, eine Zeiss Ikon, fällt ins Auge. Die Zeiss Ikon AG war bis zum Zweiten Weltkrieg einer der bedeutendsten Kamerahersteller. Einen Preis für den dekorativen Apparat, der vermutlich aus den Jahren 1945 bis 1948 stammt, kann Karin Kruck zunächst gar nicht nennen. Er gehört ihrer Schwester, und die komme in einer Stunde wieder. „Wir haben die Kamera hier hingestellt, weil sie so schön aussieht.“

Das teuerste angebotene Stück auf dem Töster Markt dürfte ein Sakristeischrank sein. „Verhandlungsbasis: 8500 Euro“ steht auf einem Zettel mit Foto. Den Originalschrank hat der Händler nicht an den Verkaufsstand transportiert. Dass Ware für so viel Geld den Besitzer wechselt, ist die Ausnahme. „In der Regel geben die Leute zwei bis 30 Euro aus“, sagt ein Händler aus Hamburg. Das sei das Budget für Flohmärkte.

Etwa tiefer in die Tasche gegriffen hat Martin Wurps aus Buchholz. Er hat die Holzversion des beliebten Brettspiels „Siedler von Catan“ mit Seefahrer-Erweiterung für 35 Euro erworben. Im Internet würde diese Version ab 50 Euro aufwärts gehandelt. „Ein Zufallsfund, eigentlich habe ich nicht gezielt nach etwas gesucht“, sagt er. Den Veranstaltern rät Martin Wurps, weniger gewerbliche Händler zuzulassen. „Ein Flohmarkt“, sagt er, „ soll doch Secondhand bieten.“