Der Jurist holt für die SPD das Direktmandat im Wahlkreis 23. Auch Herlind Gundelach und Manuel Sarrazin in Berlin

Harburg. Ein Beamer projizierte am Wahlabend Prognosen, Ergebnisse und Hochrechnungen auf die Leinwand im Wehner-Haus der Harburger SPD an der Julius-Ludowig-Straße. Neben Kartoffelsalat und Würstchen gönnten sich die Genossen am aufgebauten Buffet auch Rotwein und Bier, um die angespannten Nerven halbwegs zu beruhigen. Als dann die ersten verlässlichen Prognosen über die Leinwand flimmerten machte sich aber erst einmal Ernüchterung breit. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die CDU mit über 40 Prozent weit vorn und die SPD mit einem mageren Stimmenzuwachs von nur 2,5 Prozent weit abgeschlagen, das drückte nicht nur auf die Stimmung, zuweilen auch auf den Magen.

Für etwas Heiterkeit sorgte schließlich die Prognose, dass die FDP wohl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde. Viele Minen hellten sich aber erst richtig auf, als kurz vor 20 Uhr Wahlkreis-Direktkandidat Metin Hakverdi eintraf, der vor seinem Besuch in Harburg noch in Bergedorf war. Arend Wiese, stellvertretender Kreisvorsitzender der Harburger Sozialdemokraten, begrüßte Hakverdi. Zu dem Zeitpunkt war bereits klar, dass er mit mehr als 40 Prozent der Erststimmen das Direktmandat für den Wahlkreis 23 Harburg-Wilhelmsburg-Bergedorf geholt hatte.

Damit hat der Bezirk Harburg wieder drei Abgeordneten in Berlin. Denn außer Hakverdi, haben auch Dr. Herlind Gundelach (CDU) und Manuel Sarrazin (Bündnis90/Die Grünen) den Sprung in die Bundeshauptstadt geschafft. „Das kann für Harburg nur gut sein“, sagt Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD). Schließlich habe der Bezirk neben vielen kleinen Projekten auch echte Dickschiffe zu bewegen: „Ich denke da nur an wichtige Infrastrukturprojekte wie den Ausbau der A26. Sie sind von überragender Bedeutung für die Region. Da kann es enorm wichtig sein, dass in Berlin Abgeordnete sitzen, die sich in der Materie auskennen.“ Gundelach zog über Platz3 auf der CDU-Landesliste in den Bundestag ein, für Sarrazin war es bis tief in die Nacht eine Zitterpartie, trotz Listenplatz2.

Mit seinem errungenen Direktmandat hat Hakverdi gezeigt, dass er die Wähler mit seinem Wahlkampf ansprechen und mobilisieren konnte. Der Jurist hat aber zudem bewiesen, dass er tatsächlich in der Lage ist, in die großen Fußstapfen seines Vorgängers Herbert Hans Ulrich Klose (SPD) zu treten. Mit seinem Ergebnis von 40,4 Prozent der Erststimmen schnitt Hakverdi sogar besser ab als Klose, der bei der Bundestagswahl vier Jahre zuvor 39,0 Prozent geholt hatte. „Einen sehr guten Wahlkampf“, bescheinigte ihm dem auch der Harburger SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Sören Schumacher.

„Sicher hat er aber auch vom neuen Zuschnitt der Hamburger Wahlkreise profitiert“, sagt Harburgs Fraktionschef Jürgen Heimath. Der Hakverdi unabhängig davon für seinen tollen Einsatz lobte, der sich in jedem Fall gelohnt habe. „Was er in den vergangenen Wochen geleistet hat, verdient allergrößten Respekt. Er musste sich südlich der Elbe ja erst einmal bekannt machen, dafür hat er ein bravouröses Ergebnis erzielt“, so Heimath.

Hakverdis Erfolg lässt den Graben im SPD-Kreisverband tiefer werden

Dabei war Hakverdis Kür zum Direktkandidaten im September 2012 überaus knapp und durchaus umstritten gewesen. Mit nur drei Stimmen Mehrheit konnte er sich seinerzeit gegen den SPD-Kreisvorsitzenden, Frank Richter, durchsetzen. Dennoch heimste der „Außenseiter“ einen Tag nach der Wahl viel Lob ein. Auch vom Kreischef: „Das ist für die Harburger SPD und für Metin Hakverdi ein überwältigendes Ergebnis“, sagt Richter.

Für die Partei sei es zum einen schön, den Wahlkreis erneut direkt gewonnen zu haben. Zum anderen mache dieses Resultat auch Mut für die Wahl der Harburger Bezirksversammlung im kommenden Jahr. „Die Bundestagswahl hat uns gezeigt, dass Harburg stabil sozialdemokratisch ist, und die SPD gute Chancen hat, auf Bezirksebene wieder stärkste Partei zu werden“, sagt Richter. Im Wahlkreis Harburg-Bergedorf-Wilhelmsburg holte die SPD nicht nur das Direktmandat, sondern liegt mit 35,1 Prozent der Zweitstimmen auch über dem Ergebnis der CDU, die 33,8 Prozent holte.

Was Richter nicht sagt: Hakverdis Erfolg hinterlässt parteiintern einen Graben, der die Harburger SPD noch tiefer spaltet. Denn viele Genossen hätten lieber ihn im Bundestagswahlkampf gesehen. Spätestens bei der nächsten Wahl des Kreisvorsitzenden Anfang 2014 dürfte sich zeigen, welches Lager dann das Sagen in der Harburger SPD hat.

Klar ist aber schon jetzt, dass die Harburger CDU eine historische Chance verpasst hat, zum ersten Mal in Harburg das Direktmandat zu holen. „Bei dem Wahlkampf, den Frau Gundelach gemacht hat, wäre sicher noch Luft nach oben gewesen“, kritisierte ein namhaftes Harburger CDU-Mitglied.

Harburgs Bezirksamtsleiter Thomas Völsch moniert unterdessen, dass es der SPD wieder nicht gelungen ist, den Erfolg in vielen Bundesländern auch auf die Bundesebene zu übersetzen. „Am Spitzenkandidaten Peer Steinbrück hat es nicht gelegen. Nach der krachenden Niederlage 2009 hat es die Sozialdemokratie einfach nicht geschafft, die wichtigen Themen in den Fokus zu rücken“, so Völsch. Hier hätten Frau Merkel und die Unionsparteien offenbar vieles richtig gemacht und ein „bombastisches Ergebnis“ eingefahren: „Die SPD muss die Situation jetzt nüchtern und sachlich analysieren, und zwar auf allen Ebenen.“