Rainer Ukat hat in Harburg den ersten Comic-Laden in Hamburgs Süden eröffnet. Trend geht weg vom Online-Handel

Harburg. In Deutschland muss so manche Kulturform mehr um Anerkennung ringen als in anderen Ländern. Der Comic ist so eine. Zwar haben es Bildergeschichten unter dem Begriff Graphic Novels mittlerweile in die Feuilletons geschafft. Comics gelten aber bei vielen Deutschen noch als unseriös, bestenfalls als etwas für Kinder. Zu Unrecht, sagt der Sammler und Händler Rainer Ukat: „Comics beinhalten Gesellschaftskritik, sie stehen für Bildung und Unterhaltung.“ So begrüßt der 46-Jährige es, dass sich unlängst Peer Steinbrück zu seiner Comicleidenschaft bekannt hat. Der SPD-Kanzlerkandidat und Prinz-Eisenherz-Leser lobte vor allem die Reihe „Alexander Nikopol“ von Enki Bilal.

Rainer Ukat bringt den Comic nach Harburg. Tim und seinen schlauen Hund Struppi genauso wie die japanische Abenteuerin Yoko Tsuno. Vor kurzem hat der in der Branche unter dem E-Bay-Account „Racing Rainer“ bekannte Internet-Comic-Händler aus Garlstorf ein Ladengeschäft in der Neuen Straße eröffnet. Er ist damit der erste Comic-Händler im Süden Hamburgs und der achte in Hamburg. „Racing Rainer“, weil Rainer Ukat ein Faible für den Motorsport hat und selbst Kart fährt.

Während dem Einzelhandel die Konkurrenz im Internet Existenzängste bereitet, macht Rainer Ukat im Comic-Handel den Trend weg aus dem Internet und hin zum Ladengeschäft aus. „Die Leute möchten wieder mehr stöbern, nicht nur am Bildschirm kaufen“, hat er Händler zumindest für seine Klientel ausgemacht. Auch die beinahe verschwunden Comic-Börsen, die wie ein laden das physische Einkaufserlebnis bieten, würden eine Renaissance erleben.

Mit dem Ladengeschäft, das nur von Donnerstag bis Sonnabend geöffnet hat, versucht der Händler, sich aus der Abhängigkeit des Internetgiganten E-Bay zu lösen. Dabei hat die mächtige Online-Plattform Rainer Ukat erst Karriere als Comic-Händler ermöglicht. Ursprünglich hat er den Beruf des Mess- und Regelmechanikers gelernt und ausgeübt. Seit 30 Jahren hat der heute 46-Jährige Comics gesammelt und auf Börsen verkauft. Zur Jahrtausendwende bemerkte Ukat, dass er mit dem Comic-Handel auch hauptberuflich Geld verdienen könne. „Als E-Bay anfing, ging alles“, sagt er. Heute aber kassiere die Online-Handelsplattform so hohe Gebühren, die mit den schmalen Margen, die im Comic-Handel zu erzielen seien, schwer vereinbar seien.

Das einem Händler das Heft Nummer eins von Micky Maus aus dem Jahr 1951 in die Hände fällt, dürfte selten oder nie passieren. Nur 50 bis 100 Exemplare, schätzt Rainer Ukat, existieren überhaupt noch. Im guten Zustand sei mit dem Heft auf Auktionen mehr als 10.000 Euro zu erzielen. Begehrt bei Sammlern seien auch die Geschichten von Tim & Struppi, als sie noch unter dem Titel „Tim, der pfiffige Reporter“ im Verlag Castermann erschienen sind. Der Alltag eines Comic-Händlers sieht anders aus: Rainer Ukat verschickt Hefte, die zwei oder zehn Euro kosten. Die Gewinn-Marge, wenn überhaupt etwas übrig bleibt, fällt winzig aus. Unbedarfte Leute würden denken, er würde lediglich in seinem Laden sitzen und lesen. „Dabei sind 60 Stunden Arbeitszeit in der Woche normal“, sagt er. Er bestellt Neuheiten bei den Verlagen, macht den Versand, bringt am Computer Angebote auf den neuesten Stand und installiert Software. Nebenbei arbeitet Rainer Ukat auch in dem Gremium mit, das den Comic-Preiskatalog in Deutschland erstellt. Er ist Verzeichnis nahezu aller in deutscher Sprache veröffentlichter Comics und ihrer Sammlerpreise.

10.000 bis 15.000 Hefte, Bücher und Bände hält „Racing Rainer“ in seinem 60 Quadratmeter großen Ladengeschäft in Harburg vor, das unter dem Wortungetüm „Comics alt + neu Racing Rainer“ firmiert. In der Branche sei „Racing Rainer“ zu einer Marke geworden, auf die er nicht verzichten wolle, erklärt Rainer Ukat. An der Neuen Straße 39 gibt es das gebrauchte Superwomen- oder Micky-Maus-Heft für zwei Euro das Stück. Oder neu erschienene Graphic Novels wie die Biografie des Bestseller-Autors Steg Larsson, die die Vorgeschichte der berühmten Millennium-Trilogie erzählt. In einem externen Lager verfügt Rainer Ukat nach eigenen Angaben noch mindestens 50.000 weitere Comics. Der Comic-Handel in Harburg ist auf die Veröffentlichungen der vergangenen 20 Jahre spezialisiert: die französischen und belgischen Autoren, japanische Mangas, amerikanische Superhelden und Alben.

Rainer Ukat selbst schätzt Roger Leloups Reihe um die Abenteurerin Yoko Tsuno sehr. Der Zeichner bildet von Fotografien reale Orte ab und baut sie in die Geschichten ein, die zwischen Krimi und Science-Fiction angesiedelt sind. Der Händler und Sammler empfiehlt jeden die Lektüre von „Onkel Dagobert. Sein Leben, seine Millionen“. Don Rosa erzählt darin, wie die reichste Ente der Welt zu ihrem Reichtum gelangte. Das könnte auch den SPD-Finanzexperten Peer Steinbrück interessieren.