Die eingeweckten Pilze überstanden viele Umzüge und sogar die Bombardierungen während der Kriegsjahre in Hamburg

Hausbruch. Schauen Sie doch mal in Ihre Schränke, was Sie darin aufbewahrt haben. Vielleicht finden Sie darin einen ähnlichen Schatz, wie ihn der 89 Jahre alte Karl-Ulrich Fichtner aus Hausbruch fast sein ganzes Leben lang schon besitzt. Sein Konservenglas mit Champignons ist jetzt 85 Jahre alt geworden. Für Fichtner handelt es sich um eine unbezahlbare Kostbarkeit mit ideellem Wert, ein Erinnerungsstück an die Kindheit, die Eltern, die Kriegsjahre in Hamburg bis zu seinem Berufsleben und dem Ruhestand.

Alle seine Erinnerungen hat er in den Jahren des Ruhestands zu Papier gebracht auf seiner elektrischen Schreibmaschine, einer „brother Electric 3600“. Die Frage stellt sich, ob der geistig noch sehr rege ältere Herr das Konservenglas öffnen würde, um die Pilze zu probieren. Nein, für ihn stellt sich diese Frage überhaupt nicht. „Das Glas bleibt geschlossen“, sagt er, selbst in der schlechten Zeit nach dem Krieg, als es kaum etwas zu Essen gab, sei niemand in die Versuchung gekommen, es zu öffnen. So bleibt nur die Vermutung, dass die Pilze, die noch immer von völlig ungetrübtem, klarem Wasser umgeben sind, tatsächlich noch genießbar sind. Auf heutigen Konservenbüchsen wäre ein Verfalldatum aufgedruckt und die Frist für einen unbedenklichen Verzehr wäre schon nach schon nach etwa zwei Jahren abgelaufen.

Als Vierjähriger hatte Fichtner die Champignons selbst gesammelt. Das war 1928. Sein Vater war damals Inspektor auf dem Gut Krummsee bei Reuterstadt Stavenhagen in Mecklenburg. Fichtner: „Damals waren wir mit der ganzen Familie zum Pilzesammeln im Wald. Mutter kochte die Pilze ein. Unseren Umzug zum Gut Pünstorf bei Itzehoe machte das Konservenglas unbeschadet mit. Und es überstand im Juli 1943 im Keller des Verteilungsschuppens auch die Bombardierungen der Veddel.“ Die Pilzkonserve zog danach innerhalb Hamburgs noch dreimal um. Zunächst nach Langenhorn, dann nach Sasel und 1963 an seinen jetzigen Schrankplatz im Reihenhaus in Hausbruch. Das Original-Etikett mit der Aufschrift „Champignon 1928“ ist irgendwo auf der Strecke geblieben, was Fichtner außerordentlich bedauert. Zur Zukunft der Pilze macht sich der Senior keine schweren Gedanken. Vielleicht übernehmen seine Tochter Petra oder sein Sohn Axel eines Tages das Konservenglas als Erbstück.

In seiner Sammlung hat Fichtner auch eine dicke Mappe mit Autogrammkarten zahlreicher Prominenter aus Politik und Fernsehen, darunter Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder oder auch der frühere Tagesthemenmoderator und heutige WDR-Intendant Tom Buhrow, ebenso Entertainer wie Thomas Gottschalk oder die RTL-Wetterfee Maxi Biewer. Die rief eines Tages sogar persönlich bei Fichtner an. Der Grund des Promi-Kontakts und der Autogrammkartensammlung liegt darin begründet, dass sich Fichtner als gebürtiger Mecklenburger schon häufig darüber ärgerte, wenn im Fernsehen der Ländername Mecklenburg wie „Meckern“ ausgesprochen wird. „Das ist völlig falsch“, sagt Fichtner und weist auf eine Erklärung der Gesellschaft für deutsche Sprache hin. Demnach wird Mecklenburg wird mit lang gezogenem „e“ ausgesprochen.

Fichtner, der im Berufsleben bei Hochtief und zuletzt im Finanz- und Rechnungswesen bei Esso gearbeitet hatte, war schon als Schüler geschäftstüchtig. Auf der Veddel hatte er beim „Eisenkrämer Franz Schoop“ von 15 bis 18 Uhr als Laufbursche Waren zu Kunden gebracht und dafür 15 Reichsmark pro Woche verdient. „Das war viel Geld für mich“, erinnert er sich.