Die Autorin Nala Martin lebt mit ihrer Familie im Rosengarten. Kürzlich hat sie ihren zweiten Roman aus der SM-Szene veröffentlicht

Tötensen. Wer Nala Martin in ihrem beschaulichen Eigenheim in Tötensen besucht, der stolpert im Garten über heruntergefallene Äpfel, erblickt eine Sandkiste und eine Kinderrutsche und staunt über die schlichten Waschbetonplatten auf der Veranda – ein Hauch von bürgerlicher Familienidylle umweht das am Ende einer Sackgasse gelegene Grundstück, auf dem die Autorin – und professionelle Domina – mit ihrem Verlobten, zwei Kindern und drei Katzen lebt.

Das „Studio“ in Hamburg, wo die Autorin immer noch dem Gewerbe der Domina nachgeht, ist weit weg. Aber in der Phantasie mancher Nachbarn ist es ganz nah. Der nach dem Weg befragte Anwohner, der mit seinen Rottweiler Gassi geht, ist über Nala Martins Profession gut informiert – auch wo „die Domina“ wohnt, weiß er ganz genau. Was er von den einschlägigen Praktiken hält, verrät der alte Herr mit einem spitzbübischen Lächeln gerne: „SM? Wissen Sie, ich bin jetzt 71 – mein Fall ist das nicht.“ Der Fall von Millionen Lesern schon, zumindest in der Phantasie – das lässt jedenfalls der grandiose Erfolg des Bestsellers „Shades of Grey“ vermuten, der nicht zuletzt wegen der darin geschilderten SM-Praktiken zu einem Riesenerfolg avancierte.

Die Hausherrin trägt Jeans, Holzschuhe mit Püscheln, einen dunkelblauen Pullover mit weißen Kragen. Sie begrüßt den Besucher mit einem überraschend sanften Händedruck. Nala Martin ist offen, unkompliziert und gehört zu dem Menschenschlag, mit dem man schnell ins Gespräch kommt. Beim Plaudern wirkt sie bisweilen wie die ältere Schwester von Pop-Sternchen Lena Meyer-Landrut. Sie redet viel und gerne: „Das war schon als Teenager in der Schule so.“

Nala ist 33 Jahre alt und gehört in der SM-Szene zum alten Eisen, wie sie sagt. Zugang zu der Szene fand die Österreicherin durch ihren damaligen Freund. Der hatte zuhause Gerten. „Ich dachte: Toll, der reitet gerne, mag Pferde“, sagt Nala. Sie wollte ihn überraschen und organisierte zwei Reitpferde für einen Ausflug. „Als er die sah, fiel er aus allen Wolken und sagte: ‚Du, ich muss dir was erklären: Ich bin SMler.’“

Heute ist Nala Martin SMlerin, Mutter, Verlobte und Domina mit reichlich Berufspraxis, die sich die gebürtige Wienerin neben ihrem Informatik-Studium erworben hat. „Obwohl ich als Domina arbeite, stehe ich privat nicht ständig mit der Peitsche am Bett“, stellt sie klar, „das ist nur mein Job“ – einer von vielen übrigens: Sie erstellt Datenbanken, ist Fotografin – und Autorin. Vor dem Erscheinen ihres Debütromans „Safeword“ und der Fortsetzung „Panic Snap“ hat sie Kurzgeschichten geschrieben – für ein SM-Fachmagazin.

In ihren Werken geht es ordentlich zur Sache: Alles realistisch, betont Nala Martin, vieles habe sie selbst erlebt oder von Kolleginnen gehört. Die Mehrzahl ihrer Kunden ist zwischen 40 und 65 Jahre alt – Dominas sind meist deutlich jünger: „Es gibt zwar auch 60-Jährige“, aber das sei die Ausnahme: „Die passen nicht mehr ins Beuteschema der Kundschaft“, erklärt Nala, „wer ins Studio geht, will keine Frau, die so alt ist wie die eigene.“ Dass die meisten Männer älter sind, stört die Sexarbeiterin nicht: „Die Herren ab 35 sind stilvoller, nehmen sich mehr Zeit, stellen sich zunächst vor und reden gerne. Da ist immer auch ein bisschen Gesprächstherapie dabei.“ Passiert ist der Domina bei ihren Sessions nie etwas. Die schlimmste Verletzung: ein abgebrochener Fingernagel. „Ich habe immer nur Sachen gemacht, die ich verantworten konnte“, sagt Nala und zupft noch eine „R1“ aus der Packung.

Heute bedient sie nur noch Stammkunden. Neuanfragen wehrt sie ab, obwohl das Geschäft einträglich ist. Der Stundensatz einer Domina liegt zwischen 150 und 700 Euro. Wie viel sie nimmt, verrät Nala nicht. Was aber sagt ihr Umfeld zu ihrer Arbeit als Domina und Autorin? „Die meisten meiner ehemaligen Mitschüler finden das cool, besonders die Frauen sind verliebt in meine Bücher.“ Sind die angefixt? „Das will ich gar nicht so genau wissen.“ Frauen seien meist offener, Männer experimentierfreudiger. „Sie haken anders nach, sagen zu ihrer Partnerin beispielsweise: ‚Du Schatz, stell dir mal vor, der hat das und das gemacht.“ Ihre Eltern hätten sie stets unterstützt, auch die meisten Nachbarn reagieren „total entspannt, sie verstehen, dass die Tätigkeit als Domina nur eine Facette meiner Persönlichkeit ist“, sagt Nala Martin.

Ihre Zukunft als Autorin soll nicht monothematisch bleiben, sagt Nala. Ihr „Nickname“ ist übrigens eine Referenz an die kleine Löwin, die Freundin von Simba, aus dem Musical „König der Löwen“. Zurzeit plant die studierte Informatikerin ein Buch über Menschen, die an der Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose leiden. Ob sich die SM-Romanfolge zu einer Trilogie auswächst, lässt sie offen: „Mal sehen.“ Denn: „Trends enden irgendwann.“ Es sei zwar spannend zu beobachten, wie manche Themen hochpoppen, dem Vampir-Hype sei nahtlos der SM-Hype gefolgt, sagt die Autorin und gesteht, dass sie davon profitiert habe: „Mein Buch ist aber härter als ‚Shades of Grey’. Auch der Reiz für Leser ist größer, weil es viele Orte, die ich beschreibe, wirklich gibt.“ Den Wilseder Berg zum Beispiel, den sie etwas despektierlich „Huckel“ nennt.

Zum Abschied bitte noch ein Foto, am besten zusammen mit einer Katze. Doch dann die Überraschung: Püsel, Pauli und Ares – in der griechischen Mythologie der Gott des Krieges – gehorchen auch der Domina nicht. Erst als sie die Tiere mit einer Scheibe Wurst lockt, lassen sich wenigstens Püsel und Pauli blicken …