Heidepflege tötet möglicherweise Reptilien. Naturschützer wollen das sogenannte schoppern verhindern

Winsen. „Durch die Heidepflege werden Tierarten, die unter Naturschutz stehen, wie Zauneidechsen und Schlingnattern, vernichtet“, sagt Doktor Klaus Hamann. Als Vertreter des Naturschutzes sitzt er im Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz. Mit der Heidepflege betreut ist der Verein Naturschutzpark Lüneburger Heide (VNP). Geschäftsführer Mathias Zimmermann verteidigt die Maßnahmen: „Die Tiere leben an sogenannten Hotspots. Diese sind bekannt und dort wird die Heidepflege besonders vorsichtig vorgenommen.“

Damit die Heide nicht langsam wieder zu Wald und Wiese wird, müssen die Flächen regelmäßig von der sogenannten Rohhumusschicht befreit werden. Diese hat sich seit dem Ende der Heidebauern, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, gebildet. „Gegen die Vergrasung können wir nicht nur schonenden Methoden wie Heidschnucken einsetzen, die Rohhumusschicht muss abegtragen werden“, erklärt der VNP-Geschäftsführer. Das geschieht beim sogenannten Schoppern. Eine spezielle Maschine kürzt die Pflanzen und trägt gleichzeitig die obere Erdschicht ab. „Diese Methode schont den Boden besonders“, erklärt Zimmermann.

In der Heide leben jedoch seltene Tierarten wie die Zauneidechse. „Diese Eidechsenart lebt nur im Ökosystem Heide und steht laut EU-FFH-Richtlinien unter Naturschutz“; sagt Naturschützer Klaus Hamann. FFH steht für Flora-Fauna-Habitat. Das Ziel der EU-Richtlinie ist, wild lebende Arten, ihre Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern. „Niedersachsen hat die Hauptverantwortung für die Zauneidechse. Hier kommt sie am häufigsten in ganz Deutschland vor“, so Hamann, „beim Schoppern wird sie und auch die Schlingnatter flächig zerhackt.“ Er will jetzt bei der EU Beschwerde einlegen und sieht außerdem einen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz. „Außerdem prüfen einige Amphibien- und Reptilienfreunde, ob sie Strafanzeige stellen“, sagt er.

VNP-Geschäftsführer Mathias Zimmermann sieht in der Heidepflege keine Gefahr für bedrohte Tierarten. „Im Winterhalbjahr verharren die wechselwarmen Tiere in Bodenschichten, die wir beim Schoppern in der Regel nicht anschneiden“, sagt er. Zudem verweist er auf die Hotspots. Das seien Zonen, in denen die Tiere in hoher Anzahl vorkämen. Hier würde die Heide besonders sorgsam gepflegt, beispielsweise mit Heidschnucken.

Auch Heideranger Jan Bruckmann kennt diese Hotspots. „Zum Vorkommen der Zauneidechsen und Schlingennattern gibt es Untersuchungen, die belegen, dass sie in einigen Gebieten gehäuft zu finden sind“, sagt er. Dort werde in der Regel auch keine Heidepflege vorgenommen. Wo sich die Tiere ansiedelten, sei das Ökosystem intakt. „Ohne die Heidepflege würden diese Lebensräume über kurz oder lang verschwinden, darum sind Pflegemaßnahmen wichtig“, sagt der Biologe.

Die Tierarten stellen unterschiedliche Anforderungen an ihren Lebensraum

Auch Naturschützer Klaus Hamann spricht sich für den Einsatz gegen die Vergrasung der Heide aus. „Doch vor dem Schoppern müssen die Tiere abgesammelt und umgesetzt werden“, sagt er. In der Fischbeker Heide werde das bereits praktiziert. „Zauneidechsen erweitern ihr Terretorium gerade einmal um 15 Meter pro Jahr. Ein Hektar ist also erst nach zehn Jahren wieder besiedelt, dann kommt in der Regel die nächste Pflegemaßnahme“, sagt Hamann. 5000 Euro würde es kosten einen Hektar Heide zu schoppern, 400 Euro zusätzlich die Tiere vorher abzusammeln.

Die Grünen und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) stehen hinter dem Naturschützer. „Wir sehen die Gefahr. Die Bearbeitungsmaßnahmen müssten auf die Tiere in der Heide abgestimmt werden“, sagt Kreistagsmitglied Elisabeth Bischoff (Grüne). Das großflächige Absammeln der Tiere scheitere jedoch an den Kosten. Ingo Wolde vom BUND in Buchholz ist grundsätzlich für die Heidepflege. Jedoch nur, wenn gefährdete Tiere vorher abgesammelt werden. „Es muss gewährleistet sein, dass gefährdete Tierarten in größtmöglichem Umfang erhalten werden“, sagt er.

Mathias Zimmermann vom VNP weist auf die Artenvielfalt der Heide und die damit verbundenen Anforderungen an seinen Verein hin. „Wir können uns nicht auf ein oder zwei Tierarten beschränken, die wir schützen“, sagt er. Die verschiedenen Arten würden verschiedenste Anforderungen an ihren Lebensraum stellen. „Die regelmäßige Kürzung der Heide ist für bodenbrütende Vögel überlebenswichtig“, sagt er, „wir entwickeln unser Pflegemanagement ständig weiter.“

Auch der Landkreis, der den VNP jährlich mit 50.000 Euro unterstützt, sieht bisher keinen Handlungsbedarf. „In der Lüneburger Heide haben wir keine so große Artendichte, außerdem garantiert auch das Aufsammeln und Umsetzen der Tiere nicht, dass sie dem Schoppern nicht zum Opfer fallen“, sagt Johannes Freudewald. Trotzdem wolle der Kreis prüfen, inwieweit die Heide schonender gepflegt werden könne.