Hamburg sucht dringend Flächen für Flüchtlingsquartiere. Insgesamt fehlen Unterkünfte für 1900 Menschen

Harburg. Bis zu 5000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien erwartet Deutschland in den kommenden Wochen. Das stellt die einzelnen Bundesländer vor erhebliche Probleme. Geeignete Unterkünfte stehen bei weitem nicht in jenem Umfang zur Verfügung, wie sie benötigt werden. Das gilt auch und gerade für Hamburg. „Quartiere für etwa 1900 Menschen werden kurzfristig gebraucht. Eine Lenkungsgruppe der Sozialbehörde unter Leitung des Bundesamts für Migration arbeitet mit Hochdruck daran, dieses Problem zu lösen“, sagt Christiane Schröder, Sprecherin von fördern & wohnen (f & w), einem sozialen Dienstleistungsunternehmen der Stadt.

In dieser Funktion ist f & w mit rund 800 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 70 Millionen Euro auch zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber. Hamburgweit betreibt das Unternehmen insgesamt 65 Unterkünfte, die aber zumeist ausgelastet sind. Aktuell gewährt die Hansestadt 6200 Flüchtlingen, Asylbewerbern und so genannten Wohnberechtigten Ausländern Zuflucht. Gut ein Zehntel von ihnen lebt im Bezirk Harburg.

Wie schwierig es auch südlich der Elbe ist, geeignete Unterkünfte zu akquirieren, bewies zuletzt erst wieder die Wohnanlage Lewenwerder in Neuland. Im Vorfeld hatte es zum Teil heftige Anliegerproteste gegeben. Argumentiert wurde mit den schlechten Erfahrungen rund um ein früheres Asylbewerberheim. Es habe Vandalismus, Diebstähle und gezielte Sachbeschädigung gegeben, so die Wortführer seinerzeit.

Inzwischen steht die neue Anlage in Lewenwerder für 110 Menschen. Und gilt als gelungenes Beispiel für solcherart Quartiere. Entstanden sind sechs zweigeschossige Wohnhäuser mit insgesamt 22 Wohneinheiten. „Sie sind besonders gut für die Unterbringung von Familien geeignet, da sie für jede Familie eine abgeschlossene Wohnung bietet, mit drei oder vier Zimmern, Küche und Sanitärräumen“, sagt Rembert Vaerst, Geschäftsführer f & w. Das sei ein gutes und familiengerechtes Wohnangebot und eine deutlich sozialverträglichere Form der Unterbringung als in den bisherigen Gemeinschaftsunterkünften.

Einziger Haken: Für dieserart Anlagen in flexibler Modulbauweise, die vor Ort rasch zusammengefügt und ebenso schnell wieder demontiert werden können, muss es auch geeignete Flächen geben, die längerfristig verfügbar sind. Selbst die Nutzungsdauer für das Musterquartier Lewenwerder, dessen Erstellung insgesamt 2,2 Millionen Euro gekostet hat, ist begrenzt. Wegen einer geplanten gewerblichen Nutzung soll sie Ende April 2016 enden.

Doch selbst Areale auf ehemaligen Recyclinghöfen sind nicht ohne weiteres verfügbar. So hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG) erst Mitte Juni dieses Jahres ein Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt, wonach die Befreiung einer Gewerbefläche am Offakamp in Lokstedt für eine Wohnnutzung nicht zulässig ist. Hier wollte fördern & wohnen für zwei Jahre eine Wohncontaineranlage mit 80 Plätzen schaffen und weitere 40 Asylbewerber in zwei angrenzenden Gebäuden unterbringen. Wohnähnliche Nutzungen würden „der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets“ aber widersprechen, begründete das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung.

„Jetzt rächt sich, dass die Stadt in den vergangenen Jahren viele Liegenschaften verkauft hat, die für potenzielle Flüchtlingsquartiere infrage gekommen wären“, sagt Jürgen Heimath, Fraktionschef der Harburger SPD. In Zukunft werde es deutlich schwieriger sein, geeignete Unterkünfte zu finden. Zumal es mit bereits bestehenden wie dem Heim in der Wetternstraße immer wieder Probleme gebe.

Momentan verteilen sich die 639 in Harburg untergebrachten Flüchtlinge und Asylbewerber auf sechs Standorte. Die drei größten sind Winsener Straße (271), Wetternstraße (190) sowie Lewenwerder (110). Laut Sozialdezernent Holger Stuhlmann stehe noch nicht fest, ob und wie viele Flüchtlinge Harburg in den nächsten Monaten aufnehmen müsse: „Das Bezirksamt hat der Sozialbehörde aber bereits verschiedene Flächen aufgezeigt.“

Welche konkret, wollte Stuhlmann nicht sagen. Nach Abendblatt-Informationen gehören unter anderen das ehemalige Gaswerk in Bostelbek, die alte Post am Hauptbahnhof sowie Areale gegenüber der Röttiger-Kaserne und in Moorburg dazu.