Eine Glosse von Heike Linde-Lembke

Jahrzehntelang habe ich sie getragen. Ich mochte sie einfach nicht mehr. Dieses Beschlagen. Dieser Film, der sich im Lauf eine Tages auf sie legt. Und dann dieses ewige Gesuche. Ich wollte meine Brille loswerden. Obwohl ich ohne blind wie die Katze meiner römischen Freundin war.

Lasern hieß das Zauberwort. Mein Augenarzt war begeistert, schließlich spült das Geld auf sein Konto. Doch dann musste er mir sagen: geht nicht. Ich habe keine Verkrümmung im Kreuz, aber im Auge. Doch mein Augenarzt bot mir eine Alternative: OP. Leibeigene Linsen raus, Laborlinsen rein. Das mit dem Grauen Star hätte sich dann auch erledigt.

Die OP gelang. Ambulant. Beide Augen auf einmal, am nächsten Tag brauchte ich meine Brille nicht mehr. Nie mehr! Welch' eine Erfahrung. Kein Beschlagen mehr, keine Nasendruckstellen, kein Nebel, kein Suchen! Morgens aufstehen und einfach loslaufen.

Doch bevor mein Augenarzt sein scharfes Messerchen an meine Linsen setzte, verpasste er mir noch eine Bittermedizin. Wenn ich zu viel am PC arbeiten würde, könne es sein, dass ich mit der Zeit kleine Schriften nicht mehr locker lesen könne.

Jetzt ist es so weit. Nach einem langen PC-Arbeitstag Kleingedrucktes wie ein Buch zu lesen, strengt an. Seufzend suche ich meine Brille, die ich nie wieder aufsetzen wollte, und lasse mir eine Lesebrille basteln. Und wo habe ich sie jetzt schon wieder hingelegt? Auf dem Kopf sitzt sie? Brille, du hast mich wieder.