Die Heimfelder Helios-Klinik bestätigt Schließung seines Medizinischen Versorgungszentrums Am Wall und beurlaubt den ersten Arzt

Heimfeld. Als Dr. Rolf Jochen Panny am Montag nach einem dreiwöchigen Urlaub aus Afrika zurückkehrte, erlebte er eine böse Überraschung: Der Zugang zu seinem Behandlungszimmer im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) der Helios Klinik Mariahilf Am Wall in Harburg wurde ihm verwehrt. Zwei nette Damen, die er zuvor noch nie gesehen hatte, teilten ihm mit, dass er mit sofortiger Wirkung freigestellt sei. „Dieses Vorgehen halte ich für äußerst fragwürdig“, so der 68 Jahre alte Mediziner. „Mein Vertrag mit Helios wäre zum 30. September ohnehin ausgelaufen. Warum ich meine Patienten, von denen viele beunruhigt sind, nun nicht mehr bis zum Schluss ordentlich betreuen kann, erschließt sich mir nicht.“

Sonja-Maria Klauß, Helios-Regionalleiterin Kommunikation und Marketing, begründet Pannys Beurlaubung damit, er könne nun den ihm noch zustehenden Urlaub nehmen. Der Vorgang passt jedoch ins Bild. Seit Mariahilf-Geschäftsführer Andreas Reichardt vor Wochenfrist seinen Hut nehmen musste (das Abendblatt berichtete), herrscht erhebliche Unruhe in dem traditionsreichen Krankenhaus an der Stader Straße. Reiner Micholka, Helios-Geschäftsführer der Region Nord-West, spricht zwar von einer „Trennung in gegenseitigem Einvernehmen“, gestand aber gleichzeitig ein, dass die Initiative zur Trennung von ihm ausgegangen sei.

Zu den näheren Umständen der Abberufung wollte er nur ungern Stellung nehmen. Er könne aber so viel sagen, dass der Fokus von Herrn Reichardt zu lange und zu sehr auf dem Neubau gelegen habe. „Dabei sind wesentliche Aspekte des operativen Geschäfts etwas aus dem Blickfeld geraten“, so Micholka. Insider führen Reichardts Demission vor allem auch auf dessen (Krisen-)Management in Sachen MVZ zurück.

Panny, einer von drei angestellten Medizinern im MVZ Am Wall, vermutet derweil einen „Racheakt“. Ende Juli hatte er sich in dieser Zeitung kritisch zum Umgang der Helios-Klinik mit seinen Medizinischen Versorgungszentren geäußert. Schon da war durchgesickert, dass Helios das erst vor drei Jahren etablierte MVZ Mariahilf zum 1. Oktober 2013 wieder schließen wolle.

Micholka bestätigte das jetzt gegenüber dem Abendblatt: „Die Schließung des MVZ ist wirtschaftlich vernünftig. Es wurde nicht rechtzeitig erkannt, dass es da keinen zwingenden Versorgungsauftrag für uns gibt.“ Es sei eine Marktlücke gesehen worden, die es nicht wirklich gegeben habe. Das Angebot mit niedergelassenen Kollegen in der City sei nicht in ausreichendem Maße angenommen worden, die Auslastung habe nicht gestimmt.

Das bestreitet Dr. Rolf Jochen Panny . „Nach allem, was ich weiß, hatte unser MVZ 1700 Patienten pro Quartal. Damit waren wir Ärzte sehr wohl gut ausgelastet. Nicht aber die Flächen, die Helios mit der Einrichtung seiner MVZ im Gesundheitszentrum Am Wall angemietet hat“, sagt Panny. Der zudem monierte, die MVZ seien auch gegründet worden, um Einweisungen in die Helios-Krankenhäuser zu generieren.

Die Bilanz der MVZ ist aber nicht das einzige Problem des Klinikverbunds. Kritiker geißelten den Neubau an der Stader Straße für 42 Millionen Euro als „steingewordene Sparmaßnahme“. Regionalgeschäftsführer Micholka will das so nicht stehen lassen. „Da der Neubau auch durch die öffentliche Hand finanziert wird, unterliegt er selbstverständlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Uns geht es vorrangig um eine effizientere Verzahnung von Abteilungen, eine bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit und kürzere Wege, nicht um einen Abbau von Stellen.“ Er räumt aber gleichzeitig ein, man werde „um eine Anpassung des Personalbestands“ möglicherweise nicht umhin kommen, da in der Vergangenheit zu viele Kapazitäten, sprich Betten, aufgebaut worden seien.

So grassiert denn ein wachsendes Unbehagen unter den Mitarbeitern. „Dass im Zuge des Neubaus Abläufe angepasst werden müssen, ist den Mitarbeitern klar. Die Prioritäten wurden aber in diesem Prozess anders gesetzt und dabei nicht alle optimal mit ins Boot geholt“, sagt Betriebsrat Andree Gramms. Dieses Manko wird auch von der Geschäftsführung eingeräumt. „Bei den notwendigen Anpassungsprozessen haben wir den Fokus möglicherweise zu sehr auf medizinische Abläufe gerichtet und die Mitarbeiter nicht in ausreichendem Maße eingebunden“, sagt Micholka, der die Mariahilf Klinik kommissarisch leiten wird, bis ein neuer Geschäftsführer gefunden ist.

Dr. Joachim Pelz, der ärztliche Direktor, sieht das Heimfelder Krankenhaus derweil auf einem guten Weg. Eine größere als die normal übliche Fluktuation im ärztlichen Bereich könne er trotz des Weggangs von drei Chefärzten und weiterer Oberärzte in den vergangenen zwölf Monaten nicht erkennen. Mariahilf sei als Arbeitgeber auch deshalb attraktiv, weil es Lehrkrankenhaus des UKE ist und über eine der größten medizinischen Bibliotheksportale deutschlandweit verfüge. Und an der medizinischen Qualität gebe es trotz der Bauarbeiten ohnehin keine Abstriche. „Aktuell verzeichnet Mariahilf eine 92-prozentige Zielerfüllung bei den Qualitätskriterien. Damit stehen wir glänzend da“, so Pelz.