Stadtplaner denken über eine Piazza auf der Wilstorfer Straße in Harburg nach. Hohe Straße soll zur Allee werden

Harburg. Eine erste Umfrage der Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg (steg) unter Anwohnern und Passanten in der Wilstorfer Straße bringt ein überraschendes Ergebnis: Demnach fühlen sich die Menschen dort weniger durch Lärm und Verkehr belastet als erwartet. Die beiden Stadtplaner des steg-Stadtteilbüros im Phoenix-Viertel, Daniel Boedecker und Eike Christian Appeldorn, bringen deshalb die Schaffung einer platzähnlichen Situation an der Wilstorfer Straße in die Diskussion. Das könnte noch ein Vorhaben sein, bevor der Förderzeitraum im Sanierungsgebiet Phoenix Viertel im Jahr 2015 endet.

Auch ein SPD-Antrag im Verkehrsausschuss der Bezirksversammlung Harburg verfolgt die Absicht, die Aufenthaltsqualität an der Wilstorfer Straße zumindest im Kleinen zu verbessern: Die Sozialdemokraten schlagen vor, einen separaten Fahrstreifen für Fahrradfahrer auf der Autofahrbahn entlang der Läden der Straße zu schaffen.

Vor den Cafés und Schaufenstern würden Fußgänger unbewusst auf den Radweg ausweichen, so dass die Gefahr von Zusammenstößen bestehe. Der Antrag zur Lösung einer Verkehrsgefahr hätte auch Vorteile für die Stadtentwicklung: Es würde mehr Platz für Fußgänger und möglicherweise Außengastronomie geschaffen.

Die Wilstorfer Straße mit vielen unverwechselbaren kleinen Läden vor rauer Fabrikfassade dürfte wohl Harburgs urbanste Straße sein. „Sie erinnert an die Schanze vor 15 Jahren“, sagt Eike Christian Appeldorn. Nur blicke man in Harburg eben nicht auf die „Rote Flora“ wie im Schanzenviertel, sondern auf die Phoenix-Hallen. Starker Verkehr sei kein Hindernis für eine florierende Außengastronomie. Vor Jahren hätte auch niemand gedacht, dass sich die Menschen darum reißen würden, an der Schanzenstraße oder der langen Reihe in St. Georg essen zu gehen.

Er könne nicht voraussehen, wie die Wilstorfer Straße in zehn oder 20 Jahren aussehen werde, sagt Eike Christian Appeldorn. Sie könnte aber ein Erlebnis beim Einkaufen schaffen, mit vielen, von Eigentümern geführten Läden. Schon heute bilden zwei Fahrradfachgeschäfte und auf internationale Nahrungsmittel spezialisierte Händler ein unverwechselbares Bild. Im Wettbewerb zu einem Einkaufsquartier mit eigener Identität innerhalb Harburgs sieht Stadtplaner Appeldorn die Wilstorfer Straße nicht mit der wenig attraktiven Lüneburger Straße, der Fußgängerzone, sondern mit dem Einzelhandel am Sand.

Von 1870 bis etwa 1895 entwickelte sich das Phoenix Viertel als Quartier für Arbeiter der damals in Harburg schnell wachsenden Industrie. Zunehmender Wohlstand zog die ursprünglichen Bewohner in größere Wohnungen und in andere Stadtteile. Über Jahrzehnte war das Phoenix Viertel einer Abwärtsspirale ausgesetzt, die es am Ende in Zusammenhang mit Drogenkriminalität und Gewaltverbrechen brachte. Diese Zeiten gelten als vorbei. Geblieben ist ein Hauch von Kiez, weil einzelne Kneipen wegen Streitereien und Schlägereien unter Gästen immer noch die Polizei beschäftigen. Auf einem halben Dutzend gewerblichen Flächen kommt es immer wieder zu Schließungen und Neueröffnungen. Nicht selten sind es Subnutzer, die es mit Anforderungen der Behörden nicht so genau nehmen.

Knapp 5000 Menschen leben heute im Phoenix Viertel, mehr als 60 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Die Wohnungen sind meist nur 50 bis 70 Quadratmeter groß, so dass Familien fortziehen, sobald mehrere Kinder geboren sind. Würde das Phoenix Viertel heute noch einmal Sanierungsgebiet werden, sagt Eike Christian Appeldorn, würde er es als Studentenviertel etablieren.

Die Gefahr einer Gentrifizierung sieht der Stadtplaner nicht

Der Bezirk Harburg will eine Imagekampagne initiieren und sich mit Neubaugebieten in Neugraben als Wohnort für Familien profilieren. Das Phoenix-Viertel ist eines der wenigen fast vollständig erhaltenen Altbauquartiere im Süden Hamburgs. Hübsche Hausfassaden aus der Gründerzeit (um 1870) sind für das Viertel charakteristisch. Das spanische Restaurant „Meson Galicia“, eine portugiesische „Pastelaria“ und der Musikclub „Marias Ballroom“ stehen für ein Lebensgefühl jenseits des Mainstreams. Sollte Harburg nicht auch mit dem einzigartigen Phoenix Viertel im übrigen Hamburg werben?

„Das Phoenix Viertel ist ein Geheimtipp, den Harburg sich bewahren sollte“, sagt Eike Christian Appeldorn. Eine Gentrifizierung sei auch nie ein Ziel des Sanierungsgebietes gewesen. Unter dem Begriff Gentrifizierung versteht man die Aufwertung von Stadtvierteln, bei denen die bestehende einkommensschwache Bevölkerung von einer zahlungskräftigeren Bevölkerung verdrängt wird.

Für das Phoenix-Viertel sieht Eike Christian Appeldorn diese Gefahr nicht. Die Struktur mit vielen Kleinwohnungen und fehlenden Ladengeschäften in den Wohnstraßen stünden dem entgegen. Die Wohnungen seien nichts, was Akademikerpaare sich kauften, um sich niederzulassen, sagt der Stadtplaner.

Der Verkehr in der Hohen Straße soll durch Bäume verlangsamt werden

Bis Ende des Förderzeitraums im Phoenix Viertel im Jahr 2015 will die steg noch etwas für die Bewohner der Hohen Straße tun. Sie will etwa ein Dutzend Bäume pflanzen und gezielt den Straßenquerschnitt schmaler gestalten. Mit einer geschickten Anordnung der Bäume soll der schnell fahrende Durchgangsverkehr ausgebremst werden.

Eike Christian Appeldorn rät, darauf hinzuarbeiten, die Sammlung Falckenberg, eine international bedeutende Sammlung zeitgenössischer Kunst, an fünf bis sieben Tagen zu öffnen. Zurzeit erhalten Besucher nach telefonischer Anmeldung eine Führung. Wachpersonal und Ausstellungsführer müssten bezahlt werden.

Die dauerhafte Öffnung der bedeutenden Kunstausstellung könnte aber einen größeren volkswirtschaftlichen Nutzen nach sich ziehen. „Ganz Harburg, sagt Eike Christian Appeldorn, „könnte davon profitieren.“ Und das Phoenix Viertel käme endlich aus seiner Rolle als Hinterhof des Phoenix-Zentrums heraus.