Am Institut für Messtechnik entwickeln Professor Gerhard Matz und seine Mitarbeiter Geräte, die giftige Gase sichtbar machen. Die neueste Erfindung heißt Lubrisense und wird in der Automobilindustrie höchst erfolgreich bei der Messung von unverbranntem Öl im Abgas von Motoren eingesetzt. Teil 5 der Serie „Aus Harburg in die Welt“

Er ist einer der letzten seiner Art. Messtechniker – „das ist eine aussterbende Spezies an der TUHH“, sagt er. Ein paar Wochen bleiben ihm noch. Dann geht Prof. Gerhard Matz in den Ruhestand. Doch davon ist nicht viel zu spüren. Denn Matz steckt auch nach fast drei Jahrzehnten in Forschung und Lehre noch immer voller Ideen. Und deshalb kommt es für den 65-Jährigen auch gar nicht in Frage, sich gänzlich aus Forschung und Lehre herauszuziehen. Doch Matz ist mehr als „nur“ ein Professor an der Technischen Universität TUHH. Er ist zugleich Unternehmer und Gründer zahlreicher Firmen, an denen er zum Teil noch heute beteiligt ist. Die meisten Produkte haben den Sprung von Harburg in die Welt geschafft.

Dazu gehören zum Beispiel der Gefahrenstoffdetektorenarray, ein tragbares Analysegerät, das chemische Substanzen in kürzester Zeit in Luft, Boden und Wasser misst. Oder das Unternehmen Innosiris, das mit dem Online Partikelzähler Oilpas ein kompaktes, optisches System zur Erfassung der Anzahl und Form flüssigkeitsgetragener Partikel in Echtzeit ermöglicht. Auch der 3-D-Routescan, der in einer Forschungskooperation mit der Sick AG und der Gustav Seeland GmbH entwickelt wurde, geht auf Matz und sein Team zurück. Hier erzeugt ein Fahrzeug, ausgestattet mit neuester Lasertechnik und hochgenauen Bewegungssensoren, dreidimensionale Modelle der befahrenen Routen. Diese hochpräzise dreidimensionale Vermessung wird vor allem zur Planung im Schwerlasttransport eingesetzt.

Sein jüngstes „Baby“ – und vielleicht größter Stolz – ist die Firma Lubrisense, dessen Geschäftsführer Dr. Sven Krause ist. Das System mit eben diesem Namen ist ein höchst leistungsfähiges und vielseitiges Werkzeug für den Einsatz in Forschung und Entwicklung bei Motorenherstellern, Komponentenherstellern und Dienstleistern. Es wurde speziell für die hochdynamische Online-Messung von komplexen Gasgemischen an Verbrennungsmotoren ausgelegt.

„Gemessen wird unverbranntes Öl im Abgas von Motoren“, sagt Matz. „Wir können um den Faktor 100 schneller messen als herkömmliche Verfahren und damit kostbare Zeit im Motorenprüfstand sparen.“ Die Messtechnik hilft, die unvermeidliche Öl-Emission von Benzinern und Dieseln zu verringern. „Sie entsteht durch die Motortechnik: Der Zylinder, in dem sich der Kolben auf und ab bewegt, wird mit einem feinen Ölfilm geschmiert, um ihn zu den Kolbenringen abzudichten“, erklärt Matz. „Nach der Zündung im oberen Todpunkt des Zylinders schießt der Kolben nach unten und legt den Ölfilm frei. Die heißen Verbrennungsgase verdampfen das Öl, es wird mit ihnen in den Auspuff geführt.“ Das Messverfahren trägt dazu bei, dass Motoren entwickelt werden, die weniger Öl emittieren. Inzwischen sind die Geräte in ganz Europa, in den USA, Südamerika und Japan im Einsatz.

Angefangen hat alles vor 38 Jahren. Damals entwickelte Gerhard Matz in seiner Doktorarbeit eine Prüfmethode mit einem Massenspektrometer für das Vorhandensein von chemischen Kampfstoffen, das später als Spürfuchs bekannt wurde. Was mit giftigen Substanzen funktioniert, klappt auch mit allen anderen, dachte der Messtechniker. Und so machte sich Matz fortan auf die Suche nach noch besseren Techniken zur Identifizierung von gasförmigen Substanzen vor Ort.

Für die Feuerwehr wurden zwei Systeme entwickelt: Zum einen ein tragbares Gerät, dessen Sensoren nahezu alle giftigen Stoffklassen nachweisen können, beispielsweise Chlor oder Benzol. Mit diesen „Detektoren-Arrays“ sind mittlerweile viele Feuerwehren in der Nähe von Industriegebieten ausgestattet. Sehr viel leistungsfähiger sind die Geräte zur Fernerkennung durch Infrarotwellen, sogenannte Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometer (FTIR). Diese vermessen beispielsweise eine Abgaswolke Punkt für Punkt und identifizieren die enthaltenen Stoffe aufgrund des charakteristischen Musters, das sich im Unterschied zum Hintergrund ergibt. In einem angeschlossenen Computer werden alle Daten ausgewertet und zum Beispiel die natürlich vorkommenden Gase, deren Konzentration man nicht messen will, aussortiert. Das Besondere an dieser Technik: die automatische Identifikation der gefährlichen Gase über eine große Entfernung und die direkte bildliche Darstellung.

Das Messsystem aus Harburg wird auch zur Beobachtung von Vulkanen eingesetzt. Dabei gibt es zwei Zielrichtungen: Zum einen soll untersucht werden, in welchen Mengen die Schlote Gase aus der Unterwelt in die Luft schleudern und welche Auswirkungen das auf die Atmosphäre hat. Zum anderen erhoffen sich die Forscher aus dem Wissen über die Zusammensetzung der Gase Informationen über die Vorgänge im Inneren des Vulkans. In ferner Zukunft könnte die Analyse der Gase frühzeitig Aufschlüsse über potenzielle Vulkanausbrüche liefern.

Derzeit wird im Institut für Messtechnik an einem neuen Array gearbeitet. „DACHS“ heißt das Gerät, das in drei Jahren auf den Markt gehen soll. Das Forschungsvorhaben verspricht eine schnelle Vor-Ort-Analyse von toxischen Industriechemikalien und chemischen Kampfstoffen. Entwickelt werden soll ein handgetragenes Messsystem, das solche Gefahrenstoffe detektieren und identifizieren kann.

Gerhard Matz verfolgt diese Entwicklung mit Wohlwollen. Er ist sich sicher, dass das Gerät eine Innovation wird, die viele Abnehmer finden wird. Doch selbst, wenn eine Idee sich als Sache nicht auf dem Markt behauptet, so sieht Matz sie als Erfolg. „Es geht in der Forschung nicht unbedingt darum, mit einem Produkt schnell viel Geld zu verdienen“, sagt er. „Es geht darum, dass gute Ideen verfolgt werden, sie wachsen und gedeihen.“ Und weil ihm genau das am Herzen liegt, wird er auch künftig als Ruheständler in Sachen Innovationen unterwegs sein. Im kommenden Jahr soll es im Innovative Center of Green Technologies bei der TUTech hinsichtlich Forschung und Entwicklung weitergehen. Und dann wären da noch fünf Doktoranden zu betreuen. Rund 20 waren es in seiner Professoren-Laufbahn insgesamt. Sie übrigens sind sein größter Stolz. Denn schließlich sind es diese Menschen, die ihre Forschungsfelder von der TUHH hinausgetragen haben und dafür sorgen, dass die Welt nach Harburg blickt.