Weder Räume noch öffentliche Flächen sind für Harburgs alternative Kunstszene problemlos zu bekommen

Harburg. Bislang fristet der Kulturbeirat des Stadtbezirks eher ein Schattendasein. Zwar ist er mit dem Segen der Bezirksversammlung als beratendes Gremium offiziell anerkannt, kommt in dieser Eigenschaft aber nur selten zum Zuge. „Die Art, wie wir wahrgenommen werden, stinkt uns gewaltig“, sagt Beiratssprecher Heiko Langanke. Und will deshalb jetzt einen neuen Vorstoß wagen, den Kreativen Harburgs endlich Geltung und Gehör zu verschaffen.

Eine neue Chance dazu bietet sich am Montag, 7. Oktober. Dann steht im Raum 118 des Rathauses die nächste Sitzung des hiesigen Kulturausschusses an. „Kulturbeirat – Informationen/Anregungen“ heißt es unter Tagesordnungspunkt 10. Das gibt an sich Anlass zu einigem Optimismus. Doch stand der Beirat in der Vergangenheit schon des öfteren als Thema auf der Agenda, ohne dass am Ende auch Zählbares dabei herausgekommen wäre.

„Damit muss jetzt endlich Schluss sein“, findet Langanke. „Warum funktioniert so etwas im Norden der Stadt seit Jahren sehr gut, nur im Süden nicht“, fragt der SuedKultur-Initiator. Allzu oft würden Kulturschaffende hier nur ein müdes Lächeln ernten, wenn sie um Hilfe nachsuchten. „Es ist doch eine Tatsache: Erfolgreiche Projekte wie die Falckenberg-Sammlung oder Musikklubs sind auf private Initiative hin entstanden. Wo sich aber die Politik eingemischt hat, sind Projekte entweder extrem verzögert worden oder gänzlich gescheitert.“

Als exemplarisches Beispiel für die mangelnde Unterstützung sieht Langanke die bis heute mehr oder weniger erfolglose Suche nach Räumlichkeiten und Flächen für alternative Stadtteilkultur. Zwar hat es bereits im Juni 2011 einen entsprechenden Antrag seitens der SPD-Fraktion gegeben. Darin wurde das Bezirksamt aufgefordert zu klären, „welche leer stehenden Gebäude oder Areale für Kultur- und Kreativwirtschaft geeignet sind“. Schließlich sei da ein großes Potenzial an gut ausgebildeten jungen Menschen, „die sich mit mit wenigen finanziellen Mitteln, aber hohem zeitlichen und persönlichen Engagement und Experimentierfreudigkeit für ihr Projekt und/oder Start-Up einsetzen und sich stark damit identifizieren“.

Das las sich gut, entfaltete aber kaum Wirkung. Immerhin listete das Fachamt für Sozialraummanagement in einer Vorlage für die Kulturausschusssitzung am 5. März 2012 ein Dutzend möglicher Objekte für Kulturzwecke auf, schloss das Gros aber sofort wieder aus verschiedenen Gründen aus. Am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben ist die Endlosdiskussion um die Nachnutzung der ehemaligen Polizeiwache in der Nöldekestraße 17.

Wie eine Bankrotterklärung mutet jetzt die neue Vorlage des Bezirksamts zum Thema für die Ausschusssitzung am kommenden Montag an. Unter der Überschrift „Abschlussbericht“ wird nun nur noch auf zwei Objekte Bezug genommen. Nicht ganz überraschend werden die kreativen jungen Leute auch hier nicht zum Zuge kommen. Während die Räume in der Hans-Fitze-Straße 1 („Hans-Fitze-Haus“) dem Projekt „Treffpunkt, Jobbörse und aufsuchende Sozialarbeit in Harburg“ samt Trinkertreff zugeschlagen wurden, ging die ehemalige Polizeiwache an einen privaten Investor. Der aber zumindest eine Teilnutzung für Musikprojekte in Aussicht stellte. Im Übrigen empfahl Sozialdezernent Holger Stuhlmann den SPD-Antrag damit „für erledigt zu erklären“.

Nicht viel besser sieht es hinsichtlich der Nutzung öffentlicher Flächen für nichtkommerzielle Musik- und Kulturveranstaltungen aus. „Obwohl der Bezirk Harburg von der Ausdehnung her nicht so klein ist, gibt es viel zu wenig Plätze für alternative Stadtteilkultur“, stellte Gerrit Mencke von den Organisatoren des Festivals „Keine Knete – trotzdem Fete“ ehedem fest. Sehr erfolgreich hatte die „KKTF“-Crew mehrere Jahre die Freilichtbühne im Harburger Stadtpark bespielt. Bis protestierende Anwohner dafür sorgten, dass das multikulturelle Fest ans Heimfelder Radeland vertrieben wurde.

Auch die Organisatoren anderer alternativer Kulturveranstaltungen wie die des Elektro-Konzerts „Freilicht“ können ein traurig Lied von der rigiden Genehmigungspraxis durch das Harburger Bezirksamt singen. Während tradierte Feste wie das Vogelschießen oder Massenevents wie der Evangelische Kirchentag tagelang auf dem Schwarzenberg-Festplatz lärmen dürfen, muss Harburgs unabhängige, kreative Kulturszene sehen, wo sie bleibt.

„Ob nun Open-Air-Konzerte oder Freiluft-Kino, südlich der Elbe so etwas zu organisieren, bleibt überaus schwierig“, konstatiert denn auch Rieckhof-Chef Jörn Hansen. Politik und Verwaltung für die Bedürfnisse der Kulturschaffenden zu sensibilisieren, sei ein äußerst zäher Prozess. Dabei könne der Stadtbezirk laut Heiko Langanke deutlich mehr kreative Angebote vertragen: „Eine gesunde Streetkultur fehlt hier doch völlig.“

Die „SuedKultur MusikNight“ am Wahlwochenende hat mit seinen 4000 Besuchern in 15 Klubs gerade erst wieder bewiesen, wie groß die Nachfrage nach lokalen Kulturveranstaltungen in Harburg tatsächlich ist. Langanke: „Das können Politik und Verwaltung nicht länger ignorieren. Es ist höchste Zeit, dass sie uns endlich ernsthaft unterstützen und Substanzielles passiert.“