Abteilung Wasserwirtschaft des Bezirksamts Harburg informiert Anlieger über Renaturierungsmaßnahmen in dem Gewässer

Rönneburg/Meckelfeld. Dass es am Seevekanal mal eine Badeanstalt gab, ist Jens Brehm neu. Gespannt hört der Mitarbeiter der Abteilung Wasserwirtschaft im Bezirksamt Harburg zu, als Helmut Marquardt kurz vor der Hamburger Landesgrenze auf jene Stelle zeigt, an der er sich als Kind einst abkühlte.

„Schwimmen konnte man dort allerdings auch damals nicht“, sagt Marquardt. „Je nachdem, wie groß man war, ging einem das Wasser bis zum Bauch oder bis höchstens zur Brust. Und schlammig war es auch. Aber man konnte sich im Sommer abkühlen und es gab eine Liegewiese.“

Irgendwann in den 50er-Jahren sei die Badeanstalt dann verschwunden, berichtet Marquardt. Er ist als Anwohner zu der Radtour gekommen, die die Abteilung Wasserwirtschaft entlang des sechs Kilometer langen Kanals veranstaltet, um mit den Anliegern zusammen Ideen zur Renaturierung der Gewässer zu entwickeln. Zwei Ingenieure der beteiligten Planungsbüros sind ebenfalls dabei. Zum Abschluss gibt es eine Ideenwerkstatt im anliegenden Kleingartenverein „Bahnland“. Dessen Vorsitzender Karl-Heinz Fischer ist auch per Pedal dabei.

Viele Anwohner sind es gerade nicht, die mitradeln. Aber die Nachbarn, an denen Marquardt vorbeirollt, wissen um die Tour und scheinen ihn und Mit-Anwohner Peter Spott quasi delegiert zu haben. Auf alle Fälle sollen die beiden hinterher berichten, was denn nun geplant wird.

Über die Maßnahmen, die schon durchgeführt wurden, fühlen sich die Anwohner nämlich schlecht informiert. Deshalb hat Marquardt auch einige Fragen. Warum denn in den ohnehin schon flachen Kanal an einigen Stellen Kies geschüttet wurde und was die hölzernen Buhnen sollten, möchte er wissen.

„Die Buhnen sind als Schattenplätze für Fische gedacht“, erklärt Ingenieur Timm Geissler vom Büro Wasserland. „Damit sollte ein Ausgleich für die Schattenbereiche geschaffen werden, die beim Bau des Phoenix-Centers weggefallen sind. Es hat sich aber auch ein weiterer positiver Effekt eingestellt: Das Holz erweist sich als guter Nährboden für Unterwasser-Kleinlebewesen.“

Dafür sei an anderen Stellen auch schon Totholz in den Kanal eingebracht worden, sagt Geissler. „Und die Kiesbetten sind dazu da, die Fließgeschwindigkeit des relativ trägen Kanals an einigen Stellen zu verändern, damit sich eine größere Vielfalt an Lebensformen hier heimisch fühlen kann. Außerdem ist auch der Kies Lebensraum für Kleinstlebewesen.“

Auch, dass die Uferböschungen nicht mehr oder nur noch teilweise gemäht werden, verwundert die Anwohner. Doch Wassserwirtschaftler Brehm hat auch dafür eine Erklärung: „Insektenlarven, die im Wasser heranwachsen, brauchen am Ufer senkrechte Elemente an denen sie hochklettern können, um sich zu verpuppen.“

Der sechs Kilometer lange Seevekanal wurde im 16. Jahrhundert angelegt, um die Harburger Schlossmühle anzutreiben und den Festungsgraben zuverlässig mit Wasser zu füllen. Die nahe Süderelbe war dafür nicht geeignet, weil sie ein Tidegewässer ist.

Am Karnappwehr mündet der Kanal in den Binnenhafen. In Harburg passiert er das Phoenix-Center und die verbliebenen Betriebe der ehemaligen Phoenix selbst, den Bahnhof und die Siedlung Kanzlershof. Ab der Landesgrenze befinden sich an einem Ufer Kleingärten, am anderen noch Grünland. Demnächst soll hier ein großer Lkw-Parkplatz entstehen. Weiter kanalaufwärts verläuft das Gewässer durch Meckelfeld und hinter der Pulvermühle entlang bis zum Hörstener Wehr, wo er aus der Seeve gespeist wird.

Zur Umsetzung einer EU-Gewässerichtlinie soll der Kanal bis 2016 so naturnah, wie möglich gestaltet werden. Die Ideenwerkstatt und die Radtour sollten dabei die Beteiligung der Anwohner sicherstellen. „Vor allem, weil das ja ein länderübergreifendes Projekt ist“, sagt Ingenieur Geisler: „Zur Ideenwerkstatt kam deshalb auch ein Vertreter des Landkreises.“

Vor allem aber schuf die Ideenwerkstatt wohl Vertrauen. „Die Anwohner haben uns keine konkreten Wünsche mitgegeben“, sagt Geissler: „Wir sollen jetzt erst einmal planen und die Ideen dann vorstellen.“