Thomas Krim ist die letzte Hoffnung für Sammler in New York, Singapur oder St. Petersburg. Besonders seltene Komponenten fertigt er selbst.

Hamburg. Die Versandtaschen, die in einem Kunststoffkorb im Hausflur von Thomas Krim stehen, tragen Adressen aus aller Welt: Manche gehen per Post nach New York, andere nach Singapur oder nach St. Petersburg. Die Umschläge enthalten zwar Waren, aber die sind meist nur wenige Gramm schwer – es sind Ersatzteile für mechanische Uhrwerke.

„Zu 70 Prozent gehen die Teile, die ich versende, ins Ausland“, sagt Krim. Er ist Inhaber der Firma Ernst Westphal, Norddeutschlands führendem Händler für solche Teile. Krim hat sich in der Szene als „Experte für hoffnungslose Fälle“ einen Namen gemacht. Man wendet sich an ihn, wenn es um Komponenten geht, die man nicht einfach beim Hersteller nachbestellen kann. Ein Beispiel dafür: Einer der Kunden suchte Werkteile für die rund 70 Jahre alte Borduhr aus einer Spitfire, einem britischen Propeller-Jagdflugzeug. „Anhand von Fotos des Werks stellte ich fest, dass es von Jaeger LeCoultre aus der Schweiz stammte“, sagt Krim. „Schließlich habe ich in den USA jemanden gefunden, der mir die Teile verkaufen konnte.“

Viele Aufträge erfordern weitaus weniger Aufwand, denn mehr als zwei Millionen Federn, Kronen, Zahnrädchen und Zeigersätze für Armbanduhren, antike Taschenuhren oder Großuhren hat Krim vorrätig. Sie lagern in 100 Jahre alten Holzschränken mit unzähligen flachen Schubladen im geräumigen Keller seines Hauses in Harburg.

Bis vor Kurzem standen die Schränke zwar in einem Ladenlokal in Hammerbrook. Doch wegen der zunehmenden Konzentration auf Spezialitäten und Raritäten machte es für Krim zuletzt keinen Sinn mehr, den Laden zu betreiben. „Die meisten meiner Kunden sind nicht Uhrmacher, sondern passionierte Sammler“, so Krim. Erreicht ihn eine Anfrage nach einem Teil, das er nicht auf Vorrat hat, schickt er eine E-Mail an ein weltweites Netzwerk von so genannten Furnituristen – so heißen die Ersatzteilhändler im Fachjargon – heraus. „Ich kenne auch eine Reihe von Sammlern, die Bestände von Uhrmachern, die ihr Geschäft aufgaben, übernommen haben“, erklärt Krim.

Etliche Jahre lang gehörte er selber zu den Sammlern, er besaß zeitweise mehr als 300 Uhren. Inzwischen ist es nur noch eine kleine Anzahl. Die erste mechanische Uhr kaufte sich Krim vom ersten Lehrlingsgehalt. Zwar zeigte er als Jugendlicher handwerkliches Interesse, indem er zusammen mit einem Freund Lichtorgeln bastelte und sie an Diskotheken verkaufte. Beruflich ging er jedoch einen anderen Weg. Krim absolvierte eine kaufmännische Lehre bei Daimler, wandelte sich dann aber mehr und mehr zum Informatiker und arbeitete später meist selbstständig als Programmierer.

Die Leidenschaft für Uhren erwachte erst, als er zum 40. Geburtstag von seiner damaligen Ehefrau einen 40 Jahre alten Breitling-Chronografen geschenkt bekam. Krim sieht durchaus eine Verbindung zu seinem früheren Beruf: „Ein Uhrwerk ist die einfachste Form der Logik, umgesetzt in Mechanik.“ Zu seinem jetzigen Geschäft kam Krim allerdings durch einen Zufall. Als er auf einer Uhrenmesse Teile seiner Sammlung verkaufte, traf er auf Claus Westphal, den damaligen Inhaber der Firma Ernst Westphal. Der ältere Herr hatte die Firma an einen Teilhaber übergeben, doch es ging dem Unternehmen nicht gut. Krim stieg zunächst als Mitinhaber ein und übernahm die Firma im Jahr 2008 komplett.

„Seit drei Jahren bin ich in den schwarzen Zahlen“, sagt er. Der Umsatz liegt im unteren sechsstelligen Bereich. Doch bei der bloßen Händlertätigkeit soll es nicht bleiben. Den Anstoß dafür liefert die Geschäftspolitik der großen Schweizer Uhrenkonzerne: „Ihnen gehört ein großer Teil aller Hersteller von Zulieferteilen für mechanische Uhrwerke“, erklärt Krim, „und sie haben bereits angekündigt, die Versorgung von Dritten mit Ersatzteilen nach und nach einzustellen.“

Mit einer Pinzette legt Krim einen winzigen Metallstreifen, nur einen Zentimeter lang und höchstens einen Millimeter breit, auf den Tisch. Die Chronografenfeder, die zu einer Luxusuhr aus den frühen 1960-er Jahren gehört, ist schon lange nicht mehr lieferbar.

In einer Feinmechanikerwerkstatt in Harburg hat Krim eine kleine Serie dieser Federn neu fertigen lassen. Während die wenigen noch vorhandenen Originalteile deutlich mehr als 100 Euro kosten, verkauft er die neu produzierten für 27 Euro. Das soll aber erst der Anfang sein. Zusammen mit Fachleuten ist er dabei, einen Weg zu finden, Spiralfedern aus Silizium herzustellen. Die Nachfrage dürfte groß sein, denn der letzte Hersteller dieser Teile in der Schweiz will die Lieferungen an Konzernfremde stark einschränken. „In wenigen Monaten wollen wir eine Firma für die eigene Produktion gründen“, sagt Krim.