Andreas Gensch will eine Minibahn durch Lüneburg fahren lassen. Die notwendigen Genehmigungen stehen noch aus

Lüneburg. Die Stadt schreit auf. Per Minibahn statt Kutsche will der alteingesessene Anbieter von Lüneburger Stadtrundfahrten seine Touren ab der nächsten Saison anbieten. Dann sollen nicht mehr Kaltblüter über den Kopfstein zuckeln, sondern eine Wegebahn über den Stein surren. Jetzt läuft die Debatte: zwischen unternehmerischer Freiheit auf der einen Seite und historischem Flair auf der anderen.

Zu aufwendig und zu teuer seien die Kutschfahrten, argumentiert Firmenchef Andreas Gensch. Er muss die Pferde von Mechtersen nach Lüneburg karren, außerdem können die Kaltblüter nicht unendlich viele Runden pro Tag drehen – eine Solarbahn schon. Kutschfahrten will er nur noch in Ausnahmefällen anbieten, etwa bei den Sülfmeistertagen oder Hochzeiten.

Hieß es vor ein paar Jahren von ein paar Leuten noch, die Hufe der Pferde würden das historische Kopfsteinpflaster zerstören und die Pferde sollten doch bitte Puschen tragen wie ihre Artgenossen in Wien, will von dieser Kritik offensichtlich niemand mehr etwas wissen. Der Bürgerverein hatte sich damals dramatisch an die Stadt gewandt: nicht auszudenken, was wäre, wenn ein Granitsplitter ein Kind am Kopf träfe, beschrieb der Vorsitzende das Bedrohungsszenario durch die Hufe.

Damals verteidigte das Rathaus die Kaltblüter, die Kutschen und ihren Betreiber: Sie passten zum Flair der Stadt – verbieten wolle man sie auf keinen Fall, nur weil vielleicht hin und wieder ein Stein im Pflaster ausgewechselt werden müsse. Mittlerweile hat der Bürgerverein seine Meinung geändert – und ist für die Kutschen und gegen die Bahn.

Der Unternehmer habe einen Anspruch darauf, dass ihm der Betrieb genehmigt würde – wenn keine sachlichen Gründe dagegen sprechen. So klang es im Frühjahr von Seiten der Stadtverwaltung.

Einige Monate später betont der zuständige Dezernent, das Rathaus könne gar keine Entscheidung über die regelmäßigen Touren treffen: „Ob Herr Gensch eine Genehmigung zum Betrieb einer Wege-Solarbahn bekommt, entscheidet für die Stadtrundfahrten allein die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG)“, sagt Markus Moßmann. „Hierbei handelt es sich um so genannten Linienverkehr. Wir als Hansestadt Lüneburg werden in diesem Verfahren angehört und haben die Möglichkeit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.“ Selbst genehmigen muss respektive darf die Stadt nur Ausflugsfahrten oder einzelne Touren für den Transport von Gästen.

Jetzt sollen auf einmal doch alle etwas dazu sagen dürfen – von den Stadtführern über die Händler und Gastronomen bis zur Politik. „Wir werden vom Anhörungsrecht gegenüber der LNVG Gebrauch machen und den in unserer eigenen Zuständigkeit liegenden Antrag sorgfältig prüfen“, sagt Moßmann – wohl als Reaktion auf die starke Kritik bei einer Infoveranstaltung für die Bürger. „Bevor wir eine Stellungnahme abgeben und die in unserer Zuständigkeit liegende Entscheidung treffen, werden wir intensiv Verbänden und Vereine beteiligen und die Politik einbinden.“ Das klingt ganz anders als der Anspruch auf Genehmigung vor einigen Monaten.

Und jetzt geht es richtig los: Laut Gesetz angehört werden müssen ohnehin Gewerbeaufsichtsamt, Industrie- und Handelskammer, Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen, Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung und Gewerkschaft. Darüber hinaus schreibt die Stadt nach eigenen Angaben „verschiedene andere Organisationen und Gruppen“ an mit der Bitte um eine schriftliche Stellungnahme: zum Beispiel den Arbeitskreis Lüneburger Altstadt (ALA), den Verein der Stadtführer, den Bürgerverein, den Behindertenbeirat, den Seniorenbeirat und den Lüneburg City Management e.V. (LCM).

Die Antworten wolle man berücksichtigen, so Moßmann. Außerdem will die Verwaltung ihre Haltung nicht alleine formulieren, sondern in den Gremien diskutieren. „Nach dieser politischen Beratung schicken wir dann unsere Stellungnahme an die Nahverkehrsgesellschaft.“ Eine Forderung zum Beispiel habe das Rathaus bereits: Die Bahn dürfe nicht mit Werbung beklebt werden. Außerdem müsse man „sorgfältig prüfen“, ob für die Fußgängerzone und die verkehrsberuhigten Bereiche überhaupt eine uneingeschränkte Ausnahmegenehmigung nach der Straßenverkehrsordnung uneingeschränkt erteilt werden könne.

Moßmann: „Wir haben schon jetzt an Samstagen erhebliche Verkehrsprobleme wegen des hohen Verkehrsaufkommens zum Beispiel in den Bereichen An den Brodbänken und Am Ochsenmarkt. Ob dort zukünftig eine Wegebahn fahren kann, während die Stadtbusse schon umgeleitet werden, ist zumindest in Frage zu stellen. Gleiches gilt für die engen Gassen der westlichen Altstadt, des Innenstadtkerns und des Stints. Neben den Verkehrsaspekten werden auch stadtbildpflegerische und kulturelle Gesichtspunkte in unsere Stellungnahme einfließen.“

Und damit endet die Regulierung der unternehmerischen Pläne nicht. Denn es greift das Personenbeförderungsgesetz. Gensch muss für die Bahn eine Ausnahmeerlaubnis nach der Straßenverkehrszulassungsordnung beantragen, erklärt die Stadtverwaltung. „Es sind also einige Bundesgesetze, die das weitere Verfahren vorgeben und mit denen wir uns rechtlich korrekt auseinandersetzen müssen.“

Das Rathaus hat vorsorglich eine Fristverlängerung bei der Landesnahverkehrsgesellschaft beantragt. Denn die ist es, die am Ende über den Plan des Unternehmers entscheidet.