Die alte Regel des Benediktinerordens ist Motto des Erntedankfests. Das Handwerk macht dabei auf seine Bedeutung aufmerksam

Heimfeld. Wie feiert man Erntedank in einer urbanen Gemeinde, einem städtischen Quartier, in dem höchstens noch die Tomaten auf dem Balkon als echte Ernte anzusehen sind und ansonsten die Supermärkte das ganze Jahr über alles vorhalten, was man brauchen könnte? Mit einem Sinnbild für das Ernten. Die Heimfelder Paulus-Gemeinde zitiert da eine alte Benediktinerregel. „Unserer Hände Arbeit“, lautet das Motto des Erntedankgottesdienstes am Sonntag, 6. Oktober, der gemeinsam mit dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA), der Handwerkskammer im Allgemeinen und dem backenden Handwerk im Besonderen veranstaltet wird.

Die komplette Benediktinerregel besagt, dass ein Mönch erst dann ein Mönch ist, wenn er von seiner Hände Arbeit lebt, wie Vorväter und Apostel. Damit wollten die Benediktiner erreichen, dass die Nonnen und Mönche nicht völlig vergeistigten, sondern auch einen Bezug zur realen Welt behielten. Heike Riemann vom KDA greift dieses Motto auf: „Der Mensch kann ja nur dann etwas Gutes schaffen, wenn er Kopf, Herz und Hand koordinieren kann“, sagt sie. „Dieses Zusammenspiel geht oft verloren, unter anderem weil die Arbeit mit der Hand weniger wertgeschätzt wird, als die mit dem Kopf. Wir wollen deshalb auch der Frage nachgehen, was einen Beruf zu einem ehrenwerten macht.“

Konditormeister Dierk Eisenschmidt ist am Erntedankgottesdienst diesmal doppelt beteiligt: Zum Einen als Vetreter des backenden Handwerks, das nun schon zum zehnten Mal am Heimfelder Erntedank beteiligt ist und Brot und Trauben zum Abendmahl spendet und verteilt. Alle Harburger Innungsbäcker machen dabei mit. Zum anderen ist Dierk Eisenschmidt Harburgs Bezirkshandwerksmeister, also auch Interessenwahrer der Klempner, Frisöre, Fahrradmechaniker und allen anderen, die davon leben, ihre Hände einzusetzen, um Dinge zu erschaffen oder zu erhalten. Er ist gerne Handwerker und will sein Licht auch nicht unter den Scheffel stellen: „Oft fragen mich Leute, warum ich mit 73 Jahren noch in der Backstube stehe. Ob ich das nötig hätte. Darauf antworte ich: Nein, aber es macht mir Spaß und macht mich stolz.“

Diesen Stolz zu vermitteln, würde aber dem Handwerk nicht immer gelingen. „Bundesweit bleiben immer mehr Lehrstellen unbesetzt, weil die meisten Schüler heute Abitur machen und mit diesem Abschluss dann auch nur Kopfarbeit als ihre Zukunft sehen“, sagt Eisenschmidt. „In Hamburg stehen wir allerdings viel besser da, weil wir über mehrere Jahre eine gute Imagekampagne durchgeführt haben. Das Hamburger Handwerk konnte seine Lehrlingszahl in dem letzten Jahren sogar steigern.“

Sein Beruf, das Konditorhandwerk, sei besonders beliebt. „Das liegt daran, dass die Hotellerie und die Kreuzfahrtbranche händeringend Pattisseure suchen. Das spricht sich auch zu Jugendlichen herum. Wir haben auf eine Lehrstelle derzeit 20 Bewerber.“

Dennoch kennt auch er Situationen geringer Wertschätzung: „Wenn einer eine Tüte voller Franzbrötchen in der Hand hält und dann über den Preis von drei Euro schimpft, ist es schwer, höflich zu bleiben.“

Auch Pastor Frank-Ulrich Schoeneberg ärgert es immer wieder, dass viele Leute, wenn sie vom Handwerk sprechen, zuerst über den Preis meckern. „Ich kann doch nicht ernsthaft erwarten, dass mir jemand für zehn Euro die Haare schneidet oder das Bad fliest“, sagt der Pastor, „vor allem dann nicht, wenn ich für meine eigene Arbeit wie selbstverständlich eine anständige Bezahlung einfordere.“

Einfordern möchte Schoeneberg in seiner Predigt den Respekt vor allen, die arbeiten. Der Erntedankgottesdienst in der St.-Paulus-Kirche am Alten Postweg beginnt um 9.30 Uhr. Der Harburger Gospelchor begleitet die Lithurgie musikalisch. Im Anschluss gibt es Kaffee, Kuchen und Schmalzbrot.