Seit die Ortsumgehungen von Finkenwerder und Neu Wulmstorf fertig sind, nehmen Laster das Apfeldorf als Abkürzung zur Autobahn

Neuenfelde. Wer als Außenstehender an Neuenfelde denkt, hat ein Altländer Obstdorf vor Augen, in dem das Blühen der Kirschen und das Ernten der Äpfel so ziemlich das Aufregendste ist, was passiert. Wer in Neuenfelde allerdings an der Kreuzung Nincoper Straße/Marschkamper Deich steht, wird eines besseren belehrt: Hier ist jede Menge los – und trefflich aufregen können sich die Neuenfelder auch.

Günter Piehl ist kaum zu verstehen. Dabei ist der Bezirksversammlungs-Abgeordnete und Vorsitzende des SPD-Distrikts Neuenfelde/Cranz eigentlich ein Mann klarer Worte. Allerdings muss er gegen einen 40-Tonner ansprechen, der gerade in den Marschkamper Deich eingebogen ist und jetzt hochschaltet und Gas gibt.

„Erst hatten wir hier jede Menge Schwerlastverkehr wegen der Baustelle für die Finkenwerder Ortsumgehung“, erklärt er. „Jetzt, wo die Ortsumgehung fertig ist, nutzen viele Lkw sie als Abkürzung zur A7. Es gibt hier zwar eine Geschwindigkeitsbegrenzung für Lkw, aber die meisten Fahrer ignorieren sie.“

Dies sei besonders einige hundert Meter weiter gefährlich, wo der Marschkamper Deich eine scharfe Kurve um den alten Ortskern herum macht. „Dort wird es so eng, dass die Laster auf den Bürgersteig ausweichen müssen. Wenn sie da mit überhöhter Geschwindigkeit heranbrettern, wird es gefährlich.“

Noch einmal zweihundert Meter weiter kommt die nächste scharfe Kurve: Hier müssen Fahrzeuge über 7,5t in den Fährdeich einbiegen, um dann über den Neuenfelder Deich zur Finkenwerder Ortsumgehung zu gelangen. Sowohl der Neuenfelder Deich, als auch der Fährdeich sind kleine Dorfstraßen mit altem Kopfsteinpflaster, die noch für Pferdefuhrwerke und Ochsenkarren geplant wurden.

Die Wirtschaftsbehörde hat bereits im Mai eine Verkehrszählung durchführen lassen: 6700 Autos befuhren den Marschkamper Deich am Zählungstag, davon 200 LKW. „Da nur an einem Tag gezählt wurde, ist das Ergebnis aber eher als Momenteindruck zu sehen“, sagt Wirtschaftsbehörden-Pressesprecherin Helma Krstanoski. Die tatsächliche Durchschnittszahl könne höher oder niedriger sein. „Höher“, schätzt Piehl. „Die haben an einem Donnerstag gemessen. Da ist am wenigsten los. Am schlimmsten ist es Montags.“

Einige der Lkw haben ortsansässige Obstbaubetriebe und die in den letzten Zügen liegende Sietas-Werft, als Ziel„Aber die meisten fahren durch“, sagt Piehl. Dies gelte auch für die Pkw. Die Umgehungsstraßen andernorts – in Neu Wulmstorf und Finkenwerder – machen Neuenfelde zum letzten Nadelöhr auf einer Rennstrecke zwischen der B73 und dem Elbtunnel. Wenn erst die A26 bis Rübke fertig gestellt ist, fürchtet Piehl den Verkehrsinfarkt.

Piehl weiß, dass viele Neuenfelder, die am Marschkamper Deich wohnen, von den Lkw zutiefst genervt sind. Einige versuchen, die Lkw auszubremsen, indem sie ihre eigenen Autos an der Straße parken - und zwar so, dass die Lkw Slalom fahren müssen. Auch Claus Stemmer-von Eltz hat seinen Traktor vorne stehen, statt auf dem Hof. „Meine Tochter hat das Zimmer zur Straße raus. Wenn die Hausaufgaben macht, muss sie das Fenster geschlossen halten. Sonst kann sie sich nicht konzentrieren“, sagt er.

Sein Nachbar Ernst Rehder hat schon Schilder im Garten stehen, auf denen er gegen die rasenden Lkw protestiert. „Es wird auch fast nie geblitzt“, sagt er. Günter Piehl stimmt ihm zu. „Ich werde einen entsprechenden Antrag in der Bezirksversammlung stellen“, sagt er. „Außerdem könnte man die Straße auch für Durchgangs -Lkw sperren, aber ich glaube nicht, dass die sich ohne Kontrollen daran halten.

Ernst Rehder hat einen anderen Vorschlag: Der Bebauungsplan Neuenfelde 8 sieht seit 43 Jahren knapp 100 Meter westlich vom Marschkamper Deich eine neue Straße quer durch die Obstgärten vor. Geplant war sie einst als Fluchtstraße bei Sturmflut. „Jetzt könnte sie zur Neuenfelder Ortsumgehung werden“, sagt Rehder.

Schon in der Planung für die Airbus-Landebahnverlängerung und die Ortsumgehung wurde die Fluchtstraße aus der Planschublade geholt, doch Günter Piehl warnt: „Diese Straße würde eine vierspurige Rennstrecke werden. Das will doch keiner.“ Er muss lauter sprechen. Der nächste Lkw kommt angebrummt.