Am Albert-Einstein-Gymnasium in Buchholz werden besonders talentierte Schüler gefördert

Buchholz. Mit dem Wechsel in die sechste Klasse ging es bei Swantje Nickelsen los. Auf einmal begann sie, sich im Unterricht zu langweilen. Sie hörte kaum noch zu, trotzdem konnte sie ihre guten Noten halten. Auf dem Zeugnis standen nur Einsen. Von ihren Lehrern wurde die Schülerin des Albert-Einstein-Gymnasiums (AEG) in Buchholz gefragt, ob sie nicht eine Klasse überspringen wolle. Swantje wollte, wechselte von der sechsten direkt in die achte Klasse und fand sofort Anschluss an den Unterrichtsstoff. Heute besucht die 15-Jährige die elfte Klasse und wird im kommenden Jahr Abitur machen.

Das Beispiel Swantje ist eines von vielen weiteren, wie das AEG besonders talentierte Kinder auffängt und weiter fördert. Andere Beispiele sind Paul Jezierska, 13, der bisher nur einmal eine Drei auf dem Zeugnis hatte und in Chemie und Biologie den Unterrichtsstoff sofort versteht, oder Rebekka Stahlhut, die schon im Alter von 13 Jahren begeistert Gedichte und Geschichten verfasst. Während in der öffentlichen Wahrnehmungen häufig eher lernschwache Kinder im Mittelpunkt stehen und diskutiert wird, wie sie den Anschluss an die Klasse halten können, richtet das Buchholzer Gymnasium auch den Blick auf die Hochbegabten. Etwas mehr als 100 Schüler nehmen insgesamt an der Begabtenförderung der Schule teil, neben dem AEG verfügt im Landkreis Harburg nur noch das Gymnasium Hittfeld über ein vergleichbares Angebot.

„Hochbegabt zu sein heißt nicht automatisch, ‚sehr gut‘ in der Schule zu sein“, steht auf der Internetseite des AEG. Häufig nutze ein Schüler sein Begabungspotenzial nicht und leiste weniger, als er eigentlich könnte. Ein Teufelskreis kommt in Gang: In der Schule gilt er als schwierig, er fällt durch sein Verhalten auf, wird isoliert, so dass letztlich der außerordentlich gute Schüler nur noch schlechte Noten erzielt. Das Begabtenförderungs-Programm will diese Spirale durchbrechen.

Seinen Anfang genommen hat das Ganze im Jahr 2000. „Damals hatten wir einen intensiven Gesprächskreis zwischen der Schule und den Eltern“, berichtet Ulrike Krahé, Vorsitzende der Elterninitiative Sprungbrett, die sich speziell um das Thema Hochbegabung kümmert. Sie stellten fest, dass die Eltern ihre Schüler oft völlig anders einschätzen als die Lehrer. Der Austausch wurde intensiviert, darüber hinaus gab es ab 2002 über das niedersächsische Kultusministerium einen Anstoß, den Anspruch begabter Kinder auf Förderung ins Schulgesetz zu verankern.

Das AEG ist seitdem vorsitzendes Mitglied eines der eingerichteten Kooperationsverbünde für Begabtenförderung, zu denen die Buchholzer Grundschule Wiesen-, Wald- und Heideschule gehören sowie die Grundschule Jesteburg, die Sonnenschule Bendestorf und das Montessori-Kinderhaus in Buchholz. Die Betreuungslehrerinnen Gundula Raabe und Kerstin Wöller sind verantwortlich für das Programm.

Zu den Aufgaben der Hochbegabtenförderung zählt nicht nur, das Überspringen einer Klasse zu ermöglichen wie im Falle Swantjes. Fast täglich gibt es am AEG in den siebten und achten Stunden außerdem Arbeitsgemeinschaften, etwa zur Mathematik-Olympiade, zu Fremdsprachendiplomen, Schach oder Astronomie. Schüler erhalten Langzeitaufgaben, parallel dazu läuft ein Tutorenprogramm ausschließlich für empfohlene Kinder, das unter anderem Soziales vermitteln soll. „Sie sollen das Lernen nicht verlernen und sich Herausforderungen stellen“, drückt es Gundula Raabe aus. „Auch Begabte müssen wie die anderen Hausaufgaben machen“, fügt Ulrike Krahé hinzu. Sonst würden die Kinder zu Außenseitern werden. Wichtig für den Erfolg der Begabtenförderung sei außerdem, dass die Eltern gut mitarbeiten, betont Schulleiter Hans-Ludwig Hennig.

Hinzu kommt ein Problem, vor dem das AEG immer wieder steht. Wer sagt, welches Kind hochbegabt ist? Viele ehrgeizige Eltern würden unbedingt wollen, dass ihr Kind in das Programm aufgenommen werde, sagt Ulrike Krahé. Doch das sei nur über die Empfehlung der Lehrer möglich. „Manche Schüler müssen regelrecht vor ihren Eltern geschützt werden.“ Hinzu kommt ein anderer Aspekt: Während heute etwa 50 Prozent der Schüler eines Jahrgangs aufs Gymnasium wechseln, waren es früher weit weniger. Im Zuge dessen hat sich auch die Schülerschaft sehr verändert. Dass dadurch das Niveau gesunken ist, sagt zwar keiner der AEG-Lehrer direkt. Doch Ulrike Krahé drückt es so aus, dass man heute eben die Begabteren noch einmal extra fördern müsse.