Anwohner in Neuenfelde und Rübke leiden unter Lkw-Verkehr. Eine seit 1970 geplante Trasse könnte die Dörfer entlasten

Rübke/Neuenfelde. Die Einwohner von Rübke fürchten eine massive Zunahme des Lkw-Verkehrs, sollte erst einmal die A26 bis zu ihrem Ort führen. Die Einwohner Neuenfeldes stöhnen jetzt schon unter dem Lastverkehr. Die Ortsumgehungen von Neu Wulmstorf und Finkenwerder bescheren den beiden dazwischenliegenden Dörfern reichlich Lärm (wir berichteten). Während für das niedersächsische Rübke eine Ortsumgehung geplant ist, liegt so etwas für das hamburgische Neuenfelde nicht an. Dabei gibt es längst – seit Jahrzehnten – eine Planung dafür.

Unter dem Eindruck der Sturmflut von 1962 wurde eine breite, hoch gelegene Straße durch die Obstmarschen entworfen, auf der Neuenfelde im Falle eines Deichbruchs schnell und sicher evakuiert werden könnte: Die Fluchttrasse. Schon seit 1970 ist sie im Bebauungsplan Neuenfelde 8 festgelegt. Allerdings möchte sie in Hamburg derzeit niemand verwirklichen. Das wiederum ärgert die SPD in Neu Wulmstorf, der Gemeinde, in der auch Rübke liegt.

„Eine zumindest teilweise Fertigstellung der Fluchttrasse würde uns die Umgehung von Rübke sehr viel einfacher machen“, argumentiert Thomas Grambow, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Gemeinderat Neu Wulmstorf. Die Fluchttrasse würde Rübke nämlich auf Hamburger Gebiet im Westen passieren. Das würde den Neu Wulmstorfern viele Vorteile bringen: Der Verkehr wäre noch etwas weiter von der Rübker Wohnbebauung weg, und wenn Hamburg die Fluchttrasse ohnehin bauen würde, müsste Neu Wulmstorf sie auch nicht bezahlen. Der größte Teil der Umgehung Rübkes wäre damit fertig.

In Hamburg denkt aber niemand daran, die Fluchttrasse zu bauen: „Der Bebauungsplan Neuenfelde 8 ist zwar bestehendes Planungsrecht und könnte jederzeit umgesetzt werden, aber wir lassen ihn ruhen“, sagt Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Harburger Bezirksversammlung. „Wir glauben, dass mit der Fluchttrasse mehr Probleme entstehen, als gelöst werden.“ Schon für die Finkenwerder Ortsumgehung und die A26 hätten die Hamburger Obstbauern Land abgeben müssen. Sie erhielten Ausgleichsflächen. „Das Fass müssten wir mit der Fluchttrasse noch einmal aufmachen“, sagt Heimath. „Außerdem würde mit der Straße eine vierspurige Rennstrecke durch die Obstmarschen entstehen, nur 100 Meter hinter den Wohnhäusern. Es ist fraglich, ob das jemand in Neuenfelde will.“

Ein Neuenfelder will es auf alle Fälle: Ernst Rehder, Anwohner des Marschkamper Deichs. Er ist genervt von etwa 200 Lkw täglich, die sich durch die relativ enge Dorfstraße drängeln. „Die Straßen reichen ja jetzt schon nicht mehr aus“, sagt er. „Wie soll das erst werden, wenn die A26 fertig ist und die ‚B3neu‘ auch noch Elstorf umgeht?“

Ähnliche Befürchtungen finden sich bereits im Bebauungsplantext von 1970: „Der Bau der Verbindungsstraße ist dringend erforderlich, da die vorhandenen Straßen dem zunehmenden Wirtschaftsverkehr im hafennahen Gebiet nicht mehr genügen und als Fluchtwege nicht ausreichen“, heißt es in der Planbegründung.

Allerdings sind mit der Fluchttrasse mehrere Probleme verbunden: An zwei Stellen schneidet sie durch die Neuenfelder Wohnbebauung: etwa 50 Meter westlich vom Nincoper Deich und noch einmal am Neuenfelder Fährdeich, wo sich unter anderem die Neuenfelder Moschee befindet. Thomas Grambow rät seinen Hamburger Genossen dennoch, die Fluchttrasse weiter zu planen. „Selbst wenn die A26 irgendwann bis zur A7 geht, ist ja nicht damit zu rechnen, dass der Verkehr im Alten Land abnimmt“, sagt er. „Es wird ja wohl kaum ein Lkw, der zu Airbus will, den Umweg über Waltershof fahren, zumal vor dem Elbtunnel immer Stau herrscht.“

Und wenn die A26 erst einmal bis Rübke ginge, würde die Abfahrt dort auch genutzt werden: „Ich glaube den Beteurungen nicht, dass die Abfahrt erst bei Anschluss an die A7 geöffnet wird“, sagt er. In Neuenfelde wird statt über die Fluchttrasse über ein Durchfahrverbot für Lkw nachgedacht. Und über eine kleine Lösung für das Rübker Problem ist man sich unter der Hand auch einig: „Man sagte uns, dass wir Rübke auf Hamburger Gebiet umgehen dürften“, sagt Grambow, „wenn wir das selbst bezahlen.“ So würde nicht Hamburg die Rübker Umgehung finanzieren, sondern Rübke einen Teil der Fluchttrasse – inklusive der Ausgleichsmaßnahmen.