Ein Paar aus Buchholz hat die Elternzeit für eine ganz besondere Reise genutzt

Buchholz. Der Gedanke ging ihnen nicht mehr aus dem Kopf. Mit dem Rad durch Asien, warum sollte so etwas nicht auch mit einem Säugling möglich sein? Seit sie vor sieben Jahren ein Paar wurden, haben Dagmar Albers, 38, und Lars Krücke, 30, die halbe Welt bereist. Die Anästhesistin und der Allgemeinmediziner aus Buchholz hatten mehrere Monate in Südamerika verbracht, sie hatten in afrikanischen Krankenhäusern gearbeitet, und als sie im vergangenen Jahr in Georgien und Armenien unterwegs waren, wurde ihnen immer mehr klar, dass sie auch als Eltern mit dem Reisen nicht aufhören wollten.

Heute ist ihre Tochter Nuala 14 Monate alt und dürfte wohl eines der wenigen Kinder sein, das fast sein halbes bisheriges Leben im Fahrradanhänger verbracht hat. Thailand, Laos, Kambodscha und Myanmar heißen die Stationen der großen Reise, zu der die junge Familie während ihrer Elternzeit im Dezember des vergangenen Jahres aufgebrochen ist. Es ist eine Reise, die die unerwartete Erkenntnis gebracht hat, dass die Welt mit einem Kind nicht kleiner wird, sondern viel, viel größer.

Bedenken hatten aber auch sie. „Anfangs haben uns viele Leute gefragt, warum wir das bloß machen wollen“, erinnert sich Dagmar Albers. Nuala war schließlich erst fünfeinhalb Monate alt, als sie gen Asien fliegen sollte. Dass sie selbst Ärzte sind, sei dabei gar kein so großer Vorteil gewesen, sagt Lars Krücke. „Schließlich kann Nuala ja noch nicht sprechen und uns sagen, was sie hat.“ Bei einem erfahrenen Kinderarzt und einer Homöopathin holte sich das Ehepaar vorab alle Informationen zu möglichen Infektionen und hätte auch jederzeit von Asien aus nachfragen können. Doch das sollte gar nicht nötig sein, die Reise verlief ohne jegliche Zwischenfälle.

Zwei Packungen Windeln und jede Menge Medikamente waren im Gepäck

„Wenn wir zurückblicken, wundern wir uns eigentlich immer noch, wie gut alles funktioniert hat“, sagt Dagmar Albers. Trotz der Gewissheit, im Notfall innerhalb von zwei Tagen wieder zu Hause in Buchholz sein zu können, bekamen sie kurz vor Reisebeginn dann aber doch weiche Knie. Dagmar Albers kaufte in einer Art Kurzschlusshandlung zum Beispiel einen batteriebetriebenen Pürierstab, um Nuala, die anfangs noch gestillt wurde, zufüttern zu können. „Der Stab ist letztlich zu Hause geblieben“, erzählt sie und lacht. Eine Gabel musste zum Essen-Zerkleinern reichen. Zwei Packungen Windeln, ein Wasserkocher, eine homöopathischen Apotheke, ein Erste-Hilfe-Set, Infusionen, Glukose, Elektrolyte und vier Medizinbücher waren aber mit an Bord. Ansonsten beruhigten sich die Mediziner immer wieder mit dem Satz: In Asien leben schließlich auch Kinder.

Die blonde Nuala, die da so süß aus dem Fahrradanhänger guckt, sollte zur großen Attraktion der Reise werden. Die Leute betrachteten sie staunend, und wenn sich die Familie zum Essen setzte, hätten die Leute oft gesagt: „Esst ihr mal, wir kümmern uns um die Kleine“ – und schon wurde ihre Tochter ins Haus der Nachbarin mitgenommen, erzählt Lars Krücke. „Das ist dort völlig normal gewesen.“ Die Asiaten seien unglaublich kinderfreundlich, herzlich und offen. Und diese Offenheit, so ihre Beobachtung, ist auch auf ihre Tochter abgefärbt. „Sie gewöhnt sich sehr schnell an neue Leute und andere Umgebungen, vom Fremdeln keine Spur“, sagt die Mutter.

Insgesamt haben die drei auf ihrer Tour knapp 7000 Kilometer zurückgelegt. Vom Startpunkt in Nordthailand aus ging es mit eigenen Rädern und eigenem Radanhänger nach Laos hinein, das sie von Nord nach Süd durchquerten, um dann über Kambodscha zurück nach Thailand zu radeln und von dort aus nach Myanmar. Am Ende setzten sie noch eine Deutschlandreise obendrauf und fuhren in 14 Tagen von Zürich nach Buchholz. Interessanterweise sei es nur auf deutschem Boden dreimal beinahe zu einem Unfall gekommen, in Asien war der Straßenverkehr auf magische Weise im Fluss.

Allen Sicherheitsbedenken zum Trotz sei ihre Wahl vor allem deshalb auf das Fortbewegungsmittel Fahrrad gefallen, weil man damit wirklich überall hinkomme, sagt Lars Krücke. Teilweise waren sie sogar schneller am Ziel als die Leute, die mit dem Bus unterwegs waren und ständig irgendwo umsteigen und warten mussten. Außerdem ist es im Bus eng, warm und hektisch, was vor allem für einen Säugling weniger angenehm ist.

Pro Tag legte die junge Familie 80 bis 100 Kilometer in vier bis fünf Stunden zurück. Los ging es bereits am frühen Morgen, denn in Myanmar zum Beispiel kletterte das Thermometer um elf Uhr schon auf 45 Grad Celsius. Nur einmal hätten sie sich verfahren, ansonsten gaben die Landkarten bestens Auskunft, erzählt er. Selbst beim spontanen Suchen der Unterkünfte zum Übernachten gab es keinerlei Probleme, oft boten ihnen die buddhistischen Mönche einen Platz in ihren Tempeln an, obwohl sie nur nach einem Platz zum Zelten gefragt hatten.

„So eine Asienreise ist eine tolle, intensive Art, die Elternzeit zu nutzen“, sagt Dagmar Albers, die nach ihrer Rückkehr in den Beruf eine 50-Prozent-Stelle im Kieler Krankenhaus antreten wird. Ihr Mann Lars hat erst im vergangenen Jahr sein Examen abgelegt und einige Jobangebote vorliegen. Sollten sie ein zweites Kind bekommen, würden sie auf jeden Fall erneut Koffer packen, sagt sie. Was gebe es schließlich Schöneres für Eltern, als 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche mit dem Nachwuchs die Welt zu entdecken?