Bürgermeisterwahl in Seevetal: Der Einzelbewerber Willi Cramer sucht den direkten Kontakt zum Bürger

Seevetal. In der Gemeinde Seevetal wird am 22. September ein neuer Bürgermeister gewählt. Vier Kandidaten wollen die Nachfolge von Amtsinhaber Günter Schwarz (SPD) antreten: Martina Oertzen (CDU), Ulrich Sauck (SPD), Peter Metelski (Freie Wähler) und Willi Cramer als Einzelbewerber. In alphabetischer Reihenfolge stellt das Abendblatt alle vier vor. Den Anfang macht Willi Cramer.

Mit seiner Kandidatur will der 58 Jahre alte Hörstener vor allem eines zeigen: Jeder Bürger hat die Chance, sich um das Bürgermeisteramt zu bewerben und mitzugestalten. Er muss es nur schaffen, 200 Unterschriften zu sammeln. Cramer, Mitarbeiter des Seevetaler Betriebshofs, Personalratsvorsitzender der Gemeinde und aktiv im Präventionsrat, hat es geschafft und betont seitdem, für eine Politik der neuen Wege zu stehen. „Ich bin kein typischer Verwaltungstyp“, sagt er – obwohl er durch seine Arbeit für die Gemeinde durchaus mit den Strukturen im Hittfelder Rathaus vertraut ist.

Wenn man den Vater dreier erwachsener Töchter sieht, käme man auch gar nicht auf den Gedanken, ihn für einen Bürohengst zu halten. Stirnband, längere Haare, lockere Art und natürlich die kurze Lederhose. „Ich bin kein Seppl, aber ich liebe Bayern und finde die kurzen Hosen einfach praktisch“, erklärt der gebürtige Harburger, der seit mehr als 30 Jahren in Seevetal wohnt. Selbst wenn er Bürgermeister werden sollte, würde er sich nicht von seinem Lieblingskleidungsstück trennen. Obwohl er sich durchaus vorstellen kann, es zu bestimmten Anlässen gegen feineren Zwirn auszutauschen. Vor 25 Jahren habe er angefangen, die kurze Hose, die er auch in der Stoff-Variante besitzt, von März bis Ende Oktober zu tragen, erzählt er. Und seitdem ist sie zu seinem Markenzeichen mit hohem Wiedererkennungswert geworden. Da liegt es nahe, die Krachlederne zum Symbol seiner Wahlplakate zu machen. „Willi wählen!“ steht dort kurz und knackig, darunter die Lederhose in Großaufnahme und sein Konterfei mit dem Zusatz „Lust auf Seevetal“.

Bei unserem Gespräch an seinem Lieblingsort an der Elbe, der Hütte direkt neben der Strandhalle in Over, die er sich mit einem Kumpel teilt, sind fleißige Helfer gerade dabei, 1000 Plakate zu kleben. Ob er die überhaupt noch irgendwo aufhängen kann, wo doch schon nahezu alle Laternenmasten auf Gemeindegebiet mit den Plakaten der Mitbewerber besetzt sind? Cramer bleibt gelassen. Ein Plätzchen finde sich schon, sagt er lächelnd. Diese Einstellung spiegelt auch seine Philosophie wider, mit der für seine Kandidatur wirbt. „Ich drängel mich bei Veranstaltungen nicht nach vorne“, sagt er. Auch habe er sich nirgendwo mit einem klassischen Wahlstand auf einen Parkplatz gestellt, das sei einfach nicht seine Art – ebenso wenig, wie Leuten nach dem Mund zu reden.

Cramer, der nach seinem Fachabitur für Sozialpädagogik unter anderem Architekturstudent, Taxifahrer, Post-Angestellter und Hausmann war, liebt das Unmittelbare. Wenn er Leute auf der Straße trifft, hält er mit ihnen erst mal einen Schnack, nimmt sich Zeit und hört zu. Das will er auch als Bürgermeister beibehalten, sollte er gewählt werden. „Dabei geht es nicht um oberflächliches, sondern um echtes Zuhören.“ Verlässlich sein und auf Bürgerinteressen reagieren, das sind für ihn wichtige Eigenschaften. „Ich glaube, als Bürgermeister muss man Ideen von anderen Menschen aufnehmen und Sachen nicht nur anschieben, sondern auch dabei sein und mitmachen“, sagt er. Sicherlich könne man nicht überall vor Ort sein, aber trotzdem sei ein bestimmtes Maß an Praxisnähe wichtig.

Immer wieder nennt Cramer im Gespräch das Beispiel des Bunten Bahnhofs Maschen. Das Projekt des Seevetaler Präventionsrats, bei dem Kinder, Jugendliche und Künstler den Bahnhof mit Bildern auf Vordermann brachten, ist vor elf Jahren gestartet und läuft vor allem unter seiner Regie. Der Bunte Bahnhof stehe symbolisch dafür, wie man bei Problemen neue Wege gehen könne, sagt er. Damals habe man gedacht, man müsse das Gebäude mit Kameras überwachen, um die Zerstörungen zu verhindern. „Unser Ansatz war aber, ihm zu einem eigenen Leben zu verhelfen.“ Das Projekt wurde zum Erfolg und ist für ihn eine Art Maßstab für gutes Arbeiten in der Kommunalpolitik.

Dass er im Gegensatz zu Ulrich Sauck oder Martina Oertzen nicht über den Rückhalt einer Partei und langjährige politische Erfahrung und Vernetzung verfügt, wertet Cramer nicht als Nachteil. „Es sind nicht die ganz großen Dinge, die wir hier in der Gemeinde entscheiden.“ Selbst beim Thema Raststätte Elbmarsch habe Seevetal nur bedingte Einflussmöglichkeiten. Parkbänke, Straßen, Jugendarbeit das seien die Themen, die in der Kommunalpolitik anstünden. Bei diesen Themen ist es seiner Meinung nach Aufgabe des Bürgermeisters, über Parteigrenzen hinweg nach Lösungen zu suchen. Denn: „Ich habe noch keine ideologische Parkbank gesehen.“