Kriminalpolizei nimmt Patientenakten mit. Krankenkasse vermutet, dass zu hohe Kosten abgerechnet wurden

Salzhausen. Die Kriminalpolizei kam am Donnerstagvormittag, als Krankenhaus-Chefin Ute Golbach gerade in einer Gläubigerversammlung saß. Gegen 9.30 Uhr fuhren acht Beamte in Zivil in Salzhausen vor, stiegen aus und verlangten Einsicht in die Abrechnungsunterlagen. Die Durchsuchung dauerte bis zum Mittag. Nach drei Stunden verließen die Polizisten das Krankenhaus wieder. Sie hatten dabei zahlreiche Patientenakten im Gepäck.

Auslöser der Aktion war die Staatsanwaltschaft Lüneburg, die auf eine Anzeige einer Krankenkasse handelte. Dort wird derzeit vermutet, dass der Kasse von 2009 bis 2012 vom Krankenhaus zu hohe Summen in Rechnung gestellt wurden. „Wir waren über die Vorwürfe sehr erstaunt“, kommentierte Golbach am Freitag die Ereignisse.

Kein Wunder: Denn Golbach führt erst seit April diesen Jahres als Sanierungsvorstand das Haus. Sie trug damit zu dem Zeitraum, für den nun ermittelt wird, noch keine Verantwortung für die Klinik, die als einzige in Deutschland von einer Genossenschaft getragen wird. Daher betrifft der Verdacht jetzt auch den gesamten, früher amtierende Vorstand. Er sei sich jedoch „in Unkenntnis der genannten Vorwürfe eines strafrechtlichen Fehlverhaltens nicht bewusst“, teilte das Krankenhaus am Freitag mit. Dennoch werde der amtierende Vorstand nun „eine intensive interne Aufklärung betreiben sowie die Ermittlungstätigkeiten der Staatsanwaltschaft Lüneburg nach besten Kräften unterstützen.“

Im Kern gelten die Vorwürfe vor allem mehreren Ärzten, die eigene Belegbetten in dem Krankenhaus unterhalten. „Sie sollen nach Auffassung der Krankenkasse medizinisch nicht erforderliche Leistungen abgerechnet haben“, sagte Angelika Klee, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lüneburg, dem Abendblatt. Daher ließ die Staatsanwaltschaft auf Beschluss des Amtsgerichts wegen des Verdachts am Donnerstag auch verschiedene Arztpraxen durchsuchen.

Grundsätzlich besteht der Verdacht, dass Patienten stationär aufgenommen wurden, obwohl sie auch ambulant, also außerhalb des Krankenhauses, hätten behandelt und gepflegt werden können. Durch die Abrechnung kommt aber auch das Krankenhaus ins Spiel. Denn seine Leistungen müssen ebenfalls von den Krankenkassen bezahlt werden.

„Die Polizei wird die beschlagnahmten Unterlagen jetzt auswerten. Wir werden auch noch einen Sachverständigen hinzuziehen“, sagte Klee. Sie rechnet damit, dass dies zumindest einige Wochen dauern wird. Mit den Durchsuchungen gerät das Krankenhaus Salzhausen nun in neue Turbulenzen. Denn erst im November hatte die Geschäftsführung beim Amtsgericht Lüneburg einen Insolvenzantrag stellen müssen. Damals hatte das Management befürchtet, zahlungsunfähig zu werden. Es gelang der damaligen Leitung jedoch, das 75-Betten-Haus in einem Schutzschirmverfahren weiter zu führen.

Der Betrieb lief weiter und die rund 200 Mitarbeiter erhielten zunächst für drei Monate das Insolvenzausfallgeld ausbezahlt. Anfang April legte dann der bisherige Vorstand und Verwaltungsdirektor Ulrich Magdeburg seine Ämter nieder. Damals galt die Finanzierung der Genossenschaft bis Ende 2014 als sichergestellt. Magdeburgs Nachfolgerin wurde Ute Golbach, die zugleich auch Geschäftsführerin des Instituts für Gesundheits-System-Forschung (IGSF) in Kiel ist. Das Institut hatte zuvor für das Krankenhaus ein Sanierungskonzept ausgearbeitet.

Der Vertrag von Golbach, die am Freitag auch mit dem seit der Insolvenz für das Krankenhaus eingesetzten Sachwalter Jan Ockelmann Kontakt aufnahm, läuft derzeit noch bis Ende September. „Bis dahin muss eine Lösung für die Zukunft des Krankenhauses gefunden werden“, sagte Golbach. Derzeit würden „verschiedene Konzepte“ verfolgt, bei denen auch externe Investoren eine Rolle spielen könnten. Nähere Einzelheiten nannte sie nicht. Vorgesehen ist, dass zum 1. Oktober ein ärztlicher Direktor statt eines Verwaltungsfachmannes neben zwei ehrenamtlichen Vorständen aus der Genossenschaft die Leitung des Krankenhauses übernehmen soll.

In Salzhausen ist heute Christoph Schlichting der ärztliche Direktor. Ob er aber künftig in den Vorstand und damit in die Geschäftsleitung aufrücken wird, ist offen. „Die Entscheidung“, so Golbach, „ist noch nicht gefallen.“