Vorstufe der Lessingsstadtteilschule ist bis 2016 in mobilen Klassenräumen untergebracht. Sie sind niedriger, kleiner und etwas dunkler als normal üblich

Harburg. Sie müssen lange Zeit in einem Containerkomplex verbringen und ständig irgendwelche – oft als willkürlich und ungerecht empfundene – Aufgaben erfüllen, um nicht irgendwann herausgevotet zu werden. Das ist aber auch alles, was die 150 Vorstufen-Schüler der Lessing-Stadtteilschule Harburg mit den Kandidaten einer „Big-Brother“-Show gemeinsam haben. Denn im Gegensatz zum Fernsehsender nimmt die Stadtteilschule ihren Bildungsauftrag ernst und feilt an der geistigen Reife und der Faktenkompetenz ihrer „Kandidaten“.

Eigentlich sieht der Stadteilschulstandort, an dem die Klassen 9 bis 12 unterrichtet werden, fast aus, wie ein Schloss. Der gründerzeitliche Bau ist das ehemalige Harburger Mädchengymnasium und das sieht man ihm auch noch an. Direkt gegenüber der romantischen Freitreppe befinden sich derzeit allerdings ganz profane Container. Zwei Einheiten hoch, fünf tief und drei breit zusammengeschraubt beherbergen sie sechs Klassenräume. Die komplette Vorstufe der Stadtteilschule hat darin Platz. Das provisorische, in fröhlichem Bunt gehaltene Schulgebäude soll hier noch zweieinhalb Jahre stehen. Dann kommen nicht nur die Container weg. Die ganze Schule wird den Schwarzenberg verlassen und nach Wilstorf ans Hanhoopsfeld ziehen.

Das Hin und Her ist der Bildung der Stadtteilschulen geschuldet. In der zu Anfang „Stadtteilschule Harburg-Ost“ genannten Schule sind die ehemaligen Haupt- und Realschulen Sinstorf und Hanhoopsfeld sowie das Lessing-Aufbaugymnasium aufgegangen. Bis zum Schuljahr 2012/13 bestanden alle drei Schulstandorte noch. Nun sollen sie alle drei am Hanhoopsfeld zusammengefasst werden. Die Oberstufe der Stadtteilschule wird dann mit der des benachbarten Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums kooperieren. Um diesen Plan umzusetzen reicht es nicht, am Hanhoopsfeld einfach anzubauen. Immerhin müssen am Ende 1100 Schüler Platz finden.

„In den nächsten Wochen werden die Gebäude am Hanhoopsfeld abgerissen“, sagt Lessing-Schulleiter Rudolf Kauer, dann entstehe dort eine komplett neue Schule. 2016, so der Plan, soll in Wilstorf alles fertig sein. So lange müssen die Lessing-Schüler zusammenrücken. Auch im Container, wo ein Raum 50 Quadratmeter hat, statt der sonst üblichen 60. Wie finden sie das?

In der Klasse von Englischlehrer Sascha Kugler gehen die Meinungen auseinander: „Der Raum ist niedriger, als ein normaler Klassenraum“, sagt Mila, „deshalb fühle ich mich etwas eingeengt. Und das Smartboard kann auch nicht so hoch hängen. Oft muss ich zwischen meinen Mitschülern durchlinsen, um es zu sehen.“ Dabei wurde die interaktive Computertafel extra schon so hoch, wie möglich angebaut. Dafür wurde sogar der Kabelschacht in der Tafelwand angesägt.

Milas Mitschülerin Zelam beklagt sich derweil über die Fenster. „Das sind weniger, als in einem normalen Klassenraum“, sagt sie. „Dadurch lässt sich nicht so gut lüften“.

Andere Schüler sind zufrieden mit den Räumen. „Die sind nagelneu“, freut sich Edin, „deshalb sind die Räume auch nicht verschmutzt oder beschmiert. Das finde ich voll angenehm.“

„Gut ist auch, dass wir als kompletter Jahrgang die sechs Containerklassen für uns haben“, sagt Virginie. „So können wir uns alle kennenlernen. Die Vorstufenklassen sind nämlich komplett neu zusammengekommen. Und wir werden in der Studienstufe ja auch gemeinsame Kurse haben.“

Ganz für sich alleine haben die Vorstufenschüler die Container übrigens nicht. „Die Studienstufe hat ja keine Klassenverbände mehr“, sagt Rüdiger Corleis, Abteilungsleiter SekundarstufeII an der Lessing-Schule, „deren Kurse wandern durch die ganze Schule hierhin und dorthin, wo gerade Räume frei sind, weil eine Klasse im Fachraum unterrichtet wird oder Sport hat.“

Die Container aufzustellen hat eine Woche gedauert. „Das haben wir hautnah mitbekommen“, sagt Rudolf Kauer, „denn es geschah während der Vorbereitungskonferenzen für dieses Schuljahr. Es war schon spannend, zu sehen, wie die Lkw hier um die engen Kurven kamen.“ Vor der Lessing-Schule befindet sich nämlich keine Straße, sondern nur ein gewundener Fußweg.

Die Container einzurichten, dauerte eine weitere Woche. So schnell wird es mit der neuen Schule am Hanhoopsfeld nicht gehen. Aber wie stellte der Namenspatron der Lessing-Stadteilschule dereinst fest: „Der Langsamste, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert, geht noch immer geschwinder, als jener, der ohne Ziel umherirrt.“