Obstexperten fürchten wegen einer neuen EU-Verordnung, dass Finkenwerder Herbstprinz & Co zukünftig noch weniger Chancen haben

Ehestorf. Gibt es eine neue Gefahr für alte Apfelsorten? Die EU-Kommission plant eine neue Regelung für Saatgut. Dann dürfen Landwirte nur noch Obst und Gemüse aus zertifiziertem Saatgut anbauen. Für Apfelbauern heißt das, ihre Bäume müssen sortenrein und frei von Viren sein. Ob das eine Bedrohung für alte, fast vergessene Apfelsorten darstellt, diskutierten Jörg Hilbers, Geschäftsführer des Obstbaurings Altes Land, und Obstbauer Eckhardt Brandt im Freilichtmuseum am Kiekeberg.

Den Nachteil von nicht zertifizierten Apfelbäumen hat Jörg Hilbers auf der eigenen Streuobstwiese erlebt. „Ein Baum hatte einen Virus, die Apfeltriebsucht, in sich. Der hat sich auf der ganzen Wiese ausgebreitet“, sagt Jörg Hilbers. Bei der Apfeltriebsucht beginnt der Baum besenartige Zweige auszubilden. Die Früchte werden klein und wenig schmeckend. Hilbers muss einen Großteil der Apfelbäume auf seiner Wiese jetzt entfernen. „Der Virus wird über einen Schädling, den Blattsauger, sonst immer weiter verbreitet“, sagt Hilbers. Er glaubt, mit der neuen Saatgut-Verordnung könnten solche Vorfälle in Zukunft vermieden werden. Pro Jahr würden im Alten Land 1,4 Millionen Bäume neu angepflanzt. „Sind die nicht virusfrei, werden Existenzen bedroht. Die Bauern ernähren immerhin ihre Familien vom Apfelanbau“, so der stellvertretende Geschäftsführer des Obstbaurings. Der Obstbauring altes Land ist ein Zusammenschluss von Bauern. Hier werden die Apfelanbauer in allen Fragen rund um den Apfelbaum beraten.

Für die alten Apfelsorten sieht Jörg Hilbers jedoch keine Gefahr. „Die Verordnung würde nur für Sorten gelten, die im großen Stil angepflanzt werden“, sagt Jörg Hilbers. Das gelte für die alten Sorten nicht. Hier sei die Nachfrage nicht so groß. Der Handel tue sich schwer damit, vergessene Apfelsorten ins Sortiment aufzunehmen. „Die alten Sorten können in der Regel nicht in so großem Maße geerntet werden. Für die großen Supermärkte sind Äpfel, die sie nur zwei Wochen im Sortiment haben, nicht spannend“, sagt der 48-Jährige.

Obstbauer Eckhardt Brandt, glaubt, dass das einen anderen Grund hat. „Die Äpfel schmecken markanter, für den Handel ist das nicht massentauglich“, sagt er. Noch immer würden die alten Sorten nur auf Wochenmärkten oder in Hofläden angeboten. Auch Brandt sieht in der EU-Verordnung keine große Gefahr für die alten Apfelsorten. „Ich glaube nicht, dass die Behörden den alten Apfelsorten den Garaus machen können“, sagt er, „vielmehr kann es der Verbraucher sein, der sich nicht für die Vielfalt der Äpfel interessiert.“ Mit dem sogenannten Boomgarten-Projekt hat er alte Sorten gesammelt. Inzwischen handelt Brandt auch mit den fast vergessenen Apfelbäumen. In den letzten 15 Jahren habe das Interesse an alten Apfelsorten zugenommen. Ob „Finkenwerder Herbstprinz“, „Welsch“ oder „Vierländer Blutapfel“, die alten Apfelsorten seien jedoch nur regional gefragt. „Jede Region hat ihre Lokalmatadore“, sagt der Apfel-Experte., „die sind nicht marktrelevant.“

Und fallen so auch nicht unter die neue EU-Verordnung. Darin gibt es Ausnahmeregelungen für Sorten, die nur in kleinen Stückzahlen geerntet werden. Die grünen im Europa-Parlament wollen diese Ausnahme-Regelungen noch erweitern. Ihren Vorschlag stellen sie am kommenden Montag im Agrarausschuss vor. In Kraft treten, soll die neue Saatgut-Verordnung erst 2018. Bis dahin könnten noch einige alte Sorten zertifiziert werden. Das ist allerdings mit hohen Kosten verbunden. 2000 Euro kostet es, die Sorte virusfrei und rein zu machen.