Auf der Winsener Straße soll nachts die Geschwindigkeit reduziert werden. Den Grünen ist das nicht genug

Harburg. Die Anwohner der Winsener Straße und die Autofahrer, die sie benutzen, werden diese Neuigkeit sehr unterschiedlich bewerten: Noch in diesem Jahr soll auf dem nördlichen Abschnitt der Bundesfernstraße, nämlich zwischen der Hannoverschen Straße und der Jägerstraße, ein nächtliches Tempolimit eingeführt werden. Zwischen 22 und 6 Uhr gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h. Auch die Moorstraße soll so nachts ruhiger gemacht werden

So sieht es der Lärmaktionsplan der Freien und Hansestadt Hamburg vor, den die Bürgerschaft vergangene Woche verabschiedete. Die Harburger Grünen kritisieren den Plan als „Papiertiger“, die Sozialdemokraten südlich der Elbe sind mit dem Ergebnis ziemlich zufrieden.

„Das ist ein Trauerspiel“, sagt Kay Wolkau, Vorsitzender der Grünen-Fraktion in der Bezirksversammlung. „Da haben sich lärmgeplagte Menschen in Harburg jahrelang für ruhigeres Wohnen stark gemacht, sich in Diskussionen eingebracht, konkrete Vorschläge zur Lärmbekämpfung gemacht, sich an Lärmforen beteiligt, um nach Jahren erkennen zu müssen, dass selbst die wenigen konkreten Projekte weiter auf die lange Bank geschoben werden. Der Senat will einmal mehr nur prüfen.“

Wolkau kritisiert vor allem die Auswahl der Projekte. „Besonders belastete Straßen wie die Jäger- und Vogteistraße oder die Bremer Straße blieben unberücksichtigt“, sagt er. „Und ansonsten will der Senat prüfen, ob er weiter prüfen will. Wer so spricht, will gar nicht. Die Harburger Genossen sollten sich nördlich der Elbe für Harburger Belange stark machen.“

Harburgs Bezirksamtsleiter Thomas Völsch teilt die Kritik nicht: „Natürlich kann man sich immer mehr Lärmschutz wünschen, und das wünsche ich ja auch. Aber dass von landesweit vier Projekten die umgesetzt werden, zwei in Harburg liegen, ist doch eine gute Ausbeute.“ Auch Sozialdemokrat Frank Wiesner, Bürgerschaftsabgeordneter und Mitglied des Verkehrsausschusses, sieht das so. Und er verteidigt die Auswahl der Projekte: „Wir haben an diesen Strecken besonders viele Betroffene“, sagt er. „Außerdem ist die Bremer Straße im Lärmaktionsplan weiterhin enthalten. Ab 2015 soll lärmmindernder Belag aufgebracht werden. Das ist eine Baumaßnahme, die man nicht mal eben übers Knie brechen kann.“

Was die Jägerstraße und die Vogteistraße angeht, kann Wiesner die Kritik nicht verstehen: „Hier ist doch bereits ein Tempolimit eingeführt worden, seit kurzer Zeit sogar durch Fahrbahnverengungen verstärkt.“ Um das zu finanzieren, seien sogar Verkehrsberuhigungspläne in dichter besiedelten Stadtteilen wie Heimfeld zurückgestellt worden, sagt Wiesner.

Entlang des nördlichen Abschnitts der Winsener Straße stehen fast durchgängig viergeschossige Mietshäuser. Lärmmindernde Vegetation gibt es hier kaum. „Das bedeutet, dass es hier auch eine besonders große Anzahl an Betroffenen gibt“, sagt Wiesner. „Die schreien nur nicht so laut nach Lärmschutz, wie gut situierte Bürger in Eigenheimen. Lärm macht jedoch jeden krank – unabhängig vom Einkommen.“

Der Lärmaktionsplan wurde 2007 noch unter der schwarz-grünen Umweltsenatorin Anja Hajduk in Auftrag gegeben. Mit mehreren Stufen von Bürgerbefragung, Messungen und moderierten Runden wurde die Lärmbelastung in ganz Hamburg erfasst und Gegenvorschläge erarbeitet. 2009 wurde ein Zwischenergebnis mit zahlreichen möglichen Projekten präsentiert. Seitdem befindet sich der Lärmaktionsplan im politischen Prozess zwischen Bürgerschaft und Fachbehörden. Die Maßnahmen, die jetzt umgesetzt werden, sollen nicht die letzten aus dem Aktionsplan bleiben.

An der Winsener Straße soll es im November noch eine Begehung geben, dann sollen die Schilder kommen. „Es ist natürlich auch eine Frage, wie das kontrolliert werden soll“, sagt Wiesner, „Blitzanlagen sind nicht vorgesehen.“

Ohne Kontrolle bleibt die Wirksamkeit nächtlicher Tempolimits allerdings fraglich. In Norderstedt zeigte sich, dass Autofahrer, die lange und häufig auf einer so reduzierten Strecke unterwegs waren, gerade nachts von neuen Gebotsschildern kaum Notiz nahmen. Ein Starenkasten könnte sich also lohnen, auch finanziell.

Die zwei Anlagen an der temporeduzierten Stresemannstraße in Altona bringen der Stadt jedenfalls jährlich knapp zwei Millionen Euro ein. „Aber wenn wir Blitzer aufstellen, würden wir sofort der Abzockerei bezichtigt werden“, sagt Frank Wiesner.